Im Gegensatz zum Regelverfahren mit einer Abwicklung des insolventen Unternehmens haben Gläubiger beim Insolvenzplanverfahren deutlich mehr Mitbestimmungsrechte.

Mit dem in den letzten Jahren modernisierten deutschen Sanierungs- und Insolvenzrecht soll die Zerschlagung von Krisenunternehmen möglichst vermieden werden. Stattdessen wird verstärkt auf präventive Restrukturierungsmaßnahmen gesetzt. 

In unserer Serie „Sanieren statt liquidieren“ erläutern wir die wichtigsten Aspekte der modernen Sanierungspraxis. In dieser Ausgabe stehen die Grundzüge des Insolvenzverfahrens und des Insolvenzplanverfahrens im Mittelpunkt.

Grundzüge des Insolvenzverfahrens

Für ein Insolvenzverfahren muss zwingend ein Eröffnungsgrund vorliegen (§ 16 InsO), und es wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet (§ 13 InsO). Antragsberechtigt sind der Schuldner und die Gläubiger.

Durch den Antrag wird das Insolvenzverfahren eingeleitet. In dem Eröffnungsverfahren prüft das Insolvenzgericht, ob der Antrag zulässig ist (§§ 13 ff. InsO), ein Eröffnungsgrund vorliegt (§§ 16 ff. InsO) und das Vermögen des Schuldners die Kosten des Verfahrens deckt (§ 54 InsO). Ist der Antrag zulässig, trifft das Gericht bis zur Entscheidung über den Antrag erste Maßnahmen, um eine Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners zu vermeiden.

Regelmäßig wird durch das Insolvenzgericht ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, dessen Rechte und Pflichten in der Regel in zwei Varianten ausgestaltet werden: Bei einem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter bekommt der Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. InsO); bei einem „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter darf der Schuldner nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters verfügen (§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. InsO).

Eigenverwaltung und Schutzschirm

Über das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung und das sogenannte Schutzschirmverfahren informieren wir Sie in der Folgeausgabe von bdp aktuell.

Vorläufiger Gläubigerausschuss

Das Gericht soll auf Antrag einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, wenn Personen benannt werden, die für den vorläufigen Gläubigerausschuss in Betracht kommen und eine Einverständniserklärung dieser Personen dem Antrag beigefügt wird (§ 22a Abs. 2 InsO). Dieser Antrag kann vom Schuldner, dem vorläufigen Insolvenzverwalter oder einem Gläubiger gestellt werden. Liegen die vorgenannten Voraussetzungen nicht vor, steht es grundsätzlich im freien Ermessen des Richters, einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen.

Dem vorläufigen Gläubigerausschuss kommt eine entscheidende Beteiligung bei der Bestimmung des Verwalters zu. So ist er grundsätzlich dazu anzuhören, welche Anforderungen an die Person des zukünftigen Verwalters zu stellen sind. Diese Festlegung der Anforderungen ist für das Gericht bei der Auswahl bindend. Sofern der vorläufige Gläubigerausschuss sich einstimmig auf eine Person als Verwalter einigt, darf das Gericht von diesem Vorschlag nur abweichen, sofern der Vorgeschlagene für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist.

Eröffnung des Verfahrens

Sieht das Insolvenzgericht einen Eröffnungsgrund als gegeben an und reicht die vorhandene freie Masse aus, die Verfahrenskosten zu decken, eröffnet es das Insolvenzverfahren und ernennt den Insolvenzverwalter (§ 27 Abs. 2 Nr. 1 InsO). 

Ernennung des Insolvenzverwalters

Der Insolvenzverwalter steht unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts, das von ihm jederzeit einzelne Auskünfte oder einen Bericht über den Sachstand und die Geschäftsführung verlangen kann.

Mit dem Eröffnungsbeschluss geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). Der Insolvenzverwalter hat daher unverzüglich das gesamte zur Masse zählende Vermögen in Besitz und Verwaltung zu nehmen.

Gleichzeitig werden alle Gläubiger aufgefordert, innerhalb einer bestimmten Frist ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter anzumelden. Personen, die Verpflichtungen gegenüber dem Schuldner haben, werden aufgefordert, nicht mehr an den Schuldner zu leisten, sondern an den Verwalter. Gläubiger, die Sicherungsrechte geltend machen, werden aufgefordert, diese dem Insolvenzverwalter gegenüber zu benennen.

Die Gläubigerversammlung

Die Gläubigerversammlung aller Gläubiger ist das oberste Selbstverwaltungsorgan im Insolvenzverfahren. Über die Einberufung entscheidet das Insolvenzgericht (§§ 74, 75 InsO). Das Gericht setzt den Berichtstermin fest, bei dem auf Grundlage des Berichts des Insolvenzverwalters über den Fortgang des Insolvenzverfahrens entschieden wird, sowie den Prüfungstermin, bei dem die angemeldeten Forderungen geprüft werden. 

Die Gläubigerversammlung muss unter anderem den ernannten Insolvenzverwalter bestätigen bzw. einen neuen wählen sowie diesen kontrollieren. 

Insolvenzanfechtung

Ziel einer Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO), für die ein Anfechtungsgrund vorliegen muss, ist es, ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen, die zu einer Verkürzung der Insolvenzmasse geführt haben, rückgängig zu machen. Damit wird der Schutz der Gläubiger, der ansonsten erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens einsetzen würde, auf den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgedehnt, wodurch der beherrschende Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger auf einen früheren Zeitpunkt vorverlegt wird.

Voraussetzung für die Insolvenzanfechtung ist zunächst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Anfechtung kann allein durch den Insolvenzverwalter erklärt werden.

Kapitel 11: Grundzüge des Insolvenzverfahrens Bei Gericht

Das Insolvenzgericht entscheidet über das Verfahren und kontrolliert es. Aber Gläubiger und Schuldner haben auch erheblichen Einfluss

Das Insolvenzgericht entscheidet über das Verfahren und kontrolliert es. Aber Gläubiger und Schuldner haben auch erheblichen Einfluss

Kapitel 12: Grundzüge des Insolvenzplanverfahrens Sanierung des insolventen Unternehmens als Ziel

Ein Insolvenzplanverfahren bietet den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, vom Regelinsolvenzverfahren abweichende Vereinbarungen im Hinblick auf die Umgestaltung oder völlige Neuordnung des insolventen Unternehmens zu treffen.

Ein Insolvenzplanverfahren bietet den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, vom Regelinsolvenzverfahren abweichende Vereinbarungen im Hinblick auf die Umgestaltung oder völlige Neuordnung des insolventen Unternehmens zu treffen.

Grundzüge des Insolvenzplanverfahrens

Ein Insolvenzplanverfahren bietet den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, vom Regelinsolvenzverfahren abweichende Vereinbarungen im Hinblick auf die Umgestaltung oder völlige Neuordnung des insolventen Unternehmens zu treffen. Regelmäßig wird mit einem Insolvenzplanverfahren die Sanierung des insolventen Unternehmens angestrebt.

Mit dem Plan besteht auch die Möglichkeit, zur Sanierung des Schuldners Forderungen von Gläubigern in Gesellschaftsanteile umzuwandeln (sog. debt-equity-swap), Eine Umwandlung gegen den Willen der betroffenen Gläubiger ist jedoch ausgeschlossen.

Wer ist antragsberechtigt?

Antragsberechtigt sind der Schuldner oder der Insolvenzverwalter. Der vom Schuldner oder Insolvenzverwalter vor oder nach Antragstellung erstellte Insolvenzplan wird zunächst durch das Gericht auf dessen Durchführbarkeit und die Annahmewahrscheinlichkeit seitens der Gläubiger geprüft. Dies ist notwendig, damit sich die Gläubiger nicht mit einem unrealistischen und/oder möglicherweise sogar gesetzwidrigen Plan befassen müssen. 

Der Insolvenzplan

Der Insolvenzplan selbst ist gegliedert in einen darstellenden und einen gestaltenden Teil.

Im darstellenden Teil des Insolvenzplans sind die Maßnahmen, die nach der Eröffnung des Verfahrens getroffen worden sind oder noch getroffen werden sollen, zu erörtern, an die sich die geplante Gestaltung der Rechte der Beteiligten anschließt. Dabei soll der darstellende Teil alle relevanten Daten zu den Grundlagen und den Auswirkungen des Plans enthalten, da dieser die Grundlage für die Entscheidung der Gläubiger über die Zustimmung zum Plan und dessen gerichtliche Bestätigung bildet. 

Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans ist darzustellen, inwiefern die Rechtsstellung der einzelnen Beteiligten durch den Plan geändert werden soll. Der Insolvenzplan muss auf jeden Fall eine Plan-Bilanz, eine Plan-Gewinn- und Verlustrechnung sowie die zustimmende Erklärung des Schuldners enthalten, wenn die Gläubiger aus den Erträgen des fortgeführten Unternehmens befriedigt werden sollen.

Gleichbehandlung der Gläubiger

Eine bestimmte, im Planverfahren zu erreichende Mindestquote für die Gläubiger ist nicht vorgeschrieben. Eine Gleichbehandlung der Gläubiger muss nur innerhalb der jeweiligen Gläubigergruppe (z. B. Gruppe Banken, Lieferanten, Arbeitnehmer, Kleingläubiger, absonderungsberechtigte Gläubiger) erfolgen. 

Innerhalb jeder Gläubigergruppe muss die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger dem Plan zustimmen und die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubigerschaft muss mehr als 50 % der Summe der Ansprüche der abstimmenden Gläubiger betragen.

Erforderliche Mehrheiten

Sollten die erforderlichen Mehrheiten nicht erreicht werden, so kann das Gericht mit Zustimmung des Schuldners die erforderliche Mehrheit ersetzen, wenn die Mehrzahl der Gläubigergruppen für die Annahme des Plans stimmen und sofern die Gläubiger bei Annahme des Insolvenzplanes wirtschaftlich besser gestellt werden, als im Fall der Regelabwicklung (Zerschlagung). 

Bestätigung des Insolvenzplans 

Die Bestätigung des Insolvenzplans ist seitens des Gerichts zu versagen, wenn z. B. Masseunzulänglichkeit vorliegt oder wenn ein Gläubiger dies beantragt und glaubhaft macht, dass er durch den Plan schlechter gestellt wird als ohne Plan.

Gläubiger und Schuldner können gegen den Beschluss Beschwerde einlegen. Mit formeller Rechtskraft des versagenden Beschlusses ist das Insolvenzplanverfahren gescheitert, und es wird die Verwertung und Verteilung des Schuldnervermögens nach den gesetzlichen Bestimmungen fortgesetzt.

Wird der Plan jedoch rechtskräftigt bestätigt, sind zunächst die Masseansprüche zu begleichen. Wird anschließend das Insolvenzverfahren aufgehoben, erfolgt regelmäßig die Überwachung der Planerfüllung.

Grundsätzlich gelten zur Beschleunigung des Insolvenzplanverfahrens nun regelmäßig kurze Fristen, um die Durchführung eines bestätigten Plans nicht zu gefährden.

Die Wirkungen eines vom Gericht bestätigten Insolvenzplanes gelten auch für Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen im Insolvenzverfahren nicht angemeldet haben sowie für Beteiligte, die dem Plan zwar widersprochen, jedoch nicht gegen ihn gestimmt haben. Auch damit soll die Umsetzung eines bestätigten Plans sichergestellt werden.

Zusammenfassung

Gläubiger haben im Insolvenzplanverfahren im Unterschied zu einer Abwicklung des insolventen Unternehmens im Rahmen des Regelinsolvenzverfahrens deutlich mehr Mitbestimmungsrechte und die Chance auf höhere Quoten – dem steht jedoch auch das Risiko des Nichterreichens der Planziele gegenüber.

Dem Schuldner bietet das Insolvenzplanverfahren die Möglichkeit, das Unternehmen fortzuführen. Den Anteilseignern bietet sich die Chance, die Sanierung mitzugestalten und einen wirtschaftlichen Neustart mit einem sanierten Unternehmen zu realisieren. Die Chance auf Erhalt der Arbeitsplätze eines Unternehmens ist ebenfalls deutlich höher.

Sanieren statt liquidieren

Sanieren statt liquidieren  Einführung in die Sanierungspraxis

Wir starten in dieser Ausgabe eine Serie von Überblicksartikeln, die eine Einführung in die wichtigsten Aspekte der Sanierungspraxis geben und auf weiterführende Informationen verweisen.

Wir starten in dieser Ausgabe eine Serie von Überblicksartikeln, die eine Einführung in die wichtigsten Aspekte der Sanierungspraxis geben und auf weiterführende Informationen verweisen.

Sanieren statt liquidieren // Teil B   Krisen erkennen und bekämpfen

Wer will und einen realistischen Blick wagt, kann Unternehmenskrisen zuverlässig und rechtzeitig erkennen. Je früher dies geschieht, desto größer sind die Chancen auf einen erfolgreichen Turnaround.

Wer will und einen realistischen Blick wagt, kann Unternehmenskrisen zuverlässig und rechtzeitig erkennen. Je früher dies geschieht, desto größer sind die Chancen auf einen erfolgreichen Turnaround.

Sanieren statt liquidieren // Teil C  Ein nichtöffentliches Verfahren

Das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) ermöglicht ein formelles Restrukturierungsverfahren ohne einen Insolvenzantrag und ohne Eintrag in das Handelsregister.

Das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) ermöglicht ein formelles Restrukturierungsverfahren ohne einen Insolvenzantrag und ohne Eintrag in das Handelsregister.

Sanieren statt liquidieren // Teil D   Wann ist ein Insolvenzantrag fällig?

In unserer Serie „Sanieren statt liquidieren“ erläutern wir die wichtigsten Aspekte der modernen Sanierungspraxis. In dieser Ausgabe steht die Frage im Mittelpunkt: „Wann ist ein Insolvenzantrag fällig?“

In unserer Serie „Sanieren statt liquidieren“ erläutern wir die wichtigsten Aspekte der modernen Sanierungspraxis. In dieser Ausgabe steht die Frage im Mittelpunkt: „Wann ist ein Insolvenzantrag fällig?“

Sanieren statt liquidieren // Teil E   Verfahrensfragen

Im Gegensatz zum Regelverfahren mit einer Abwicklung des insolventen Unternehmens haben Gläubiger beim Insolvenzplanverfahren deutlich mehr Mitbestimmungsrechte.

Im Gegensatz zum Regelverfahren mit einer Abwicklung des insolventen Unternehmens haben Gläubiger beim Insolvenzplanverfahren deutlich mehr Mitbestimmungsrechte.

Sanieren statt liquidieren // Teil F  Eigenverwaltung und Schutzschirm

Die Eigenverwaltung ist – regelmäßig in Verbindung mit einem Insolvenzplan - ein attraktives Instrument zur Sanierung eines insolventen Unternehmens.

Die Eigenverwaltung ist – regelmäßig in Verbindung mit einem Insolvenzplan - ein attraktives Instrument zur Sanierung eines insolventen Unternehmens.