Wir starten in dieser Ausgabe eine Serie von Überblicksartikeln, die eine Einführung in die wichtigsten Aspekte der Sanierungspraxis geben und auf weiterführende Informationen verweisen.
Während landläufig eine Insolvenz fast zwingend mit dem Ende des betroffenen Unternehmens gleichgesetzt wird, trifft dies auch in Deutschland rechtlich und praktisch seit einigen Jahren nicht mehr zu. Seit der globalen Finanzkrise 2008 wurden auch hierzulande gesetzgeberische Maßnahmen ergriffen, mit denen die Zerschlagung von Krisenunternehmen möglichst vermieden werden sollte. Stattdessen sollte verstärkt auf präventive Restrukturierungsmaßnahmen gesetzt werden.
Meilensteine bei dieser Modernisierung des deutschen Restrukturierungs- und Insolvenzrechts waren 2012 das ESUG und dann 2021 das StaRUG. Deren ausgeschriebene Titel paraphrasieren diese dynamische Entwicklung: Während das „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)“ noch das Insolvenzrecht reformierte, eröffnete das „Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz - StaRUG)“ die Möglichkeit einer strukturierten vorinsolvenzlichen Restrukturierung.
Wir haben in bdp aktuell in den letzten Jahren über diese Entwicklung und unsere praktischen Erfahrungen damit ständig und ausführlich berichtet. Wir starten in dieser Ausgabe eine Serie von Überblicksartikeln, die eine Einführung in die wichtigsten Aspekte der Sanierungspraxis geben und auf weiterführende Informationen verweisen. Wir werden dabei folgende Bereiche berücksichtigen:
- So hilft der Berater in der Krise
- Erste Hilfe und Trendwende: Krisen erkennen und bekämpfen
- Vor der Insolvenz: Präventive Restrukturierungsmaßnahmen
- Das moderne Insolvenzverfahren: Alternativen zur Zerschlagung
- Haftungsrisiken und steuerliche Optimierung
Überblick: Vom ESUG zum StaRUG
Ein bedeutender Schritt bei der dynamischen Anpassung des deutschen Sanierungsrechts war die Einführung des ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) im Jahr 2012. Es reformierte das deutsche Insolvenzrecht. Es fördert proaktive Sanierungsmaßnahmen, ermöglicht Eigenverwaltung und Schutzschirmverfahren. Dank ESUG können insolvente Unternehmen unter Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters eigenständig ihre Sanierung vorantreiben, was den Erhalt von Arbeitsplätzen und Werten erleichtert. Diese Reform stärkte die präventive Restrukturierung und trug wesentlich zur Flexibilisierung des Insolvenzrechts bei, was wiederum zur Verbesserung der Überlebenschancen strauchelnder Unternehmen beiträgt.
Die Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtlinie im Jahr 2021 brachte weitere Veränderungen. Insbesondere die Einführung des präventiven Restrukturierungsrahmens erweitert die Möglichkeiten für Unternehmen, frühzeitig Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen. Dieser Rahmen ermöglicht die Ausarbeitung von Restrukturierungsplänen, die von einer qualifizierten Mehrheit der Gläubiger angenommen werden können.
Die Entwicklungen seit 2010 zeigen eine klare Tendenz zur Stärkung präventiver Sanierungsinstrumente und zur Erleichterung von Sanierungsverfahren. Die Gesetzgebung reagiert auf die Notwendigkeit, Unternehmen in wirtschaftlich unsicheren Zeiten zu unterstützen und Arbeitsplätze zu sichern.
Das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG), das im Januar 2021 in Kraft trat, markiert einen weiteren Meilenstein in der Entwicklung des Sanierungsrechts in Deutschland seit 2010. Das StaRUG ergänzt die bestehenden Instrumente und setzt verstärkt auf präventive Restrukturierungsmaßnahmen.
Eine zentrale Neuerung des StaRUG ist die Einführung des außergerichtlichen Restrukturierungsrahmens. Dieser ermöglicht es Unternehmen, mit ihren Gläubigern außergerichtliche Restrukturierungspläne zu vereinbaren, ohne ein förmliches Insolvenzverfahren durchlaufen zu müssen. Durch diesen Rahmen können Unternehmen frühzeitig und flexibel auf finanzielle Schwierigkeiten reagieren, ohne den formalen Insolvenzprozess in Gang zu setzen.
Aber: Das StaRUG führte neue Haftungsinstrumente für die Geschäftsleitungen ein und schuf eine Pflicht zur Krisenfrüherkennung. Bei Versäumnissen im Zusammenhang mit der rechtzeitigen Einleitung von Sanierungsmaßnahmen können Geschäftsleiter stärker in die Verantwortung genommen werden.
Wie hilft der Berater in der Krise
Krisenunternehmen sollten sich möglichst einen sanierungserfahrenen Unternehmensberater suchen. Seine Aufgaben umfassen die Analyse finanzieller Probleme, die Entwicklung von Restrukturierungsplänen, Verhandlungen mit Gläubigern, und die Umsetzung von Maßnahmen zur nachhaltigen Wiederherstellung der finanziellen Stabilität. Ziel ist die erfolgreiche Restrukturierung und Vermeidung von Insolvenzen.
Die Schritte der Sanierungsberatung laufen in nahezu allen Branchen und in allen Unternehmen sehr ähnlich ab, nämlich sehr stringent und strukturiert. Wir werden Sie im Einzelnen darüber informieren, wie systematisch eine professionelle Sanierungsberatung abläuft und welche Kenntnisse ein Berater mitbringen muss, um diese Leistung überhaupt sachgerecht erbringen zu können.
Erste Hilfe und Trendwende: Krisen erkennen und bekämpfen
Für jeden Unternehmer und Geschäftsführer ist es wichtig, eine aufziehende Krise frühestmöglich zu erkennen und von einem temporären Konjunkturrückgang zu unterscheiden, denn es gilt die alte Weisheit: Je früher man gegensteuert und Maßnahmen entwickelt, umso größer ist der Handlungsspielraum und umso besser sind die Chancen, das Unternehmen wieder auf ertragreichen Kurs zu bringen.
Um den Turnaround einzuleiten und mögliche Insolvenzgründe zu beseitigen, gibt es bei rechtzeitigem Handeln mehrere mittel- und langfristig wirkende Maßnahmen. Verschiedene Eigen- und Fremdkapitalmaßnahmen können je nach Gesellschaftsform und Krisensymptomen dafür sorgen, dass die Liquidität im Unternehmen gesichert wird und die Ursachen für eine mögliche Insolvenz beseitigt werden können.
Vor der Insolvenz: Präventive Restrukturierungsmaßnahmen
Das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) hat präventive Werkzeuge für die Restrukturierung bereitgestellt. Der außergerichtliche Restrukturierungsrahmen ermöglicht es Unternehmen, mit Gläubigern außerhalb eines Insolvenzverfahrens flexible Restrukturierungspläne zu vereinbaren. Durch frühzeitiges Handeln können finanzielle Probleme bewältigt und Insolvenzen vermieden werden. Das StaRUG erleichtert somit eine effektive und rechtzeitige Sanierung zur Sicherung von Unternehmen und Arbeitsplätzen.
Das moderne Insolvenzverfahren: Alternativen zur Zerschlagung
Sofern es sich nicht mehr umgehen lässt und ein Insolvenzantrag gestellt werden muss, heißt das nicht mehr unbedingt, dass dies auch das Ende des Unternehmens bedeutet. Insbesondere seit dem Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) haben sich die Chancen einer Sanierung im Rahmen des Insolvenzverfahrens deutlich verbessert.
Wir werden die Grundzüge des Insolvenzverfahrens erläutern, aber auch das Insolvenzplanverfahren und das Schutzschirmverfahren ausführlich beleuchten. Es soll dargestellt werden, wo die Unterschiede dieser Verfahren und ihre jeweiligen Vor- und Nachteile liegen. Unternehmer und Manager sollen so in die Lage versetzt werden, den Ablauf und die verschiedenen Möglichkeiten einer Insolvenz zu verstehen und auch die sich daraus ergebenden Chancen zu nutzen.
Haftungsrisiken und steuerliche Optimierung
Befindet sich das Unternehmen in der Krise oder sogar bereits in der Insolvenz, können sich nicht nur Risiken für das Unternehmen ergeben, sondern auch für beteiligte Personen.
Der Geschäftsführer als Organ der Gesellschaft läuft Gefahr, sich einer Haftung auszusetzen, wenn er trotz Insolvenzantragspflicht keinen Antrag stellt und das Unternehmen weiterführt. Hier droht nicht „nur“ die vermögensrechtliche Ersatzpflicht, sondern auch die strafrechtliche Haftung wegen Insolvenzverschleppung. Aber auch für die Gesellschafter des Unternehmens bestehen rechtliche Risiken.
Nicht zu vernachlässigen sind auch die steuerlichen Risiken, die sich unmittelbar aus Sanierungsmaßnahmen ergeben können. Einige dieser Maßnahmen können Steuern verursachen, insbesondere Ertragssteuern, aber auch Umsatz- oder beispielsweise Grunderwerbssteuern. Diese steuerlichen Konsequenzen sind bei der Beratung ebenfalls unbedingt vor Umsetzung möglicher Sanierungsmaßnahmen zu berücksichtigen.
Fazit
Mit unserer Reihe „Sanieren statt liquidieren“ werden wir Ihnen umfassend die aktuelle Rechtslage im Hinblick auf Unternehmen in der Krise und ihre handelnden und beteiligten Personen aufzeigen und Ihnen natürlich viele wertvolle Anregungen und Handlungsempfehlungen für die Steuerung Ihres Unternehmens an die Hand geben – um Krisen vorzubeugen, aber auch, um Ihnen Möglichkeiten aus der Krise heraus aufzuzeigen.