In Deutschland und Spanien nehmen Insolvenzen im Automobilsektor stark zu. Wir sprachen mit bdp-Gründungspartner Dr. Michael Bormann über praktische Handlungsmöglichkeiten.

Die Insolvenzen von Unternehmen in Deutschland und Spanien nehmen aktuell stark zu, gerade im Automobilsektor. Sie treffen zunehmend auch große Unternehmen mit mehr als 50 Millionen Euro Jahresumsatz und haben weitreichende Folgen. 

„Wenn es kracht, dann richtig“, sagt Michael Bormann, CEO der international tätigen bdp Bormann, Demant & Partner Group mit eigenen Unternehmen unter anderem in Spanien, Deutschland und China. Mit ihm besprachen wir die aktuelle Situation.

Sie sind Berater und Unternehmer und das in vielen Ländern aber auch in Marbella. 

Dr. Michael Bormann: Unsere Unternehmensgruppe bdp Bormann, Demant & Partner ist seit 1982 tätig, beschäftigt über 150 Mitarbeiter:innen und umfasst auf der einen Seite das Beratungsgeschäft mit Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern (auch mit einem Büro in Marbella) und auf der anderen Seite das weltweite Projektgeschäft mit Guss- und Schmiedeteilen und die Herstellung von Elektromotoren und -getrieben für die Industrie. Unsere Kunden hierfür befinden sich in Spanien, Deutschland und Asien. Die dritte Sparte unserer Gruppe ist in der Tourismusbranche hier in Spanien tätig.

Im Rahmen des Beratungsgeschäfts sind wir auch vielfach als Interimsmanager in Unternehmen im „rauem Fahrwasser“, also in Schwierigkeiten, tätig und sehen dort natürlich aus erster Hand die aktuelle Lage.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation der Industrie gerade auch mit ihrem Hintergrund aus Spanien, Deutschland und China?

Es sind in Deutschland allein im ersten Halbjahr 2024 über 40 Großinsolvenzen bekannt geworden. Das ist ein gutes Drittel mehr als im Vorjahreszeitraum. Seit fast zehn Jahren gab es eine solche Situation nicht mehr. Diese Insolvenzen haben oft einen Dominoeffekt auf viele kleinere Unternehmen in der gesamten Lieferkette. Nicht selten werden sie dabei mitgerissen und geraten selbst in den Abwärtssog, der im schlimmsten Fall ebenfalls in der Zahlungsunfähigkeit endet.

Welche Branchen sind denn ihrer Ansicht nach besonders betroffen?

Hier sind leider an erster Stelle die wertschöpfenden Unternehmen wie Zulieferer für die Automobilindustrie, der Maschinenbau, aber auch der Einzelhandel mit Textilien (Fashion) zu nennen.

Woran liegt diese aktuelle Entwicklung?

Die Gründe sind sehr unterschiedlich. Einige Unternehmen waren nach Corona ausgezehrt und verkrafteten die hohen Energiepreise und Zinsen nicht, andere konnten die fälligen Rückzahlungen von Coronadarlehen nicht bedienen oder hatten Schwierigkeiten an neue Kredite zu kommen, aufgrund der deutlich restriktiveren Kreditpolitik der Banken und deren wesentlich gestiegenen Anforderungen. Wieder andere Unternehmen waren von einem einzelnen Großkunden abhängig, der weggebrochen ist oder verkraften die starken Umsatzeinbrüche in der Automobilbranche nicht.

Und wie verhalten sich in einem solchen Fall die großen OEMs, also die Automobilhersteller gegenüber ihren in Schwierigkeiten geratenen Zulieferern?

Das Verhalten ist sehr unterschiedlich, aber leider nicht immer vorbildlich. In vielen Fällen unterstützt der OEM die Sanierung des Zulieferers, wenn dessen Sanierungskonzept überzeugend ist. Hier erstellen wir gemeinsam mit dem Kunden dann sehr häufig diese Sanierungskonzepte. 

Manchmal sieht man allerdings, selbst von den größten, vermeintlich leuchtenden Beispiele deutscher Industriekonzerne ein sehr unfaires Verhalten. So werden manchmal ganze Lieferketten nach China verlegt, ohne mit dem betroffenen mittelständischen Zulieferer vorher darüber zu sprechen. Ein solches Verhalten nimmt billigend die Insolvenz des mittelständischen Zulieferers in Kauf. 

Was raten Sie den Unternehmern in dieser schwierigen Zeit?

Jetzt heißt es: Diejenigen Unternehmen werden überleben, die in der aktuellen Situation sehr schnell den Überblick erlangen und beherzt handeln. Das wird in vielen Fällen schmerzhafte Einschnitte bedeuten. Aber nur wer dies zügig angeht, wird erfolgreich daraus hervorgehen.

So kann man in Deutschland und Spanien nach den Neuregelungen in beiden Ländern vielfältige Instrumente nutzen, um sein Unternehmen in Eigenregie zu sanieren.

Das geht in Deutschland mithilfe des StaRUG, des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes. Oder mit einer gründlich vorbereiteten Beantragung einer Insolvenz in Eigenverwaltung oder eines sogenannten Schutzschirmverfahrens, bei denen sich Unternehmen mit noch nicht eingetretener, aber drohender Zahlungsunfähigkeit, die eine positive Fortführungsprognose haben, mittels eines Insolvenzplans neu aufstellen können. Das bestehende Management bleibt dabei üblicherweise an Bord und wird von Restrukturierungsexperten wie bdp unterstützt.

Eine der Lösungen kann auch ein Verkauf sein. Solche Rettungsmissionen gestalten sich aber zunehmend schwieriger und komplexer. Hohe Zinsen machen den Erwerb insolventer Firmen teurer oder unattraktiv und bedürfen der Projektleitung durch erfahrene Berater.

Und wie sieht es diesbezüglich in Spanien aus?

Nur geringfügig später als in Deutschland wurde auch in Spanien die Restrukturierungsgesetzgebung modernisiert. Mit dem Gesetz 16/2022 wurde die Richtlinie (UE) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates 2019/1023 ins spanische Recht umgesetzt. Am 26.09.2022 ist die neue spanische Insolvenzordnung (Texto Refundido de la Ley Concursal) in Kraft getreten.

Mit der Reform sollten auch bisherige Schwachstellen des spanischen Insolvenzrechts beseitigt werden, nämlich die fehlende Möglichkeit einer Restrukturierung in einem gesetzlichen Rahmen außerhalb des Insolvenzverfahrens (vergleichbar mit dem deutschen StaRUG-Verfahren), die in der Regel (zu) späte Insolvenzantragstellung, die lange Dauer des Insolvenzverfahrens und die geringe Inanspruchnahme des Restschuldbefreiungsverfahrens. 

Gerade bei der Regulierung des Restschuldbefreiungsverfahrens und bei der Insolvenz der sogenannten „microempresas“ (Mikrounternehmen) oder bei den massearmen Verfahren wurden relevante Änderungen eingeführt. Für „microrempresas“ muss z. B. kein Insolvenzverwalter bestellt werden – eine Entwicklung, die auf EU-Ebene als Lösung für alle Mitgliedstaaten diskutiert wird.

Dr. Bormann, für dieses Interview! Nur noch eine Frage: Was zieht sie regelmäßig nach Marbella?

Zum einen ist Marbella seit vielen, vielen Jahren Sitz des spanischen Teils unserer Unternehmensgruppe. Zum anderen macht mir an den Wochenenden die Arbeit in unserem Restaurant CANDELA Marbella in der Altstadt oder auf unserem gleichnamigen Charterschiff Spaß: Sie macht den Kopf frei für komplexe Konzepte und Restrukturierungsverfahren.