Wenn sich der Berater im Krisenunternehmen vor Ort befindet, folgt er in allen Branchen einem ähnlichen und strukturierten Vorgehen.
Eine typische Krise verläuft in verschiedene Phasen, beginnend mit der strategischen, über die ergebnisorientierte bis hin zur Liquiditätskrise. Leider zeigt die Praxis, dass der Berater in über 90% der Fälle bedauerlicherweise erst in der Liquiditätskrise hinzugezogen wird. Dies geschieht oft, wenn die Banken die Krisensituation bereits erkannt haben, Rücklastschriften auftreten oder sogar Kontopfändungen vorliegen, was zumindest eine Zahlungsstockung dokumentiert. In dieser Ausgabe beschreiben wir, wie der Krisenberater in solchen Situationen vorgeht.
Wir gehen davon aus, dass die Beauftragung des Beraters in dieser Phase erfolgt. In den meisten Fällen empfiehlt oder drängt die Bank ihren Kreditnehmer dazu, innerhalb kürzester Zeit einen der vorgeschlagenen Sanierungsberater auszuwählen. Das Auftragsverhältnis entsteht daher normalerweise zwischen dem Krisenunternehmen und dem Berater.
Sobald der Berater vor Ort ist, folgt ein nahezu einheitlicher, strukturierter Ablauf, der sich für Unternehmen aller Branchen in vier Phasen unterteilen lässt:
- Notfallphase
- Analyse-Phase
- Verhandlungsphase
- Umsetzungsphase
Die Notfallphase
In der Notfallphase, wie bereits beschrieben, treten oft erste Anzeichen von Zahlungsproblemen oder sogar Zahlungsunfähigkeit auf, beispielsweise durch Pfändungen oder andere Vollstreckungsmaßnahmen. Nach der Beauftragung des Beraters ist es entscheidend, zunächst eine gewisse Beruhigung an der Front der Gläubiger zu erreichen, damit die weiteren Schritte überhaupt durchführbar sind.
In dieser Situation ist es für den Berater wichtig, rasch zu handeln. Unsere Empfehlung ist es, einen offenen und aufrichtigen Brief an die wichtigsten Gläubiger zu senden, insbesondere an diejenigen, bei denen bereits Vollstreckungsmaßnahmen vorliegen oder in naher Zukunft erwartet werden. In diesem Brief teilt der Berater mit, dass er beauftragt wurde, eine Fortführungsprognose oder ein Sanierungskonzept zu erstellen. Gleichzeitig wird betont, dass derzeit Unterlagen gesichtet und die Unternehmenssituation analysiert wird. In dieser Zeit wird um Zurückhaltung bei Vollstreckungsmaßnahmen gebeten.
Hier ist sowohl handwerkliches Geschick als auch Erfahrung gefragt, besonders wenn es um Lieferanten mit Warenkreditversicherungen geht, die sofort informiert werden müssen. Selbstverständlich ist es notwendig, unmittelbar nach der Beauftragung alle beteiligten Kreditinstitute über die Aufnahme der Tätigkeit zu informieren. Dies ist besonders wichtig bei größeren Krisenunternehmen, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Bank, die den Auftrag ausgelöst hat, automatisch alle anderen Institute darüber informiert hat.
Intern muss ebenfalls sofort gehandelt werden. Oft gibt es bereits Lohnrückstände bei den Mitarbeitern oder zumindest herrscht eine große Unsicherheit, da die Mitarbeiter die Situation des Unternehmens mitbekommen(ugs.) und möglicherweise sogar Störungen im Produktions- oder Leistungserstellungsprozess erleben. Hier ist eine offene Kommunikation unerlässlich, damit den Mitarbeitern während der Untersuchungsphase des Beraters keine Ablehnung oder Misstrauen entgegengebracht wird.
Die Analysephase
Die Analysephase erfordert vom Berater, innerhalb einer oft knappen Zeitspanne, eine umfassende Untersuchung des aktuellen Zustands des Unternehmens und potenzieller Sanierungsmaßnahmen. Am Ende dieser Phase muss die Frage beantwortet werden, ob das Unternehmen lebensfähig ist und ob es saniert werden kann. Falls ja: Welche tiefgreifenden Maßnahmen sind dafür erforderlich?
In der Praxis haben sich zwei Ansätze nach IDW S6 (Institut der Wirtschaftsprüfer) für diese Herausforderung entwickelt:
- Fortführungsprognose
- Formelles Sanierungskonzept
Die Fortführungsprognose ist kompakter und konzentriert sich in der Regel auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Ursachen der Krise und die Möglichkeiten zu ihrer Behebung. Das formelle Sanierungskonzept hingegen ist umfassender. Es beleuchtet die Historie der Gesellschaft, präsentiert den gesamten rechtlichen, wirtschaftlichen und finanziellen Hintergrund mit einzelnen Verträgen und erfordert daher automatisch mehr Zeit für die Erstellung.
Unsere Überzeugung ist, dass sowohl Auftraggeber als auch die vermittelnden Banken in den meisten Fällen davon überzeugt werden können, dass eine Fortführungsprognose zunächst das passendste und effizienteste Instrument ist. Andernfalls würde in dieser Phase unnötig viel Zeit für Formalitäten verloren gehen. Gegebenenfalls kann der Auftrag nach einer Fortführungsprognose und Präsentation der Ergebnisse auf die Entwicklung eines formalen Sanierungskonzepts ausgeweitet werden.
Für beide Ansätze, Fortführungsprognose und formelles Sanierungskonzept, gibt der IDW S6 Standard einen formalen Rahmen vor, der einzuhalten ist. Die Darstellung kann regelmäßig durch eine Folienpräsentation erfolgen.
Neben den anfänglich zu untersuchenden Faktoren wie Insolvenzantragspflicht aufgrund von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung und den Möglichkeiten zu ihrer Beseitigung, ist es zwingend notwendig, sofort die tatsächlichen Ursachen der Krise zu ermitteln. Oft sind die vom Unternehmer genannten Gründe vorgeschoben, um die wirklichen Ursachen zu verschleiern. Diese liegen häufig in Managementfehlleistungen wie Fehlkalkulationen, dem langfristigen Festhalten an veralteten Konzepten, Vertriebsschwäche oder an nicht mehr wettbewerbsfähigen Produkten und Dienstleistungen.
Nur durch die Identifikation der tatsächlichen Krisenursachen kann ein wirksames Maßnahmenpaket entwickelt werden, das ebenfalls detailliert dargestellt werden muss. Diese Darstellung sollte die Auswirkungen sowohl auf die Liquidität als auch auf die Erträge in einer integrierten Planungsrechnung (Ertrags- und Bilanzpostenplan einschließlich Liquiditätsplanung) abbilden.
Die Verhandlungsphase
Die Verhandlungsphase beginnt, sobald die Untersuchung ergeben hat, dass das Unternehmen grundsätzlich fortgeführt werden kann. In dieser Phase müssen mit den Gesellschaftern, Fremdkapitalgebern und Kreditoren die Umsetzungsmöglichkeiten ausgehandelt werden, wobei in den meisten Fällen zusätzliches Kapital benötigt wird.
Diese Notwendigkeit ergibt sich daraus, dass Lieferantenvergleiche ohne sofortige Einmalzahlung nicht erfolgreich sind. Die Freisetzung von Personal erfordert häufig Abfindungszahlungen, und Schließungen von Teilunternehmensbereichen erfordern in der Regel frisches Kapital. Zudem ist es oft erforderlich, die Kreditorenlaufzeiten auf ein normales Maß zu reduzieren, um Erträge zur Kontierung zu ermöglichen und die reine Lieferfähigkeit aufrechtzuerhalten.
In Fällen, in denen nicht nur ein Kreditinstitut, sondern mehrere Banken beteiligt sind, ist es unerlässlich, allen Kreditinstituten die gleichen Informationen offenzulegen. Hierbei empfiehlt sich normalerweise die Einberufung von Bankenrunden, um jegliches Misstrauen über eine mögliche Bevorzugung einzelner Kreditinstitute zu vermeiden. Die vorgeschlagenen Lösungsansätze dürfen keines der Kreditinstitute benachteiligen, sondern müssen ein ausgewogenes Konzept unter Berücksichtigung von Blanko-Obligen, Laufzeiten und des Kapitalcharakters aufweisen.
Es ist ebenfalls entscheidend, bei den Verhandlungen mit den Kreditoren die Warenkreditversicherer einzubeziehen, insbesondere wenn die Lieferanten des betroffenen Unternehmens überwiegend warenkreditversichert sind. Die Vernachlässigung dieser grundlegenden Aspekte stellt einen schwerwiegenden handwerklichen Fehler dar und könnte für den begleitenden Berater erhebliche Haftungsrisiken mit sich bringen.
Die Verhandlungen sollten durch detaillierte Planungsrechnungen unterstützt werden, die die Notwendigkeit der zu erzielenden Einigungen verdeutlichen müssen.
Die Umsetzungsphase
Die Umsetzungsphase erfordert die Einführung der wichtigsten Überwachungstools, sofern diese im Unternehmen noch nicht vorhanden sind. Dazu gehören die tägliche Liquiditätsdisposition, die kurzfristige Liquiditätsplanung und die mittelfristige Ergebnis- und Liquiditätsplanung. Ebenso muss ein sogenanntes Sanierungs-Management-Cockpit implementiert werden, das regelmäßig folgende Kerninformationen abbildet:
- Auftragseingang
- Auftragsbestand
- Umsatzerlöse
- Bruttomarge
- operatives Ergebnis
- Eigenkapitalquote
- freie Liquidität
- Wertschöpfung Mitarbeiter
- Auslastungsgrad
- Projektfortschritt der einzelnen Sanierungsprojekte
Anschließend müssen die in der Analyse-Phase empfohlenen leistungswirtschaftlichen Maßnahmen mit klaren Zuständigkeiten und Fristen versehen werden. Jede Maßnahme benötigt einen Verantwortlichen, und die Umsetzung muss regelmäßig, zu Beginn idealerweise wöchentlich, verfolgt und berichtet werden.
Ein wesentlicher Bestandteil dieser Umsetzungsphase ist die offene Kommunikation gegenüber den Gesellschaftern und Gläubigern der Gesellschaft. Kreditgebern sollte in der Regel monatlich ausführlich berichtet werden. Hierbei empfiehlt sich die Verwendung eines standardisierten Report-Pakets. Dieses sollte die einzelnen Maßnahmen und ihre Umsetzung beschreiben, eine aktualisierte Ergebnisrechnung mit Soll-Ist-Vergleich vorstellen, eine Fortschreibung der Ergebnis- und Liquiditätsplanung durchführen und einen Bilanzstatus erstellen. Über wesentliche Abweichungen zum Sanierungsplan ist ausführlich zu berichten.
Ausblick
Im nächsten Beitrag erläutern wir die grundlegenden Qualitäten, die ein Sanierungsberater mitbringen muss, um einem Unternehmen in der Krise effektiv helfen zu können.