Im ersten Teil unserer neuen Serie zur internationalen Nachlassplanung erläutern wir, nach welchen Kriterien bestimmt wird, welche nationale Rechtsordnung bei grenzüberschreitenden Erbfällen jeweils anzuwenden ist.

Wir wollen uns in dieser und den folgenden Ausgaben von bdp aktuell mit einem wichtigen aber gerne verdrängten Problem befassen, nämlich der Frage: „Was ist eigentlich, wenn wir nicht am heimischen Herd, sondern fern der Heimat ‚abberufen‘ werden?“ Im ersten Teil unserer neuen Serie zur internationalen Nachlassplanung erläutern wir, nach welchen Kriterien bestimmt wird, welche nationale Rechtsordnung bei grenzüberschreitenden Erbfällen jeweils anzuwenden ist. 

Jährlich nimmt in der Europäischen Union die Zahl derer zu, die in einem anderen Mitgliedstaat leben – und sterben. So sind jedes Jahr über eine halbe Million Familien (Stand 2017) von grenzüberschreitenden Erbfällen betroffen. Ein Erbfall ist dann international oder grenzüberschreitend, wenn er einen Bezug zu mehreren Ländern hat, z. B. weil der Verstorbene in einem anderen als seinem Herkunftsland lebte, die Erben in einem anderen Land als der Erblasser leben oder wenn der Erblasser Vermögenswerte in mehreren Ländern besaß.

Beispiel:

Herr Mann aus Deutschland lebte zum Todeszeitpunkt mit seiner deutschen Ehefrau in Spanien. Er ist in Spanien Eigentümer einer Finca und hat eine Eigentumswohnung in München. Die beiden Töchter des Paares leben in Italien.

Aus der Sicht der Nachlassplanung erfordert diese Konstellation, die offensichtlich verschiedene nationale Rechtsordnungen berührt, eine sorgfältige Vorbereitung: Es gibt nämlich kein einheitliches internationales Erbrecht! Dies hat beispielsweise Auswirkungen auf das Pflichtteilsrecht, die gesetzliche oder die gewillkürte Erbfolge oder die Form von Testamenten. Natürlich sind auch die nationalen Steuervorschriften eines jeden Landes zu berücksichtigen: Auch bei Erbschaftssteuern gibt es keine einheitlichen Regelungen, was zu einer Mehrfachbesteuerung führen kann.

Tod in Venedig!? Was ist eigentlich, wenn wir nicht am heimischen Herd, sondern fern der Heimat ‚abberufen‘ werden?

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Für eine sinnvolle Nachlassplanung muss daher zunächst ermittelt werden, welche nationale(n) Rechtsordnung(en) im Erbfall betroffen sind. Neben dem materiellen Erbrecht ist auch das nationale Kollisionsrechtfür die Bestimmung des zuständigen Nachlassgerichts und des auf die Erbfolge anzuwendenden Rechts maßgeblich. Das sogenannte Kollisionsrecht greift immer dann ein, wenn mehrere Rechtsordnungen betroffen sind und geklärt werden muss, welche Rechtsordnung zur Anwendung gelangt. In diesen Fällen sucht man nach Anknüpfungspunkten für das anwendbare Recht.

Anknüpfungspunkte zur Bestimmung der anzuwendenden Rechtsordnung

Auch die Anknüpfungspunkte sind in verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich geregelt. Häufig wird das anzuwendende Recht an die Staatsangehörigkeit, den letzten gewöhnlichen Aufenthalt, den Wohnsitz, das Domizil oder die Belegenheit von Vermögensgegenständen angeknüpft. Wegen dieser regulatorischen Vielfalt kann ein Erbfall möglicherweise nach mehreren Rechtsordnungen bzw. Erbstatuten beurteilt werden. Je nachdem, aus welcher nationalen Perspektive man den Erbfall betrachtet, kann die Bestimmung des Erbes unterschiedlich ausfallen.

Nachlassspaltung bzw. uneinheitliche Rechtslage

Unterschiedliche Anknüpfungspunkte können auch zu einer sogenannten Nachlassspaltungführen bzw. zu einer Situation, in der das auf den Nachlass anzuwendende materielle Recht nicht einheitlich ist. Ein Beispiel dafür ist die Anknüpfung unbeweglichen Vermögens an das Recht der Belegenheit des Vermögens oder im Falle des beweglichen Vermögens an die Staatsangehörigkeit oder den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Die beiden Erbstatuten würden dann parallel angewendet werden.

Beispiel

Ein Deutscher wohnt mit seiner Ehegattin in der Türkei und besitzt dort ein Grundstück sowie Bargeld in Deutschland. Aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen zwischen Deutschland und der Türkei wird auf das Grundstück das Recht des Belegenheitsstaates, d. h. türkisches Recht, und auf das Bargeld das Recht des Staatsangehörigkeitslandes, d. h. deutsches Recht, angewendet.

Regelung in den Ländern der Europäischen Union

Um derart unkalkulierbare Rechtsfolgen zu vermeiden und die Planung und Abwicklung grenzüberschreitender Erbfälle zu vereinfachen, hat die Europäische Union im Jahr 2012 entsprechende Rechtsvorschriften erlassen. In den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs, Dänemarks und Irlands) wurden ab dem 17. August 2015 die nationalen Vorschriften zur Bestimmung der auf Erbfälle anzuwendenden Rechtsordnungen durch die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) ersetzt. 

Aber die EuErbVO enthält keine Vorschriften des sachlichen Erbrechts! Das EU-Recht verweist lediglich auf das Recht, das bei einem internationalen Erbfall anwendbar ist (Erbstatut), und regelt, welches Gericht international zuständig ist. Außerdem regelt die EuErbVO die Anerkennung sowie die Vollstreckung ausländischer Urkunden und Urteile. Mit dem europäischen Nachlasszeugnis wird z. B. den Erben und Nachlassverwaltern in den EU-Ländern der Nachweis der Erbenstellung erleichtert, um so bei Verfahren der Erbauseinandersetzung Zeit und Kosten zu sparen.

„Gewöhnlicher Aufenthalt“ als Anknüpfungspunkt

Gemäß der EU-Verordnung ist der wichtigste Anknüpfungspunkt der letzte gewöhnliche Aufenthalt zum Zeitpunkt des Todes. Er bestimmt sowohl das international zuständige Gericht als auch das anzuwendende Erbrecht. Das Ziel ist, die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen unter ein- und derselben Rechtsordnung in dem Staat abzuwickeln, zu dem der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes die engste Verbindung hatte.

So wird nach dieser Grundregel in unserem ersten Beispielsfall des Todes eines Deutschen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Spanien das spanische Gericht zuständig sein und der Erbfall wird nach spanischem Erbrecht beurteilt.

Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts

Was der „letzte gewöhnliche Aufenthalt“ war, wird letztendlich durch die Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers bestimmt

  • die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers in einem bestimmten Land
  • die Umstände und die Gründe für den Aufenthalt des Erblassers in einem bestimmten Land
  • das Land, in dem sich in familiärer und sozialer Hinsicht der Lebensmittelpunkt des Erblassers befand
  • das Land, in dem der Erblasser den größten Teil seiner Vermögenswerte hatte
  • die Staatsangehörigkeit des Erblassers

Rück- oder Weiterverweisung

Die EuErbVO regelt nicht nur, welche (nationalen) Behörden oder Gerichte zuständig sind oder welches Erbrecht anwendbar ist, sondern bringt auch das bereits vorgestellte nationale Kollisionsrecht zur Anwendung. Dieses Kollisionsrecht kann dazu führen, dass entgegen dem Grundsatz der Anwendung des Rechts des Staates, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, auf eine andere Rechtsordnung verwiesen wird, die dann zur Anwendung gelangt. 

Und dann kann Folgendes geschehen: Dieses Land, in das der Fall nach EuErbVO verwiesen wurde, wendet wiederum seine eigenen nationalen Kollisionsvorschriften an – und verweist den Fall zurück in das EU-Land, aus dem der Fall kommt. In diesem Fall muss das Gericht diese Zurückverweisung akzeptieren und den Fall nach seinem eigenen Erbstatut beurteilen.

Beispiel

Hatte ein deutscher Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in einem Land außerhalb der EU (sogenanntes Drittland), wäre gemäß der EuErbVO der Erbfall nach dem Recht bzw. dem Erbstatut und den Kollisionsvorschriften dieses dritten Landes zu beurteilen. Knüpfen die betreffenden ausländischen Kollisionsnormen allerdings das anzuwendende Recht in einem Erbfall an die Staatsangehörigkeit anstatt den gewöhnlichen Aufenthalt an, wird der Sachverhalt zurück auf deutsches Recht verwiesen. Der Nachlass des Deutschen würde dementsprechend nach deutschem Recht beurteilt werden.

Ausnahmen vom Grundsatz des anzuwendenden Rechts aufgrund des gewöhnlichen Aufenthaltsortes

Von dem Grundsatz, dass sich das anwendbare Recht nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers richtet, gibt es in der EuErbVO wichtige Ausnahmen.

Enge Verbindung zu einer Rechtsordnung

So kann das anzuwendende Recht sich wegen einer engeren Verbindung zu einer anderen Rechtsordnung bestimmen, wie etwa im Falle des Umzugs in ein anderes Land kurz vor dem Tod. 

Beispiel

Ein Deutscher zieht „auf seine alten Tage“ mit dem Boot nach Italien, stirbt dort jedoch schon nach einigen Monaten. Hat er die meiste Zeit seines Lebens in Deutschland verbracht, lebt seine Familie immer noch dort und befindet sich sein ganzes Vermögen außer dem Boot ebenso in Deutschland, so hatte er dadurch eine engere Bindung zu Deutschland. Auf seinen Nachlass wird daher deutsches Recht angewendet.

Beispiel

Zieht ein Deutscher aus beruflichen Gründen ins Ausland, fährt aber jedes Wochenende nach Deutschland zu seiner Familie und befindet sich dort auch der größte Teil seines Vermögens, gibt es eine engere Verbindung zu Deutschland. Auf seinen Nachlass ist deutsches Recht anzuwenden.

Eigene Rechtswahl – die Selbstbestimmung über das Erbstatut

Die wohl wichtigste Ausnahme von der Bestimmung des Erbstatuts aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen der EuErbVO ist sicherlich die selbstbestimmte Wahl des anwendbaren Rechts.

Die EuErbVO ermöglicht es dem Erblasser, selbst das Erbstatut zu bestimmen. Die Wahl ist allerdings auf das Recht der Staatsangehörigkeit zu dem Zeitpunkt der Rechtswahl oder des Todes beschränkt.

Beispiel

Ein Deutscher lebt in Frankreich, was im Todesfall als „gewöhnlicher Aufenthaltsort“ gälte. Ohne selbstbestimmte Rechtswahl würde also französisches Recht zur Anwendung gelangten. Hat der Deutsche aber durch eine Rechtswahl (z. B. in einem Testament) bestimmt, dass deutsches Recht auf seinen Nachlass anzuwenden ist, so ist im Erbfall deutsches Recht anzuwenden. 

Durch die Rechtswahl, die z. B. auch das Pflichtteilsrecht umfasst, kann also auch der deutsche Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland dafür sorgen, dass deutsches Recht zur Anwendung gelangt.

Fazit

Bei einem möglichen Erbfall mit Auslandsbezug muss der Erblasser viele Faktoren berücksichtigen, wenn er seinen Nachlass vernünftig regeln möchte: Wie kann man eine erfolgreiche Rechtswahl treffen und was ist zu beachten bei der Errichtung der Verfügungen von Todes wegen? Darüber werden wir Sie in der nächsten Ausgabe von bdp aktuell ausführlicher informieren!

Internationales Erbrecht

Internationales Erbrecht (1)  Welches Recht gilt?

Im ersten Teil unserer neuen Serie zur internationalen Nachlassplanung erläutern wir, nach welchen Kriterien bestimmt wird, welche nationale Rechtsordnung bei grenzüberschreitenden Erbfällen jeweils anzuwenden ist.

Im ersten Teil unserer neuen Serie zur internationalen Nachlassplanung erläutern wir, nach welchen Kriterien bestimmt wird, welche nationale Rechtsordnung bei grenzüberschreitenden Erbfällen jeweils anzuwenden ist.

Internationales Erbrecht (2)  Die eigene Rechtswahl

Im zweiten Teil unserer Serie zur internationalen Nachlassplanung erläutern wir, wie man selbst bestimmen kann, welche nationale Rechtsordnung bei grenzüberschreitenden Erbfällen anzuwenden ist.

Im zweiten Teil unserer Serie zur internationalen Nachlassplanung erläutern wir, wie man selbst bestimmen kann, welche nationale Rechtsordnung bei grenzüberschreitenden Erbfällen anzuwenden ist.

Internationales Erbrecht (3)  Gemeinschaftliche Testamente

In unserer Serie zum internationalen Erbrecht behandeln wir hier gemeinschaftliche Testamente und Erbverträge zwischen mehreren Beteiligten.

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Internationales Erbrecht (4)  Erbschaftssteuern international

Im vierten und letzten Teil unserer Serie zum internationalen Erbrecht werfen wir noch einen Blick auf die steuerliche Seite einer vorausschauenden internationalen Nachlassplanung.

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