bdp-Partner Dr. Aicke Hasenheit erläutert die Einsatzkonstellationen der Eigenverwaltung: Das Planverfahren, die übertragende Sanierung und die Zerschlagung.
Die durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) erfolgte Modernisierung der Insolvenzordnung stärkt insbesondere auch die Eigenverwaltung. Nachdem wir in der letzten Ausgabe von bdp aktuell die Grundprinzipien der Eigenverwaltung beschrieben haben, erläutern wir nun die Einsatzkonstellationen der Eigenverwaltung: Das Planverfahren, die übertragende Sanierung und die Zerschlagung.
Die Eigenverwaltung kann in der sogenannten Rechtsträger erhaltenden Restrukturierung (so im Planverfahren), in der übertragenden Sanierung oder in der reinen Zerschlagung (Einzelverwertung) zur Anwendung kommen.
Die übertragende Sanierung
Die übertragende Sanierung kann sowohl in einem Regelinsolvenzverfahren als auch im Rahmen der Eigenverwaltung durchgeführt werden. Bei der übertragenden Sanierung erfolgt die Übertragung eines Unternehmens, Betriebes oder Betriebsteiles von dem insolventen Träger auf einen anderen bereits bestehenden Rechtsträger.
Der Unterschied zur Eigenverwaltung liegt darin, dass eine fortführungsfähige Sachgesamtheit als (Teil-)Unternehmen von der juristischen Person des Insolvenzschuldners als Unternehmensträger getrennt wird. Sämtliche Altverbindlichkeiten verbleiben bei dem insolventen Unternehmensträger, der liquidiert wird.
Begrifflich ist zu beachten, dass letztlich der Insolvenzschuldner gerade nicht saniert wird. Die Altgläubiger profitieren von der übertragenden Sanierung nur in geringem Maße, indem sich ihre Quote durch den erzielten Erlös für die veräußerte überlebensfähige Unternehmenseinheit erhöht. Bezogen auf den Insolvenzschuldner ist die übertragende Sanierung letztlich nur eine Liquidationsmaßnahme zur Veräußerung von Betriebsmitteln mit dem Ziel, einen verteilungsfähigen Erlös zu generieren und zugleich (regelmäßig unter anderem Regime und immer mit einem anderen Rechtsträger) den Betrieb fortgeführt zu sehen. Für die Gläubiger des Insolvenzschuldners hat die übertragende Sanierung den Nachteil, dass sie von künftigen Erlösen des neuen Unternehmens nicht mehr profitieren können. Das neu am Markt agierende Unternehmen ist jeglicher Einflussnahme durch die Altgläubiger entzogen.
Der Insolvenzplan
Das Insolvenzplanverfahren weicht von den Liquidationsregeln der InsO ab und soll eine bessere Befriedigung der Gläubiger erreichen. Das Insolvenzplanverfahren ermöglicht den Gläubigern einer insolventen Gesellschaft, durch Mehrheitsentscheidung eine konkrete Gestaltung der Abwicklung der Insolvenz verbindlich festzulegen. Das Insolvenzplanverfahren bildet den Rahmen zur Entscheidung der Gläubiger, wie die beste Haftungsverwirklichung aussieht: vordringlich durch Fortführung des schuldnerischen Unternehmens, durch eine übertragende Sanierung, in der teilweisen Einzelverwertung oder auch in der Liquidationssuche.
Anders als die Eigenverwaltung, die eine Modifikation des Regelinsolvenzverfahrens darstellt, ist das Insolvenzplanverfahren ein besonderes Verfahren im Rahmen dieses Regelinsolvenzverfahrens.
Kombination aus Planverfahren und Eigenverwaltung
Das Planverfahren und die Eigenverwaltung sind miteinander kombinierbar. Insbesondere bei komplizierten Konzernstrukturen bietet sich die Kombination aus Eigenverwaltung mit einem Insolvenzplan für das herrschende Unternehmen bei gleichzeitiger Eigenverwaltung und koordinierten Insolvenzplänen für Tochter- und Enkelgesellschaften an. Ursprünglich vorhandene Leitungsstrukturen können so bewahrt werden.
Dadurch wird überhaupt erst die Möglichkeit geschaffen, komplexe Projekte, beispielsweise im Anlagenbau, mit mehreren beteiligten (insolventen) Gesellschaften weiterzuführen. Aber auch bei konfessionsgebundenen Geschäftstätigkeiten der Schuldnerin bietet sich die Eigenverwaltung in Verbindung mit einem Insolvenzplanverfahren als Paradebeispiel an.
Anordnungsvoraussetzungen und Änderungen bei der Eigenverwaltung gemäß §§ 270 ff. InsO
§§ 270 ff. InsO regeln die besonderen Anordnungsvoraussetzungen der Eigenverwaltung, die neben den allgemeinen Anordnungsvoraussetzungen (Insolvenzgrund und ausreichende Masse) vorliegen müssen.
Durch das ESUG erfuhr § 270 Abs. 2 InsO eine weitreichende Änderung. Die Anordnung der Eigenverwaltung bedurfte bisher (im Falle des Fremdantrages) der Zustimmung desjenigen Gläubigers, der den Antrag stellte. Nun heißt es dort nur noch, „dass keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führt“. D. h. nur noch, wenn konkrete Nachteilszufügungen der Gläubiger bekannt sind, darf der Antrag des Schuldners abgelehnt werden.
Bei Antragstellung sollte daher der Schuldner, wenn er eine Eigenverwaltung anstrebt, nur die Vorteile für die Gläubiger darlegen. Im Zweifel ist dem Antrag des Schuldners stattzugeben. Im Falle der Antragstellung auf Eigenverwaltung wird diese dann, anders als bisher, nach dem Gesetz zum Regelfall erhoben. In der Praxis bleibt die Eigenverwaltung aber weiter die Ausnahme.
Nach § 270 Abs. 3 InsO ist vor der Entscheidung ein vorläufiger Gläubigerausschuss zu hören – soweit dieser existiert. Wenn kein vorläufiger Gläubigerausschuss besteht, hören die Gerichte häufig einzelne Hauptgläubiger an.
Nach der früheren Rechtslage war die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters auch bei einer beantragten Eigenverwaltung im Eröffnungsverfahren zulässig. Nach § 270a Abs. 1 InsO (neu) soll im Falle der Antragstellung auf Eigenverwaltung in der Regel davon abgesehen werden, dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen oder alle Verfügungen nur mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters zu tätigen. Stattdessen soll ein vorläufiger Sachwalter bestellt werden.
Durch diesen vorläufigen Sachwalter soll eine „geräuschlose“ Durchführung des Insolvenzverfahrens ermöglicht werden, was im Gegensatz im Regelverfahren nicht möglich ist. Das Gericht muss dann Vorschläge des Schuldners für den Sachwalter, der den Eigenverwalter kontrolliert, berücksichtigen. Diese Vorschläge sind aber für das Gericht nicht bindend. Im Falle des Eigenantrages bei drohender Zahlungsunfähigkeit ist der Bindungsgrad des Gerichts aber höher (§ 270b Abs. 2 S. 2 InsO). In allerletzter Minute kam noch ein weiterer Punkt in das Gesetz (§ 270b Abs. 2 S. 2 InsO): Der eigenverwaltende Schuldner kann nun auch Masseverbindlichkeiten begründen, was ihn faktisch in die Stellung eines starken vorläufigen Verwalters einrücken lässt und die Betriebsfortführung ganz erheblich erleichtert.
Auch kann der Schuldner den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen drohender Zahlungsunfähigkeit gemäß § 270a Abs. 2 InsO zurücknehmen, wenn das Gericht ihn darauf hinweist, dass es die Voraussetzungen einer Eigenverwaltung für nicht gegeben sieht.
Der Schuldner kann aufgrund der Neureglung, wenn sich eine Krise im Unternehmen anbahnt, im Vorfeld (vor der Antragstellung) viel einfacher einen erfahrenen Sanierungsberater in das Unternehmen hereinholen. Durch die Beantragung einer Eigenverwaltung zusammen mit dem Sanierungsspezialisten kann er dann als „Eigenverwalter“ die Weichen im Unternehmen stellen, um rechtzeitig die erfolgreiche Sanierung des Unternehmens auf den Weg zu bringen. Das Team von Sanierungsberater, der die Geschäftsführung im operativen Bereich umfassend unterstützt, und Sachwalter stellt dann sicher, dass der Fortbestand des Unternehmens optimal gesichert wird.
Fazit:
Die Eigenverwaltung ist ein sehr sinnvoller Weg, aus dem Unternehmen selbst heraus das in der Krise befindliche Unternehmen zu sanieren. Dabei sollte aus Haftungsgründen und Gründen der Effektivität ein mit dem Verfahren vertrauter Sanierungsberater hinzugenommen werden, um den Prozess zielführend zu begleiten.