Mit Bargeschäften können Unternehmen in der Krise weiter am Geschäftsleben teilhaben
In Webcasts erläutern bdp-Sanierungsexperten aktuelle Sanierungsthemen wie Sanierungsprivileg, Bargeschäfte, Gesellschaftersicherheiten und Kleinbeteiligtenprivileg. Produziert werden diese Online-TV-Sendungen vom „Institut für Unternehmenssanierung und -entwicklung an der privaten SRH Hochschule Heidelberg“ (vgl. Beitrag: Moderne Sanierung). Wir dokumentieren hier die Erläuterungen von Dr. Michael Bormann zum Bargeschäft als insolvenzfeste Vergütung in der Krise.
____§ 142 der InsO definiert ein nahezu unanfechtbares Bargeschäft als eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt. Welches Ziel wird mit diesem Paragrafen der Insolvenzordnung in der Praxis verfolgt?
Mit dieser Regelung wird gewährleistet, dass die Unternehmen in der Krise nicht vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen werden. Wenn Geschäfte anschließend im Insolvenzverfahren anfechtbar wären, könnte es ja sonst dazu kommen, dass niemand mehr mit dem Unternehmen in der Krise bzw. dem vorläufigen Insolvenzverwalter Geschäfte abschließen würde.
____Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um grundsätzlich die Unanfechtbarkeit eines Bargeschäftes zu gewährleisten?
Leistung und Gegenleistung müssen durch entsprechende Parteivereinbarung miteinander verknüpft sein. Die Leistungen des Schuldners, die sowohl in der Befriedigung als auch in der Sicherung einer Gläubigerforderung liegen können, müssen im Vergleich zur Leistung des anderen Vertragspartners angemessen sein. Das bedeutet, dass der objektive wirtschaftliche Wert beider Leistungen äquivalent sein muss. Nur dann liegt keine Vermögensverschiebung zulasten des Schuldnervermögens vor, welche andere Gläubiger benachteiligen würde. Weiterhin müssen Leistung und Gegenleistung in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang erbracht werden. Dafür wird eine Spanne von rund zwei Wochen für vertretbar gehalten. Zu beachten ist jedoch, dass es immer auf die ausgetauschten Leistungen im Einzelfall ankommt. Es gibt keinen per se unschädlichen Zeitraum. Ganz wesentlich ist, dass die Zeitspanne zwischen Leistung und Gegenleistung nicht so lang sein darf, dass das Zahlverhalten den Charakter eines – wenn auch nur kurzfristigen - Kreditgeschäftes annimmt. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, ist eine Zahlung nicht anfechtbar.
____Es gibt aber dennoch die Möglichkeit, auch ein Bargeschäft anzufechten. Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, damit selbst ein Bargeschäft trotz Vorliegen aller objektiven Voraussetzungen angefochten werden kann?
Ein Bargeschäft ist ausschließlich dann anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 InsO vorliegen. Das bedeutet, dass ein Vertrag, den der Schuldner mit dem Vorsatz schließt, seine Gläubiger zu benachteiligen, anfechtbar ist, wenn dem anderen Vertragspartner dieser Vorsatz zur Zeit des Vertragsschlusses bekannt ist. Auch in diesem Fall wird die entsprechende Kenntnis wieder vermutet, wenn die Umstände so liegen, dass es sich dem Vertragspartner aufdrängen muss, dass die Zahlungsunfähigkeit des Anderen droht oder mit diesem Vertrag andere Gläubiger benachteiligt werden. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner vertraglichen Pflicht als auf die Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers ankommt, um mit dessen vorrangiger Befriedigung die Stellung eines Insolvenzantrages zu vermeiden. Ein Indiz für den Vorsatz des Schuldners ist auch dann gegeben, wenn er Gegenstände seines Vermögens deutlich unter Wert veräußert. Ganz wichtig zu beachten ist, dass aufgrund vorsätzlicher Benachteiligung Rechtshandlungen der letzten 10 Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens angefochten werden können.
____Welche Ratschläge können Sie Vertragsparteien in kritischer Situation, im Vorfeld einer möglichen Insolvenz mit auf den Weg geben?
Den Vertragsparteien, insbesondere dem Gläubiger, ist zu empfehlen, sich seine Leistung als Bargeschäft vergüten zu lassen. Die Vereinbarung sog. Bargeschäfte gem. § 142 der Insolvenzordnung ist dringend anzuraten, da im Zeitraum von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens selbst kongruente Geschäfte angefochten werden können, wenn dem Schuldner und dem Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit bekannt war. Das bedeutet, dass selbst eine reguläre Vertragserfüllung des Schuldners später durch den Insolvenzverwalter angefochten werden kann, sobald der Gläubiger Kenntnis von der angespannten Liquidität seines Schuldners hatte, da der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auch Umstände gleich stehen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. Gleiches gilt auch für die Zeit nach Antragstellung bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Um ganz sicher zu sein, sollte bei Vertragspartnern in der Krise auf Vorauskasse bestanden werden, insbesondere, wenn die Verlässlichkeit des Vertragspartners in Zweifel zu ziehen ist.
____Gibt es grundsätzlich Möglichkeiten, sich gegen den Forderungsausfall bei Vertragspartnern abzusichern bzw. ihm wenigstens vorzubeugen?
Es ist empfehlenswert, die eigenen Verträge regelmäßig einem Check hinsichtlich Kündigungsrechten und vor allem Sicherungsrechten zu unterziehen und Verträge und insbesondere Vertragsmuster zu aktualisieren und anzupassen. Denn Nachverhandlungen von Verträgen bzw. die nachträgliche Absicherung bestehender Verträge im Vorfeld einer Krise bergen regelmäßig die Gefahr der Insolvenzanfechtung. Darüber hinaus ist natürlich immer ein konsequentes Forderungsmanagement wichtig, damit Lieferanten ihre Kunden nicht dauerhaft kreditieren. Bonitätsabfragen und Forderungsausfallversicherungen dienen ebenfalls der Absicherung.