Das Kleinbeteiligtenprivileg macht Forderungen von Kleinbeteiligten zu regulären Insolvenzforderungen
In Webcasts erläutern bdp-Sanierungsexperten aktuelle Sanierungsthemen wie Sanierungsprivileg, Bargeschäfte, Gesellschaftersicherheiten und Kleinbeteiligtenprivileg. Produziert werden diese Online-TV-Sendungen vom „Institut für Unternehmenssanierung und -entwicklung an der privaten SRH Hochschule Heidelberg“ (vgl. Beitrag: Moderne Sanierung). Wir dokumentieren in dieser Ausgabe die Erläuterungen von Dr. Michael Bormann zur Verwertungsreihenfolge von Gesellschaftersicherheiten in der Anfechtung und von Barbara Klein zum Kleinbeteiligtenprivileg in der Insolvenzordnung. Die Fragen stellte Institutsleiter Professor Dr. Henning Werner.
____Das Kleinbeteiligtenprivileg ist aus dem GmbH-Recht bekannt. Wie ist das Kleinbeteiligtenprivileg in der Insolvenzordnung geregelt?
Das Kleinbeteiligungsprivileg des früheren § 32a Abs. 3 GmbHG a. F. für einen nicht geschäftsführenden Gesellschafter wurde mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) nahezu unverändert in § 39 Abs. 5 der Insolvenzordnung (InsO) übernommen. Damit wird das Kleinbeteiligtenprivileg nunmehr einheitlich auf alle Gesellschaftsformen angewendet, bei denen keine natürliche Person unbeschränkt haftender Gesellschafter ist. Und dabei hat der Gesetzgeber an der aus dem GmbH-Recht bekannten 10 %-Grenze festgehalten, die nun ebenfalls rechtsformübergreifend zur Anwendung kommt.
____Was genau macht die Privilegierung eines Kleinbeteiligten im Insolvenzverfahren aus?
Nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO treten grundsätzlich alle Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder wirtschaftlich gleichgestellten Leistungen im Insolvenzverfahren im Rang hinter allen anderen Forderungen zurück. Hiervon ausgenommen sind nunmehr nach § 39 Abs. 5 InsO Forderungen eines geringfügig beteiligten Gesellschafters, der keine geschäftsführende Funktion wahrnimmt. Kleingesellschafter im Sinne dieser Vorschrift kann jede natürliche oder juristische Person sowie Personenhandelsgesellschaft sein, sofern sie zu maximal 10 % an der Schuldnerin beteiligt ist. Maßgeblich ist der Nominalwert des Haftkapitals. Auf anderweitige Abreden zum Gewinnbezug oder sonstige andere Regelungen der Gesellschafter untereinander zu Stimmrechten o. Ä. kommt es insolvenzrechtlich nicht an.
Zur Feststellung der Beteiligungshöhe ist auf den Zeitpunkt der Darlehensgewährung bzw. der Gewährung der gleichgestellten Leistung abzustellen. Liegen die Voraussetzungen des § 39 Abs. 5 InsO vor, so handelt es sich bei der Forderung des Kleingesellschafters um eine reguläre, nicht nachrangige Insolvenzforderung nach § 38 InsO. Weiter gilt das Kleinbeteiligtenprivileg über die Verweisung in § 135 Abs. 4 InsO auch für die Beurteilung der Anfechtbarkeit bei Gesellschafterdarlehen.
____Warum darf der Kleinbeteiligte keine geschäftsführende Funktion wahrnehmen, um in den Genuss der Privilegierung zu kommen?
Diese Voraussetzung rechtfertigt sich dadurch, dass der geschäftsführende Kleingesellschafter aufgrund seiner Funktion maßgeblich Einfluss auf die Gesellschaft und ihre Geschicke nehmen kann. Eine Privilegierung ist aber nur dann angebracht, wenn der Gesellschafter gerade nicht in der Lage ist, maßgeblichen Einfluss, insbesondere in einer Krisensituation, auszuüben, sondern im Gegenteil den Entscheidungen der Geschäftsführung oder eines Mehrheitsgesellschafters ohne Interventionsmöglichkeit ausgesetzt ist. Bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften entfällt ihre Stellung als privilegierte Kleinbeteiligte, wenn ein Mitglied ihrer Geschäftsleitung als Geschäftsführer in der schuldnerischen Beteiligungsgesellschaft tätig ist. Die Ausübung einer Handlungsvollmacht oder das Bestehen von Prokura sind dagegen unschädlich.
____Welche Schwachstellen gibt es bei der Beurteilung, ob das Kleinbeteiligtenprivileg zum Tragen kommt?
Es wäre wünschenswert gewesen, wenn das Gesetz eine deutlichere Aussage darüber enthalten hätte, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen Anteile verschiedener Gesellschafter im Rahmen des Kleinbeteiligtenprivilegs zusammenzurechnen sind, wenn mehrere Kleingesellschafter koordiniert agieren. Außerdem bleiben die bisherigen Problemfelder der nachträglichen Geschäftsführungsposition und die der nachträglichen Überschreitung der 10%-Grenze weiterhin bestehen. In diesen Konstellationen entfällt das Kleinbeteiligtenprivileg regelmäßig.