Seit zwei Jahren erleichtert das ESUG die Sanierung von Unternehmen. Es sollte aber klarer formuliert sein

Nunmehr jährt sich der Geburtstag des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) zum zweiten Mal. Am 01. März 2012 trat dieses für deutsche Verhältnisse geradezu revolutionäre Regelwerk in Kraft und stellt seither etliche seit Jahrzehnten bestehende Paradigmen des Insolvenzrechts und der Sanierungspraxis auf den Kopf. Aus Sicht von bdp hat sich das ESUG bislang gut bewährt, weil es für Krisenunternehmen neue Perspektiven eröffnet hat.

Vor dem ESUG war es völlig undenkbar, dass Schuldner oder deren Berater den aus ihrer Sicht geeignetsten Insolvenz- bzw. Sachwalter vorschlagen können und das Gericht diesem Vorschlag dann auch noch folgen soll. Der Versuch, einen solchen Vorschlag zu machen, war seinerzeit die Garantie, dass der Vorgeschlagene vom Gericht gerade nicht bestellt wird. Wenn jetzt aber ein vorläufiger Gläubigerausschuss sich auf einen Kandidaten einigt, dann ist dieser Vorschlag für das Gericht bindend.

Insolvenzrichter tun sich schwer

Kein Wunder ist es also, dass die konservative Insolvenzrichterschaft sich schwertut, den eigenen Machtverlust zu akzeptieren. bdp sind vielfach Vorgehensweisen von Richtern bekannt, die entweder durch Verzögerungstaktik den Willen des Gesetzgebers unterlaufen oder gar schlicht das neue ESUG für sich als nicht anwendbar erklären. Man kann aber guter Hoffnung sein, dass solche Fälle künftig immer mehr der Vergangenheit angehören werden.

Regelmäßig wird durch das Insolvenzgericht ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, dessen Rechte und Pflichten in der Regel in zwei Varianten ausgestaltet werden: Bei einem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter bekommt der Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. InsO); bei einem „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter darf der Nichtsdestotrotz beginnt die Schwierigkeit bei der „Antragstellung“. Nach einer aktuellen Erhebung der WBDat Köln vom 30. Juni 2013 werden bislang lediglich 60 % der eingereichten Anträge auf Eigenverwaltung positiv beschieden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass immer noch fast zwei Jahre nach der „Geburt“ des ESUG, 40 % der Insolvenzanträge entweder formunwirksam oder inhaltlich nicht glaubhaft sind, sodass ein Gericht dem Antrag nicht stattgibt und ihn zurückweist. Die Folgen für den Antragsteller können erheblich sein. Ein vom Gericht als unwirksam beurteilter Antrag gilt als nicht gestellt, sodass sich der erfolglose Antragsteller schnell mit dem Vorwurf der Insolvenzverschleppung oder Ähnlichem konfrontiert sieht.

Bei Anträgen nach dem ESUG ist professionelle Beratung zwingend

Auch hier gilt: Der Antragssteller sollte sich gerade für Anträge nach dem ESUG fachkundig beraten lassen, denn mit den neuen Optionen gehen auch neue Ansprüche an den Antrag selbst einher, den die Gerichte sehr genau prüfen. Reichte in früheren Zeiten ein kurzer Brief an das Gericht aus, hat der nach dem ESUG einzureichende Antrag in der Regel den Umfang eines kompletten Aktenordners mit sämtlichen geforderten Anlagen, Erklärungen und Erläuterungen.

Das neue Instrumentarium des vorläufigen Gläubigerausschusses muss ebenfalls gesetzeskonform und professionell vom Berater des Antragstellers vorbereitet werden: So ist darauf zu achten, dass alle im Gesetz genannten Gläubigervertreter (Großgläubiger, Kleingläubiger, besicherte Gläubiger, Vertreter der Arbeitnehmerschaft) dem vorgeschlagenen Gläubigerausschuss angehören. Die Zusammensetzung darf auf keinen Fall den Anschein einer „Family & Friends“-Versammlung haben. Nur dann wird sie auch vom Gericht als Vorschlagsorgan für den künftigen Insolvenz- bzw. Sachwalter akzeptiert werden.

Umsatzsteuer als Insolvenzforderung bei vorläufiger Eigenverwaltung

Der neue § 55 Abs. 4 InsO deckt das vorläufige Eigenverwaltungsverfahren nicht ab. Die im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren entstehenden Umsatzsteuerverbindlichkeiten stellen in einem nachfolgend eröffneten Insolvenzverfahren reine Insolvenzforderungen dar. § 55 Abs. 4 InsO stellt darauf ab, dass im vorläufigen Insolvenzverfahren die in dieser Zeit entstehenden Umsatzsteuerverbindlichkeiten mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten abzuführen sind. Das Eigenverwaltungsverfahren soll ganz augenscheinlich vom Gesetzgeber dahin gehend gefördert werden, dass es die Umsatzsteuer behalten darf und hiermit die Masse stärkt.

Unklare Pflicht zur öffentlichen Bekanntmachung

Der Gesetzgeber hat es in § 30 InsO unterlassen, das Eigenverwaltungsverfahren in die Pflicht zur öffentlichen Bekanntmachung einzubeziehen, nach der ansonsten jedes Insolvenzverfahren mit entsprechender Breitenwirkung publiziert werden muss. In der noch spärlichen juristischen Literatur zum ESUG wird die Bekanntmachung schon im Eröffnungsbeschluss gefordert und aus dem Gesetz eine entsprechende Verpflichtung abgeleitet. Aber in der Praxis wird dies so von den Gerichten nicht gehandhabt. Eine Klarstellung durch den Gesetzgeber wäre daher angezeigt.

bdp hat über diese strittigen Fragen in den vergangen zwei Jahren mit Behördenvertretern oder Gerichten mehrfach längere Auseinandersetzungen geführt, und es ist dringend nötig, dass hierzu klarere Regelungen im Gesetz geschaffen werden.

Die seit der Insolvenzordnung von 1999 bereits vorgesehene Eigenverwaltung kam ja bis zur Reform durch das ESUG im Jahre 2012 so gut wie nie zum Einsatz. Dies wollte der Gesetzgeber ändern und redlichen Schuldnern den Anreiz geben, durch gut vorbereitetes und frühes Anmelden ein Insolvenzverfahren mit einer objektiv guten Chance zur Fortführung des Unternehmens durchzuführen. Hier sind Massestärkung durch Umsatzsteuer und die Vermeidung der Veröffentlichung an einen breiten Kreis sicherlich sehr gut geeignete Maßnahmen, dieses vom Gesetzgeber gewollte Ziel auch zu fördern.

Fazit

Das ESUG hat sich aus Sicht von bdp in vielen begleiteten Fällen der letzten zwei Jahren sehr gut bewährt. Vielleicht hilft die eine oder andere Klarstellung noch, die vergangenen Zeiten nachtrauernden Kritiker zum Schweigen zu bringen und die Sanierungschancen insgesamt zu steigern.