BGH: Auch harte Patronatserklärung beseitigt objektive Zahlungsunfähigkeit nicht
Der Bundesgerichtshof hat in einer neueren Entscheidung (BGH vom 19. Mai 2011, IX ZR 9/10) seine Rechtsprechung zum Thema Patronatserklärungen weiter fortgeführt und geurteilt, dass eine an einen Gläubiger gerichtete harte Patronatserklärung der Muttergesellschaft die objektive Zahlungsunfähigkeit der Tochtergesellschaft nicht beseitigt.
Worum geht es: Der Gesetzgeber hat die Patronatserklärung nicht gesondert geregelt. Deswegen obliegt es der Rechtsprechung und Literatur, dieses in der Praxis oft benutzte Instrument zur Heilung einer Zahlungsunfähigkeit näher zu definieren. Patronatserklärungen kommen in der Praxis in den verschiedensten Ausgestaltungen vor. Sie reichen von rechtlich nicht relevanten Goodwill-Erklärungen bis hin zu konkreten Verpflichtungserklärungen, die zu einer Liquiditätsausstattung führen. Involviert sind meist drei Personen: Zum einen der Patron, ferner das Unternehmen in Schwierigkeiten, meist die Tochtergesellschaft des Patrons, sowie schließlich ein oder mehrere Gläubiger.
Systematisch wird zwischen der Erteilung von weichen und harten sowie internen und externen Patronatserklärungen unterschieden.
Bei weichen Patronatserklärungen (externen und internen) handelt es sich um bloße Informationen über die Zahlungsfähigkeit einer Tochtergesellschaft oder um allenfalls moralisch verpflichtende Goodwill-Erklärungen, die keinen rechtsgeschäftlichen Charakter innehaben. Sie sind untauglich, die Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens zu beseitigen.
Demgegenüber übernimmt der Patron durch eine harte, rechtsgeschäftliche Patronatserklärung entweder im Innenverhältnis (intern) zu seiner Tochtergesellschaft oder im Außenverhältnis (extern) gegenüber deren Gläubiger die Verpflichtung, die Tochtergesellschaft in der Weise auszustatten, dass sie (stets) in der Lage ist, ihre finanziellen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Eine harte Patronatserklärung statuiert daher eine rechtsgeschäftliche Einstandspflicht des Patrons gegenüber dem Adressaten der Erklärung. (Konzern-)Interne harte Patronatserklärungen werden häufig auch als Verlustdeckungszusage oder Verlustübernahmeerklärung bezeichnet.
Im vom BGH entschiedenen Fall wurde eine mündliche Patronatserklärung abgegeben. Der BGH nahm hieran grundsätzlich keinen Anstoß. Die Patronatserklärung ist nicht formbedürftig. Angesichts der Zielrichtung und Gewichtung einer derartigen Erklärung sollte diese aber stets schriftlich gefasst werden, da es sonst zu erheblichen Problemen schon bei der Feststellung des tatsächlichen Inhalts der Erklärung kommen kann.
Harte externe Patronatserklärungen verstehen sich meist als atypische Kreditsicherheit. Beispielsweise gibt die als Patron fungierende Konzernmutter die Patronatserklärung gegenüber einem Gläubiger (meist Kreditinstitut) der Tochtergesellschaft ab. Kann also die Tochtergesellschaft ihren Gläubiger nicht mehr befriedigen, so kann der Gläubiger aus der Patronatserklärung gegen den Patron vorgehen und Ansprüche geltend machen. Dies gilt auch bei Einleitung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Tochtergesellschaft. Die externe Patronatserklärung verwandelt sich in der Insolvenz der Tochtergesellschaft in eine Pflicht zur Direktzahlung an den Gläubiger. Eine solche konzernexterne Patronatserklärung schafft keine eigenen Ansprüche der Tochtergesellschaft gegen die Muttergesellschaft.
(Konzern-)Interne harte Patronatserklärungen sind keine Mittel der Kreditsicherung, sondern werden zu Sanierungszwecken abgegeben. Der Patron erklärt sich gegenüber der Tochtergesellschaft zu Stützungsmaßnahmen bereit. Die Muttergesellschaft verpflichtet sich gegenüber ihrer Tochtergesellschaft, dieser die zur Erfüllung ihrer fälligen Verbindlichkeiten benötigten Mittel zur Verfügung zu stellen, wodurch die Zahlungsunfähigkeit der Tochtergesellschaft vermieden werden soll. Dies setzt jedoch voraus, dass die Muttergesellschaft ihrer Ausstattungsverpflichtung tatsächlich nachkommt und hierzu auch imstande ist. Eine von der Muttergesellschaft zugunsten ihrer Tochtergesellschaft abgegebene konzerninterne Patronatserklärung begründet (auch) in der Insolvenz der Tochtergesellschaft zu deren Gunsten einen eigenen, von dem Insolvenzverwalter zu verfolgenden Ausstattungsanspruch gegen die Muttergesellschaft.
Im o. g. Streitfall wurde seitens des Patrons gegenüber der Bank als Gläubigerin eine harte externe Patronatserklärung für die Schuldnerin erteilt. Der BGH entschied, dass eine derartige harte konzernexterne Patronatserklärung für sich genommen mangels Begründung eigener Ansprüche weder eine Zahlungsunfähigkeit noch eine Überschuldung der Tochtergesellschaft beseitigen kann. Dies kommt vielmehr erst in Betracht, wenn der Patron seine gegenüber der Gläubigerin eingegangenen Verpflichtungen durch eine Liquiditätsausstattung der Tochtergesellschaft tatsächlich erfüllt, da erst dann die Gesellschaft über Mittel verfügt, gegenüber allen ihren Gläubigern zu leisten. Die Erklärung des Patrons konnte letztlich nur die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (der Schuldnerin) gegenüber dem Kreditinstitut erfassen, nicht aber die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber all ihren anderen Gläubigern.
Zur Beseitigung einer Zahlungsunfähigkeit kommt daher allenfalls nur die interne harte Patronatserklärung in Betracht.
Aber die o. g. Entscheidung des BGH enthält Anhaltspunkte, dass der Patron auch bei einer internen harten Patronatserklärung der Gesellschaft tatsächlich liquide Mittel zuführen muss, um die eingetretene Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Es ist daher zweifelhaft, dass bei einer harten internen Patronatserklärung, ohne dass der Patron irgendwie Liquidität tatsächlich zuführt, eine Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden kann. Das einfache Mittel zur Beseitigung der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit in Form einer internen harten Patronatserklärung kann dann schnell ins Leere laufen und im Falle der Insolvenz doch zur Zahlungspflicht des Patrons führen.
Bei der Erteilung von Patronatserklärungen ist Vorsicht geboten. Es bleibt daher bei der Verwendung dieses Sanierungsinstruments genau zu prüfen, welche Rechtsfolgen bei der konkreten Anwendung und Ausgestaltung tatsächlich eintreten werden.