Wer ermittelt, mit welchen Rechten, und was sind die möglichen Anlässe für eine Ermittlung?
Heutzutage sollte jeder Bürger und insbesondere derjenige, der aktiv am Geschäftsleben teilnimmt gewisse Grundkenntnisse zur Thematik „Steuerstrafverfahren“ haben, um entsprechend vorbeugen und sich im Zweifelsfalle auch gegen staatliche Übergriffe wehren zu können. Wir beginnen deshalb in dieser Ausgabe von bdp aktuell einen kleinen Grundkurs Steuerstrafrecht und behandeln in Teil 1 die Fragen: Wer ermittelt in Steuerstrafverfahren und was sind die Anlässe für deren Durchführung?
In der renommierten Zeitschrift für Rechtspolitik (Ausgabe vom 04.03.2010) veröffentlichte der Verwaltungsrechtler Hans-Walter Forkel einen Artikel mit der interessanten und zutreffenden Überschrift „Ein einig Volk von Kriminellen – der moderne Staat kriminalisiert seine Bürger“. Dort stellte er die in der Tat wichtige und interessante Frage, ob denn auch Steuerhinterziehung vorliegen würde, wenn in einem hoch komplizierten Steuerrecht vom Steuerpflichtigen Angaben gemacht würden, die nicht der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung entsprechen. Bedauerlicherweise ist im Einzelfall diese Frage sicherlich mit „Ja“ zu beantworten.
Darüber hinaus zeigt der alltäglich populistische Umgang selbst hochrangiger Politiker mit dem Thema Steuerfahndung eine aufkommende Polemisierung und Unsachlichkeit, die nicht mehr zu übertreffen ist. Offensichtlich wird auf der Grundlage der Auffassung solcher Politiker und entsprechend willfähriger Medien die Finanzkrise letztendlich dann beseitigt, wenn Steuerhinterziehung zu nahezu 100 % aufgedeckt, bekämpft und mit möglichst drakonischen Strafen zur Verurteilung gebracht wird.
Übersehen wird dabei, dass im Zweifelsfalle ein notwendiger Preis der Freiheit auch der ist, dass Überwachungs- und Kontrollmechanismen einen bestimmten Intensitätsgrad nicht überschreiten und insoweit in gewissen Bereichen auch Gesetzesübertretungen wie z. B. kleinere Steuerhinterziehungen staatlicherseits im Einzelfall geduldet werden.
Dass dieses im Zweifelsfalle, nämlich wenn bestimmte Grenzen nicht überschritten sind, sogar gesellschaftlich und volkswirtschaftlich sinnvoll ist, dürfte Fakt sein. Entsprechende Ausführungen sprengen aber den Rahmen dieser Darstellung.
Ermittlungsorgane
Ermittlungsorgane im Zusammenhang mit der Initiierung und Durchführung vom Steuerstrafverfahren sind zunächst die sogenannten BuStra, d. h. die Bußgeld- und Strafsachenstellen, die in leichter gearteten Fällen die Funktion der Staatsanwaltschaft bzw. einer Sonderstaatsanwaltschaft haben.
Unterstützt werden die Verfolgungsorgane von der sogenannten Steuerfahndung, die quasi Polizeifunktion hat, aber deshalb, weil ihr nicht nur die Mittel der Strafprozessordnung, sondern auch die der Abgabenordnung zur Verfügung stehen, weitaus bessere Machtmöglichkeiten hat als die normale Polizei.
Bei Überschreiten bestimmter Grenzwerte wird die zuständige Staatsanwaltschaft und hier regelmäßig die Wirtschaftsstaatsanwaltschaft die weitere Verfolgung übernehmen sowie die Verfahren gegebenenfalls auch zu den zuständigen Gerichten tragen und Anklage erheben.
Anlässe für die Durchführung von Steuerstrafverfahren
Ermittlungsanlässe können die nachfolgenden Vorfälle sein:
Zunächst wird eine Vielzahl von Steuerstrafverfahren aufgrund von Anzeigen, insbesondere auch anonymen Anzeigen, eingeleitet, wenn diese hinreichend Material bieten, um einen steuerlichen Anfangsverdacht zu begründen.
Die Schwelle zur Annahme eines solchen steuerlichen Anfangsverdachtes ist allerdings geringer, als der Bürger regelmäßig annimmt. Solche Anzeigen werden häufig von missgünstigen Geschäftspartnern, verlassenen Ehefrauen, Geliebten oder auch entlassenen Buchhaltern oder sonstigen vormaligen Vertrauenspersonen initiiert.
Der Rechtstaat, in dem wir leben, kauft im Übrigen nicht nur von Kriminellen entsprechende Daten zur steuerlichen Verfolgung an, sondern ist sich im Zweifelsfalle auch nicht zu schade, auf denunziatorische und dort sogar auf anonyme Anzeigen hin zu reagieren.
Eine weitere gern genutzte Quelle, um steuerstrafrechtlich Erkenntnis zu erlangen, sind die routinemäßigen steuerlichen Außenprüfungen.
Hier sollte der betroffene Steuerbürger dann misstrauisch werden, wenn ein Betriebsprüfer ursprünglich verabredete oder angesagte Termine nicht einhält und zunächst einmal nicht erscheint oder die Prüfung ohne nähere Erklärung nicht nur kurzfristig unterbricht. Dieses könnte dafür sprechen, dass er Abstimmungen mit den zuständigen steuerstrafrechtlichen Verfolgungsorganen vornimmt.
Nicht zu unterschätzen ist auch die Bedeutung von nationalen und internationalen Kontrollmitteilungen. So sollte bekannt sein, dass bei jeder Betriebsprüfung im Inland der Betriebsprüfer eine bestimmte Anzahl von Kontrollmitteilungen fertigt, d. h, er nutzt Angaben, die ihm aus den Unterlagen des zu prüfenden Unternehmens bekannt sind, und stellt diese bei den entsprechenden Wohnsitzfinanzämtern von Geschäftspartnern zur Verifikation. Sollte es dabei Inplausibilitäten geben, liegt die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens nicht mehr fern. Wesentlich ist dabei, dass der Betriebsprüfer dem geprüften Steuerbürger regelmäßig natürlich nicht mitteilt, welche Kontrollmitteilungen im Hinblick auf welche Geschäftspartner er verfasst hat.
Darüber hinaus gehen in zunehmendem Maße internationale Kontrollmitteilungen beim deutschen Fiskus ein, die ebenfalls ausgewertet werden und bei Inplausibilitäten gleichfalls zur Einleitung von Steuerstrafverfahren führen können.
Lediglich beispielhaft soll darauf hingewiesen werden, dass die USA zwar geografisch weit entfernt liegen, der Rechtshilfeaustausch insbesondere in Steuersachen allerdings perfekt läuft. Einen Überblick über den Stand der internationalen Abkommen finden Sie in bdp aktuell Ausgabe 60.
Entsprechendes Kontrollmaterial findet sich z. B. auch bei den routinemäßigen Betriebsprüfungen bei Banken. In diesem Zusammenhang soll und muss einmal eindeutig betont werden, dass es in Deutschland ein Bankgeheimnis gegenüber dem Fiskus definitiv nicht mehr gibt.
Gleichfalls muss darauf hingewiesen werden, dass – was vielen Bürgern ebenfalls nicht bekannt ist – deutsche Notare bei vielen zur Beurkundung anstehenden rechtlichen Angelegenheiten Meldepflichten an den Fiskus haben, die selbstverständlich auch erfüllt werden. Solche Meldepflichten bestehen z. B. im Zusammenhang mit Grundstückskaufverträgen oder bestimmten gesellschaftsrechtlichen Beurkundungen. Ebenfalls gibt es entsprechende Meldepflichten für Banken, Lebensversicherungen etc., z. B. in Erb- und Todesfällen.
Nicht zuletzt führen auch verschärfte Grenzkontrollen bei der Einreise in das Schengengebiet zu entsprechenden Erkenntnissen, die dann steuerstrafrechtlich weiter aufgearbeitet werden.
Allein schon die Tatsache, mit mehr als 9.999,99 Euro bei der Ein- oder Ausreise in oder aus dem Schengengebiet aufgegriffen worden zu sein, kann zu weiteren steuerstrafrechtlichen Ermittlungen führen, unabhängig von den Sanktionen wegen Verletzung der entsprechenden Meldepflicht.
Wir setzen den Grundkurs Steuerstrafverfahren in der nächsten Ausgabe fort mit den Fragen Wie vermeide ich eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung? und Was tun, wenn der Steuerfahnder klingelt?