Was kann ein Unternehmen tun, um Teil der Bewegung hin zum klimaneutralen und verantwortungsbewussten Wirtschaften zu werden? Teil 1: Die nachhaltige Unternehmensstrategie
Der Druck auf Unternehmen, klimaneutral und verantwortungsbewusst zu wirtschaften, steigt immer mehr. Das wird nicht nur ersichtlich an vielen kommenden europäischen Regularien im Rahmen des Green Deals, sondern auch am immer stärker werdenden öffentlichen Druck. Nicht zuletzt unterstrich dies beispielsweise die Klage des peruanischen Bergbauern Saúl Luciano Lliuya, welcher RWE, als einer der größten Emittenten von CO2, vor dem Europäischen Gerichtshof wegen Gefährdung seiner Lebensgrundlagen verklagte. Was kann also ein Unternehmen tun, um Teil der Bewegung hin zum klimaneutralen und verantwortungsbewussten Wirtschaften zu werden?
Darum soll es in diesem ersten Beitrag der Reihe gehen. Im zweiten Teil geht es sehr viel praktischer zu und widmet sich der Frage, wie die Unternehmenskultur nachhaltig gestaltet werden kann. Im dritten und letzten Teil soll es um die Berichtspflicht gehen und dabei zum einen, was für rechtliche Pflichten ein Unternehmen erfüllen muss, zum anderen aber auch, wie diese Berichtspflicht Chancen für einen Wettbewerbsvorteil bietet.
Istzustand definieren
Bevor die Frage gestellt werden kann, was kann mein Unternehmen machen, um nachhaltig zu werden, ist es wichtig den Istzustand festzustellen und konkret zu definieren: Wo steht das Unternehmen aktuell? Diese Frage muss zu allen drei Säulen der Nachhaltigkeit gestellt werden. Häufig wird Nachhaltigkeit allein auf Klimaneutralität reduziert. Zum nachhaltigen Wirtschaften gehört aber ein weiterer, umfassenderer Blick. Es müssen neben der ökologischen Perspektive auch die soziale und ökonomische Sichtweise betrachtet werden. Genauso wichtig ist der Blick von außen auf das Unternehmen sowie von innerhalb des Unternehmens nach außen. Konkret bedeutet dies: Inwiefern beeinflusst mein Unternehmen mein direktes Umfeld, zum anderen, wie wird mein Unternehmen durch das Umfeld beeinflusst und was für Risiken entstehen dadurch? Dies ist wichtig in allen drei Säulen der Nachhaltigkeit zu beachten:
Ökonomische Nachhaltigkeit
Insbesondere familiengeführte oder Mittelstandsunternehmen sind häufig ökonomisch sehr nachhaltig aufgestellt: etablierte Kapitalstrukturen, die das Überleben des Unternehmens sichern und kritische Going-Concern-Themen vermeiden. Nach dem Verständnis der ökonomischen Nachhaltigkeit umfasst diese auch weitere Governance-Themen wie Korruption und Bestechung, Managementstruktur und verantwortliches marktwirtschaftliches Verhalten, welches z. B. im Code of Conduct festgehalten werden kann oder auch vom Lieferkettengesetz angesprochen wird: Gehe ich verantwortungsbewusst und fair mit meiner Lieferkette und weiteren Marktteilnehmenden um?
Soziale Nachhaltigkeit
Die soziale Nachhaltigkeit lässt sich einfacher greifen, wenn sie zweiseitig betrachtet wird. Einerseits kann die soziale Nachhaltigkeit außerhalb des Unternehmens betrachtet werden: Was für ein Einfluss hat das Unternehmen auf die Menschen bzw. die Gesellschaft im direkten Umfeld? Was für einen Beitrag leisten wir für die Stadt bzw. Region? Wie gehen wir mit Menschen im indirekten Umfeld um, also zum Beispiel entlang der Lieferkette: Welche Menschen werden von uns beeinflusst und wer beeinflusst uns?
Die andere Perspektive umfasst die soziale Struktur innerhalb des Unternehmens sowie die Unternehmenskultur. Wie breit und divers ist das Unternehmen in der Arbeitnehmerstruktur aufgestellt? Ist ein langfristiges Überleben durch ausreichend Nachwuchs, junge Auszubildende, gesichert? Herrscht viel Fluktuation, wenn ja woran könnte es liegen? Ist die Unternehmenskultur vertrauensvoll?
Ökologische Nachhaltigkeit
Last but not least muss auch der ökologische Einfluss festgehalten werden. Durch viel Medienwirksamkeit und Dringlichkeit des Themas kommt wohl den meisten die Klimaneutralität zuerst in den Kopf, was auch eine wichtige Frage ist: Wo stößt unser Unternehmen Kohlenstoff aus? Da es teilweise gar nicht einfach zu klassifizieren ist, wann der Kohlenstoffausstoß dem eigenen Unternehmen zuzurechnen ist und wann nicht, wurde eine Klassifizierung von Scope 1 bis 3 eingeführt. Dabei zählen zu Scope 1 alle Emissionen, die direkt mit der Produktion in Verbindung zu bringen sind, also was Sie auf Ihrem Gelände bei der Produktion für Emissionen produzieren, auch zum Beispiel der Fuhrpark. Scope 2 umfasst Emissionen aus eingekauften Ressourcen, die benötigt werden, um Ihre Ware herzustellen. Im Wesentlichen wird hierzu eingekaufte Energie gefasst. Zu Scope 3 zählen alle weiteren Emissionen, die ausgestoßen werden für die Beschaffung von Rohmaterialien (vorgelagerte Emissionen) und den Verkauf der Ware (nachgelagerte Emissionen). Bei ökologischer Nachhaltigkeit geht es jedoch auch um viele weitere Themen, wie Biodiversität, Ressourcenverbrauch, Wasser- und Meeresschutz oder Verschmutzung (von Wasser, Licht, Boden und Luft). Wo tangiert hier unser Unternehmen diese Bereiche und wo werden sie negativ beeinflusst?
Von außen auf das Gesamtbild schauen
Um konkret zu werden, ist es natürlich wichtig die einzelnen vorher erläuterten Teilbereiche zu definieren. Genauso wichtig ist es jedoch, einmal vorab auf die Gesamtsituation zu schauen. Was ist unser Geschäftsmodell und ist dieses zukunftsorientiert? Es sollten unbedingt die aktuellen politischen Entwicklungen beobachtet werden: Was ist das politische Leitbild in Deutschland und der EU oder anderen Ländern, in denen wir tätig sind? Werden schlimmstenfalls meine Produkte demnächst verboten oder zeigt der Trend einer Marktanalyse, dass meine Produkte weniger nachgefragt werden? (Bspw. rücklaufender Fleischkonsum etc.) Haben Sie dann schon alternative Geschäftsfelder ins Auge gefasst?
Ein weiteres Risiko besteht in Emissions- oder energieintensiven Geschäftsfeldern: Was ist in den nächsten Jahren zu erwarten und wie betreffen die Veränderungen unser Unternehmen? Insbesondere wenn zu dem Entschluss gekommen wird, dass das Produkt weiterhin nachgefragt wird, kann die Anschlussfrage sein, wie die Produktion ressourcenschonender gestaltet werden kann.
Ziele definieren
Sowohl in den drei Teilbereichen der Nachhaltigkeit als auch in der Gesamtstrategie des Unternehmens ist es wichtig, den Istzustand klar zu definieren und die Probleme aufzuzeigen. Dies bildet die Basis und den Ausgangspunkt für die gesamte Transformation. Um an alle Themenbereiche zu denken, können dabei auch mehrere Richtlinien bzw. Standards, die zur Nachhaltigkeitsberichterstattung eine Guideline bieten sollen, helfen. Diese geben meist einen recht detaillierten Überblick über die verschiedenen Bereiche der Säulen. Zu diesen Standards und der Berichterstattung soll im dritten Teil dieser Serie ebenfalls mehr berichtet werden.
Ausgehend von klar definierten Problemen, lassen sich leichter Ziele definieren. Welches Problem soll wie bis wann gelöst oder verbessert werden? Hierbei hilft es die Probleme zu ranken, um diese nacheinander anzugehen und je nach Größe des Problems die Lösung entsprechend realistisch zu gestalten.
Zusammen ist man schlauer als allein
Ebenfalls hilfreich ist, die Probleme in allen Abteilungen zu besprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Wie man Unternehmensstrukturen verändern kann und somit alle abteilungsübergreifend am Ziel zu mehr Nachhaltigkeit im Unternehmen arbeiten, wird im nächsten folgenden Artikel erwähnt, neben anderen praktischen mehr und weniger einfach umzusetzenden Tipps für mehr Nachhaltigkeit im Unternehmen.