Grundsätzliches Ziel der Unternehmensbewertung ist es, den finanziellen Nutzen des Unternehmenseigners zu bewerten
Unternehmensbewertungen spielen in der Praxis des kleinen oder mittelständischen Unternehmens selten eine zentrale Rolle. Nur bei Anteilsverkäufen oder -schenkungen bzw. bei der Aufnahme zusätzlicher Anteilsinhaber werden Überlegungen zum Unternehmenswert angestellt. Die mit dieser Ausgabe von bdp aktuell beginnende Serie will versuchen, das Thema Unternehmensbewertung mehr in den Fokus des Unternehmers zu rücken.
Nachdem zunächst in dieser Ausgabe grundsätzliche Überlegungen zur Unternehmensbewertung angestellt werden, stellen wir in den nächsten Teilen der Serie verschiedene Bewertungsverfahren aus Theorie und Praxis vor. Dabei wird auf die Möglichkeiten der Wertbeeinflussung in den einzelnen Verfahren ebenso eingegangen wie auf die Vor- und Nachteile der einzelnen Methoden. Am Ende sollte ein Verständnis für die Zusammenhänge betrieblicher Vorgänge und deren Auswirkungen auf den Wert des Unternehmens stehen.
Die beiden zentralen Fragen, die es zu beantworten gilt, sind damit:
- „Was ist mein Unternehmen wert?“
- „Wie kann ich den Wert beeinflussen?“
Bei der Preisfindung im Rahmen von Unternehmenskaufprozessen spielen Unternehmensbewertungen eine entscheidende Rolle. Für den abgabewilligen Unternehmer ist es daher wichtig, die Mechanismen des Bewertungsverfahrens zu kennen. Nur so kann er versuchen, entscheidende Einflussgrößen wertsteigernd zu beeinflussen, um letztendlich den erzielbaren Preis zu steigern.
Die Anlässe für eine Unternehmensbewertung können vielfältig sein. In der Regel werden unsere Mandanten bei folgenden Sachverhalten mit der Notwendigkeit einer Bewertung des Unternehmens konfrontiert:
- Kauf und Verkauf von Unternehmensanteilen
- Eigenkapitalerhöhungen
- Verschmelzungen, Auf- oder Abspaltungen (gemäß Umwandlungsgesetz)
- Schenkungen oder Erbschaften
- Abfindungen im Rahmen von Gesellschafteraustritten
- Erbauseinandersetzungen
- Anteilsbewertungen und -überprüfungen nach HGB
Grundsätzliches Ziel bei der Unternehmensbewertung ist es, den finanziellen Nutzen des Unternehmenseigners zu bewerten. Sonstiger nicht-finanzieller Nutzen wie z. B. Absicherung der Familie, Anhebung des gesellschaftlichen Status etc. bleiben in der betriebswirtschaftlichen Bewertungspraxis außer Ansatz. Solche nicht-finanziellen Aspekte können aber in der Preisfindung zwischen den verhandelnden Parteien einen großen Stellenwert einnehmen. Bei der praktischen Unternehmensbewertung bleiben nicht-finanzielle Nutzenüberlegungen jedoch außen vor. Eine zentrale Aussage der Unternehmensbewertungspraxis lautet damit:
- „Preis ist nicht gleich Wert!“ oder
- “Price is what you pay. Value is what you get.“
Bestandteile des Unternehmenswerts in der Praxis
Wenn der nicht-finanzielle Nutzen außer Betracht bleiben, muss geklärt werden, was genau in der Bewertungspraxis mit finanziellem Nutzen gemeint ist. Hierbei wird jeglicher Mittelzufluss aus der Unternehmensbeteiligung, z. B. in Form von Ausschüttungen, aber auch realisierbaren Kurssteigerungen als Maßstab für den Nutzen gewählt. Je größer also die Mittelzuflüsse, desto höher der Nutzen und damit auch der Wert des Unternehmens bzw. der Beteiligung.
Weiterhin ist es von entscheidender Bedeutung, wann die Mittelzuflüsse generiert werden. Zuflüsse der Vergangenheit können aus heutiger Sicht niemandem mehr einen Nutzen verschaffen und tragen somit nicht zu einem Wert des Unternehmens bei. Anders ausgedrückt:
- Auf die Vergangenheit gibt keiner Geld!
Da vergangene Mittelzuflüsse nicht beachtet werden, muss entschieden werden, welche Zuflüsse zur Vergangenheit gehören und welche bereits künftige Zuflüsse darstellen: Es wird ein Abgrenzungszeitpunkt oder Bewertungsstichtag benötigt. Erst dann kann ermittelt werden, welche Mittelzuflüsse aus der Sicht des Bewertungsstichtags künftig generiert werden und somit den Wert beeinflussen können.
Bringt nun jeder gleichhohe künftige Mittelzufluss auch aus Sicht des Empfängers den gleichen Nutzen und damit den gleichen Wert(beitrag)? Dieses lässt sich sofort beantworten, wenn man sich selbst fragt, ob einem 100 Euro, die in zwei Jahren zufließen, lieber sind als 100 Euro, die heute zufließen. Selbstverständlich ist ein früherer Mittelzufluss höher zu bewerten als ein zukünftiger.
Die zukünftigen Mittelzuflüsse sind also aus der Sicht des Bewertungsstichtags je nach zeitlicher Ferne unterschiedlich zu bewerten. In der Praxis werden die sogenannten Barwerte der künftigen Zuflüsse bewertet; es erfolgt eine Abzinsung der kommenden Zahlungsströme auf den Bewertungsstichtag. Die Unternehmensbewertung auf einen Bewertungsstichtag ist damit unmittelbar abhängig von zwei Faktoren:
- Prognose künftiger Mittelzuflüsse
- Wahl eines Abzinsungssatzes (Kapitalisierungszinssatz)
Prognose künftiger Mittelzuflüsse - Unternehmensplanung
Die Prognose der künftigen Mittelzuflüsse erfolgt regelmäßig im Rahmen der Unternehmensplanung. Grundsätzlich werden hierbei zwei Szenarien unterschieden:
- Fortführung des Unternehmens
- Liquidation des Unternehmens
Das zweite Szenario dient hierbei der Ermittlung eines Mindestwerts im Rahmen der Unternehmenswertermittlung. Dahinter steht die Überlegung, dass die Fortführung des Unternehmens – bei ausschließlicher Betrachtung des finanziellen Nutzens – dann ökonomisch unsinnig ist, wenn bei einer Liquidation aus den Zuflüssen ein höherer (Bar-)Wert erzielt werden könnte. Hierbei spielen in der Bewertungspraxis wie bereits erwähnt sonstige nicht-finanzielle Überlegungen keine Rolle. In beiden Szenarien sind die künftigen Mittelzuflüsse anhand von Unternehmensplanungen zu ermitteln.
Im Fall der Liquidation sind neben den Zuflüssen aus Veräußerungen der vorhandenen Vermögenswerte auch die Kosten der Liquidation z. B. durch Abfindungszahlungen, Sozialplanverpflichtungen oder sonstige laufende Verpflichtungen wie Miet- oder Entschädigungszahlungen bei Darlehensbeendigungen zu berücksichtigen.
Im Fortführungsfall sind die erwarteten künftigen Zahlungsströme in der Unternehmensplanung zu ermitteln. In der Regel wird die Planung in zwei Phasen eingeteilt. In einer ersten Detailplanungsphase erfolgt regelmäßig eine detaillierte Planung der einzelnen Einflussgrößen. Die Detailplanungsphase umfasst abhängig von branchentypischen oder betriebsbedingten Besonderheiten einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren ab dem Bewertungsstichtag.
Der Detailplanung schließt sich die Phase der ewigen Rente an. Hierbei wird unterstellt, dass sich das betrachtete Unternehmen auf einem bestimmten Umsatz-, Kosten- und Ertragsniveau „eingeschwungen“ hat und diesen dauerhaft („ewig“) beibehält. Wenn im Einzelfall Gründe vorliegen, die gegen eine Dauerhaftigkeit sprechen (z. B. zeitliche Befristung des Unternehmens gemäß Gesellschaftsvertrag, vertragsgemäße Beendigung des einzigen Absatzvertrags), dann ist dieser Umstand zu berücksichtigen, z. B. durch eine entsprechende Verlängerung der ersten Phase.
In der Praxis wird die Unternehmensplanung regelmäßig im Rahmen einer integrierten Ertrags-, Liquiditäts- und Bilanzplanung erstellt werden. Lediglich bei kleineren Unternehmen und abhängig von der Rechtsform sind hier Vereinfachungen möglich. Jede Vereinfachung, z. B. durch Weglassen der Bilanzplanung, hat jedoch zur Folge, dass die Prognose der künftigen Zuflüsse angreifbar ist. Und eine angreifbare Planung führt im Rahmen von Transaktionsverhandlungen regelmäßig zu deutlichen Abschlägen auf den erzielbaren Kaufpreis.
Die Unternehmensplanung ist einer Plausibilisierung zu unterziehen. Hierbei sind Unternehmensbesonderheiten wie Laufzeiten von Darlehen und Anschlusskonditionen, Abnahmeverträge, Lohn- und Gehaltsentwicklungen, Rohstoffentwicklungen etc. zu berücksichtigen. Branchenbesonderheiten, die z. B. in Änderungen von gesetzlichen Rahmenbedingungen oder selbst auferlegten Regulierungen bestehen können, sind ebenfalls zu beachten.
Die Daten der Vergangenheit sind für den Wert des Unternehmens zwar irrelevant, spielen aber bei der Plausibilisierung der Prognose eine große Rolle. So können Kennziffern der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage und deren Entwicklung im vergangenen Zeitablauf als Vergleichsgröße für die Plandaten dienen. Größere Abweichungen sind zu begründen, will man nicht Gefahr laufen, im Verhandlungsprozess als unplausibel und damit unglaubwürdig zu gelten.
Sollten wesentliche Einflussgrößen der künftigen Unternehmensplanung nur schwer prognostizierbar sein, bietet es sich an, in Szenarien zu planen. Die einzelnen Szenarien sind dann im Anschluss in eine Unternehmensplanung zu überführen, welche die Grundlage für die Ermittlung der künftigen Mittelzuflüsse bildet.
In der folgenden Ausgabe von bdp aktuell stellen wir Ihnen die berufsständischen Grundsätze der Unternehmensbewertung gem. IDW S 1 in ihren Grundzügen vor. Hierbei wird insbesondere auf den zweiten Faktor des Unternehmenswertes eingegangen: Die Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes.