Beim Versand von Waren ins Ausland droht eine Kostenfalle: Verweigert der Käufer die Annahme, haftet der Verkäufer für Zusatzaufwendungen, die dadurch dem Spediteur entstehen. Was tun?

In unserer Praxis häufen sich Fälle wie dieser: Sie sind Verkäufer und schließen einen Kaufvertrag über z. B. die Lieferung von Maschinen an einen Käufer in die Türkei. Die Ware soll mit dem Schiff von Hamburg in den Hafen von Izmir geliefert werden. Der Käufer leistet die vereinbarte Vorkasse, Sie beauftragen und bezahlen Ihren Transporteur, der die Ware, verpackt in zwei Containern, abholt, verlädt und mit dem Schiff nach Izmir bringt. Dort werden die zwei Container entladen und in ein Lagerhaus gebracht. 

Drei Wochen später hören Sie, dass Ihr Kunde in Insolvenz ist. Bedauerlich, aber immerhin, Sie haben ja Ihr Geld. Nach vier Wochen bekommen Sie einen freundlichen Brief Ihres Transporteurs: Auftragsgemäß habe man die Ware nach Izmir gebracht, dort wurde sie aber (wegen der Insolvenz) nicht abgeholt. Nun sind dem Transporteur, der wiederum mit weiteren Nachunternehmern in Izmir zusammenarbeitet, Kosten für die Lagerung der Container entstanden. Und er hätte gerne die aufgelaufenen 4.000 Euro von Ihnen, weitere Kosten nicht ausgeschlossen. Die Ware lagert ja weiter dort. 

Sie schauen in Ihren Vertrag; darin steht “CIF (Incoterms 2010) Harbour Istanbul”. Wenn Sie noch einmal die Bedeutung recherchieren (unter: www.icontainers.com/de/hilfe/incoterms/cif-incoterm/), finden Sie:

Pflichten des Verkäufers im Rahmen des CIF Incoterm

  • Lieferung der Ware und erforderlicher Dokumente
  • Verpackung und Umhüllung
  • Transport im Ursprungsland
  • Zoll im Ursprungsland
  • Gebühr beim Auslaufen
  • internationale Fracht
  • Versicherung

Pflichten des Käufers im Rahmen des CIF Incoterm

  • Bezahlung der Ware
  • Kosten für Wareneingang
  • Zoll bei Einfuhr
  • Transport im Bestimmungsland
  • Zahlung von Gebühren

Richtigerweise gehen Sie davon aus, dass Sie spätestens nach der Entladung in Izmir eigentlich nichts mehr mit der Ware zu tun haben. Sie schreiben Ihren Spediteur an und teilen ihm den Sachverhalt mit, insbesondere die Vereinbarung “CIF (Incoterms 2010)”.

Ihr Spediteur (wahrscheinlicher dessen Anwalt) wird Ihnen daraufhin Folgendes antworten: 

Sie haben einen Frachtvertrag mit Ihrem Frachtführer geschlossen.

Durch den Frachtvertrag wird der Frachtführer verpflichtet, das Gut zum Bestimmungsort zu befördern und dort an den Empfänger abzuliefern (§ 407 Abs. 1 HGB). Der Absender ist wiederum verpflichtet, die vereinbarte Fracht zu zahlen (§ 407 Abs. 2 HGB). 

Der Vertrag entsteht also zwischen dem Frachtführer und dem Absender - also Ihnen. Zwischen dem Frachtführer und dem Empfänger (Ihrem Käufer) besteht keine Vertragsbeziehung. Der Frachtvertrag stellt aber einen Vertrag zugunsten des Empfängers dar. Dadurch hat auch der Empfänger gewisse Rechte (und Pflichten) aus dem Vertrag.

„Ablieferung“ bedeutet den Vorgang, durch den der Frachtführer die zur Beförderung erlangte Obhut über das Gut mit ausdrücklicher oder stillschweigender Einwilligung des Verfügungsberechtigten wieder aufgibt und diesen in die Lage versetzt, die tatsächliche Gewalt über das Gut auszuüben.

... aber bei Nichtabholung durch den Empfänger haften Sie auch!

Die Verweigerung der Annahme des Gutes seitens des Empfängers stellt ein Ablieferungshindernis dar. Die Verweigerung muss nicht ausdrücklich sein, es reicht eine konkludente Erklärung wie z. B., die Ware nicht abholen zu können oder zu wollen. Auch eine wesentliche Überschreitung der Entladefrist führt zu einer Ablieferungsstörung, ohne dass es einer Erklärung bedarf. In einem solchen Fall muss der Frachtführer die Weisungen des Weisungsberechtigten einholen, womit sich die Frage stellt, wer die Weisungen erteilen darf. Bis zur Ankunft des Gutes an der Ablieferungsstelle ist der Absender weisungsbefugt, nach diesem Zeitpunkt nicht mehr. Danach ist der Empfänger weisungsbefugt. Ausnahmsweise wechselt die Verfügungs- bzw. Weisungsberechtigung des Empfängers jedoch wieder auf den Absender zurück, wenn der Empfänger die Annahme des Gutes verweigert. 

Bei einem solchen Ablieferungshindernis hat der Frachtführer primär Weisungen einzuholen. Er hat aber auch (u. U. sogar ohne vorherige Weisungseinholung) das Recht, das Gut für Rechnung des Verfügungsberechtigten (also für Rechnung des Absenders!) einem Dritten zur Verwahrung anzuvertrauen (§ 419 Abs. 3 HGB). Seine dafür erforderlichen Aufwendungen kann er nach § 419 Abs. 4 HGB ersetzt verlangen, wenn das Hindernis nicht seinem Risikobereich zuzurechnen ist. 

Sofern also eine Weisung nicht vom Empfänger erteilt wurde, ist Schuldner des Aufwendungsersatzanspruchs grundsätzlich der Absender. Der Empfänger kann nur in Anspruch genommen werden, wenn er entweder eine Weisung erteilt oder vom Frachtführer verlangt hat, das Gut gegen Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Frachtvertrag abzuliefern. Allerdings ist auch § 421 Abs. 4 HGB zu beachten. Danach bleibt nämlich der Absender neben dem Empfänger zur Zahlung der nach dem Vertrag geschuldeten Beträge verpflichtet. 

Im Grundsatz haften Absender und Empfänger als echte Gesamtschuldner und der Frachtführer kann sich nach Belieben aussuchen, welchen der Schuldner er in Anspruch nimmt. Ist der Empfänger zahlungsunwillig oder -unfähig oder ist es schwerer, an ihn heranzukommen, wird der Frachtführer natürlich seine Kosten vom Absender holen wollen.

Und die Incoterms? Die regeln nur das Verhältnis zwischen dem Käufer und dem Verkäufer - nicht das Verhältnis zu den Transportunternehmen! 

Was tun? 

Ist also wie in unserem Fall der Empfänger zahlungsunwillig oder -unfähig oder ist er schwer greifbar, wird der Frachtführer seine Kosten beim Absender liquidieren wollen. Wenn Sie in eine solche Situation geraten, müssen Sie den Sachverhalt genau untersuchen. Hat z. B. der Empfänger wirklich die Abholung verweigert? Ist das Ablieferungshindernis doch dem Risikobereich des Frachtführers zuzurechnen? Ein Rettungsanker kann auch die Verjährung der Ansprüche sein, denn diese verjähren bereits nach einem Jahr. 

Die gesetzlichen Regelungen der §§ 419 und 421 HGB sind zwar dispositiv, d. h. die Parteien können von den Regelungen auch z. B. durch Allgemeine Geschäftsbedingungen abweichen. Jedoch muss jeweils im Einzelfall geprüft werden, welche Klauseln wirksam sind. Möglich ist aber auf jeden Fall eine Haftungsbeschränkung der Höhe nach und eine sogenannte „Unfreiabrede“, die ein unechtes Gesamtschuldverhältnis entstehen lässt. Im Falle einer solchen Klausel muss der Frachtführer zunächst versuchen, sich an den Empfänger zu halten, bevor er seine Forderung gegen den Absender geltend machen kann.