Verhalten bei Durchsuchungen und Beschlagnahmen insbesondere in berufsträgerischen Praxisräumen
Wir leben in einer Zeit, in der eine von bestimmten politischen Gruppierungen sogar gestützte Neidkampagne nahezu zu Hysterie führt, wenn Steuerhinterziehungstatbestände – natürlich immer bei den anderen und bei denen da oben – betroffen sind. Zu denken sei hier nur an den Fall des Präsidenten des FC Bayern, der – so zumindest der Informationsstand der derzeitig vorliegt – nichts anderes gemacht hat, als im Rahmen der legalen Möglichkeiten eine Selbstanzeige zu erstatten.
Politiker und Presse, d. h. die Meinungsbildner unserer Gesellschaft, die unkontrolliert definieren was Political Correctness bedeutet, ereifern sich in einer Art und Weise, die nichts mehr mit nüchterner Sachlichkeit zu tun hat, wobei allerdings mit noch einem Rest von Freude festgestellt werden kann, dass zumindest die Begriffe „Klassenfeind“ und „Volksfeind“, die ja ganz bedenklichen politischen Konstellationen zuzuordnen sind, bisher im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung noch nicht offiziell gefallen sind.
Nichtsdestotrotz sollte im Rahmen der verstärkten Fahndungsaktivitäten jeder Bürger und insbesondere auch jeder Berufsträger auf Durchsuchungen und Beschlagnahmungen vorbereitet sein. Vor diesem Hintergrund ist zu berücksichtigen, dass Durchsuchungen und Beschlagnahmen im Zusammenhang mit Strafverfahren auch bei Dritten, also nicht Verdächtigen (§ 103 StPO), durchgeführt werden können.
Diese Durchsuchungen können insofern auch, z. B. wenn Mandanten von Berufsträgern als Verdächtige betroffen sind, in den entsprechenden Büroräumen durchgeführt werden. Gleichfalls sind selbstverständlich auch Durchsuchungen bei anderen „normalen Bürgern“ jederzeit nach der gleichen strafprozessualen Vorschrift möglich.
Die Durchsuchungen werden regelmäßig bei Steuer- und Zollstrafverfahren durch die Steuer- oder Zollfahndung durchgeführt. Bei anderen Straftaten, z. B. Wirtschaftsstraftaten, sind Durchsuchungen durch die Polizei denkbar.
Prozedere bei Durchsuchungen
Bei Erscheinen von Durchsuchungsbeamten in Büroräumen oder auch in Räumen anderer Bürger sollte das nachfolgende Prozedere unbedingt eingehalten werden:
- Bei Eintritt solcher Beamten in fremde Räume ist zunächst durch die erste Kontaktperson sicherzustellen, dass diese Beamten – soweit möglich – in ein neutrales Zimmer, bei Berufsträgern z. B. in ein Besprechungszimmer geleitet werden.
Sind solche neutralen Zimmer nicht ad hoc vorhanden, ist sicherzustellen, dass die Verfolgungsbeamten sich ausschließlich im Empfangsbereich aufhalten. - Es ist definitiv dafür Sorge zu tragen, dass die entsprechenden Beamten keinen Raum betreten, in dem sich Mandantenunterlagen befinden, also z. B. auch kein Büro eines Mitarbeiters.
Bei der Durchsuchung bei Bürgern ist dafür Sorge zu tragen, dass die Beamten nicht Räume betreten, in denen sie Kenntnisse von Sachverhalten erlangen können, die nicht durch die entsprechende Beschlusslage gedeckt sind.
Dieses „Festhalten“ der Beamten kann reagierend auf deren eigenes Verhalten im Zweifelsfalle durchaus freundlich gestaltet werden (Anbieten von Kaffee und dergleichen).
Gespräche mit diesen Beamten über Mandanten, die betroffenen Freunde, Geschäftsfreunde etc. oder Büroabläufe, Bearbeitungstechniken und dergleichen sind absolut zu vermeiden. - Die Person, die die „Erstbetreuung“ der Durchsuchungsbeamten vornimmt, hat dafür Sorge zu tragen, dass sofort idealerweise eine zweite Person und im besten Fall ein Rechtsanwalt hinzugezogen wird.
- Der eingeschaltete Rechtsanwalt überprüft die Legitimation der Beamten (Dienstausweise), lässt sich den Durchsuchungs- und/oder Beschlagnahmebeschluss (meistens sind beide Beschlüsse miteinander verknüpft) aushändigen und sorgt dafür, dass zumindest der Leiter der Aktion ein Visitenkärtchen mit Name, Dienststelle, Telefon und dergleichen überreicht (falls der entsprechende Beamte – was häufiger vorkommt – über kein Visitenkärtchen verfügt, sind die entsprechenden Behördenadress- und Telefondaten sowie der Name des Leiters anderweitig zu erfassen).
- Der eingeschaltete Rechtsanwalt überprüft den Durchsuchungs- und/oder Beschlagnahmebeschluss.
Der Beschluss muss insbesondere Angaben darüber enthalten, für welche Zeiträume eine Straftat untersucht wird, welche Steuerarten (bei im Raume stehendem Vorwurf der Steuerhinterziehung) untersucht werden und nach welchen konkret bezeichneten Beweismitteln in welchen Räumen unter konkreter Adresse gesucht werden soll.
Darüber hinaus ist der Beschuldigte, d. h. also regelmäßig wohl der Mandant, konkret zu bezeichnen. - Auch wenn Beschwerden gegen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse statistisch gesehen wenig Aussicht auf Erfolg haben, sollte eine kurze summarische Überprüfung vorgenommen werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass eine solche Beschwerde unter Umständen auch taktische Hintergründe haben kann.
- Soweit kein Rechtsanwalt so schnell erreicht werden kann, sind die oben angeführten Maßnahmen eben dann durch die entsprechende andere Person durchzuführen.
- Wesentlich ist in der Hektik der Gesamtsituation, dass die oben angeführten Daten des Beschlusses exakt überprüft und eingehalten werden (wenn zur Beschlagnahme bestimmte Unterlagen der Meier GmbH vorgesehen sind, bleiben selbstverständlich Unterlagen des Gesellschafter-Geschäftsführers Meier außen vor. Wenn bestimmte umsatzsteuerrelevante Unterlagen für das Jahr 2007 betroffen sind, bleiben Unterlagen, die ausschließlich andere Steuerarten oder andere Zeiträume betreffen, außen vor. Wenn Unterlagen des Herrn Meier betroffen sind, bleiben die seiner Ehefrau, Frau Meier, außen vor etc.).
- Das Einhalten dieser zunächst einfach klingenden Regularien ist wichtig, um Zufallsfunde bei der Durchsuchung zu vermeiden.
Zur Erklärung darf darauf hingewiesen werden, dass Zufallsfunde Gegenstände, Unterlagen und Dokumente sind, die auf das Vorliegen eines anderen nicht im Beschluss genannten strafrechtlich relevanten Verhaltens hindeuten.
Solche Zufallsfunde könnten gemäß § 108 StPO einstweilig in Beschlag genommen werden. Durch einen Richter können die einstweiligen Beschlagnahmen in endgültige Beschlagnahmen umgewandelt werden.
In diesem Zusammenhang ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass insbesondere Steuerfahnder sehr häufig mit der Technik arbeiten, durch eine intensive Nachschau nachzuhelfen, um plangerecht „Zufallsfunde” zu provozieren. Durch sachgerechtes Vorgehen kann hier zumindest weiterer Schaden zulasten des Mandanten verhindert werden. - Es ist darauf zu achten, dass beschlagnahmefreie Gegenstände bei der Aktion außen vor bleiben.
Soweit Berufsträger von der Durchsuchung betroffen sind, muss darauf hingewiesen werden, dass beschlagnahmefrei schriftliche Mitteilungen zwischen dem in dem Beschluss genannten Beschuldigten und der für ihn tätigen Berufsträgern (Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater), also zwischen den Beschuldigten und seinen Beratern sind. Zu diesen oben angeführten Mitteilungen gehören insbesondere Briefe, Kopien von Briefen, eigene Aufzeichnungen des Berufsträgers zur Sache, soweit sich diese Aufzeichnungen auch auf vom Beschuldigten anvertraute Mitteilungen beziehen, was regelmäßig der Fall ist. Gleichfalls sind selbstverständlich Gesprächsnotizen, Strategiepapiere und dergleichen beschlagnahmefrei.
Schlagwortartig kann festgestellt werden, dass die Handakte beschlagnahmefrei ist.
Beschlagnahmefrei sind auch Buchhaltungsunterlagen, die der Berater noch für die Erstellung des in Arbeit befindlichen Jahresabschlusses benötigt (die Erstellung des Jahresabschlusses ist eine berufstypische Tätigkeit). - Anders verhält es sich bei Unterlagen, die der Berater lediglich aufbewahrt hat bzw. hinsichtlich derer er lediglich Aufgaben übernommen hat, die nicht eine berufstypische Tätigkeit darstellen.
Insofern sind mit Ausnahme der obengenannten alle Buchhaltungsunterlagen beschlagnahmefähig. - Der verantwortliche Rechtsanwalt oder die sonstige verantwortliche Person sollte den Verfolgungsorganen die fraglichen Akten allenfalls „zuführen” („Zuführung” ist nicht zu verwechseln mit freiwilliger Herausgabe!). Die „Zuführung” dient lediglich dem Zweck, die Verfolgungsorgane zufriedenzustellen und von (weiteren) Durchsuchungshandlungen abzuhalten.
- Soweit Berufsträger von der Durchsuchung und Beschlagnahmung betroffen sind, ist definitiv dafür Sorge zu tragen, dass die Unterlagen jetzt beschlagnahmt werden und die Beschlagnahme auch im entsprechenden Protokoll vermerkt wird.
Eine freiwillige Herausgabe ist berufsrechtlich und im Übrigen auch strafrechtlich (Verletzung des Mandatsgeheimnisses) angreifbar!
Soweit Polizeibeamte die Aktion durchführen, die als solche (anders als Steuer- und Zollfahnder) nicht über das Privileg des § 404 Satz 2 AO verfügen, ist dafür Sorge zu tragen, dass diese die Unterlagen nicht durchsehen, sondern die beschlagnahmten Unterlagen in einem zu versiegelnden Behältnis zur Durchsicht bei der Staatsanwaltschaft mitnehmen.
Wie oben dargestellt, dürfen allerdings Steuer- und Zollfahnder unter Hinweis auf § 404 AO eine aktuelle Durchsicht vornehmen. - Soweit möglich, sollte die oben angeführte Zuführung der Akten durch einen weiteren Berufsträger arrangiert werden bzw. durch einen solchen begleitet werden, der sicherstellt, dass nicht vorsätzlich in der Hektik der Aktion Dokumente und Urkunden unterdrückt bzw. beiseite geschafft werden. Die soweit möglich fachgerechte Durchsicht durch einen weiteren Berufsträger (der zuständige Rechtsanwalt verbleibt bei den Fahndungsbeamten) kann im Einzelfall sinnvoll sein.
- Nach Beendigung der Durchsuchung ist darauf zu drängen, dass ein Protokoll mit einem detaillierten Verzeichnis der beschlagnahmten Unterlagen erstellt wird.
- Wie bereits oben dargelegt, sollte dieses Protokoll ausdrücklich vermerken, dass die Unterlagen beschlagnahmt wurden.
- Darüber hinaus ist – soweit möglich – sicherzustellen, dass die beschlagnahmten Dokumente fotokopiert werden.