Beim Mediationsverfahren sollen streitende Parteien mithilfe eines neutralen Dritten einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiss erzielen.
Die gerichtliche Entscheidung von Konflikten ist nicht immer die Methode der Wahl. Sie hat auch gravierende Nachteile: Wer die hohen Kosten, die lange Dauer und die eingeschränkte Vertraulichkeit eines öffentlichen Prozesses vermeiden will, sollte ein Mediationsverfahren erwägen. Dr. Jens-Christian Posselt, Rechtsanwalt und selbst als Wirtschaftsmediator tätig, klärt über ein Verfahren auf, das mittlerweile auch gesetzlich geregelt ist: die Mediation.
Sobald Interessen, Zielsetzungen oder Wertvorstellungen von Menschen, Gruppen, Organisationen oder gar Staaten aufeinandertreffen, die nicht miteinander vereinbar sind oder scheinen, droht ein Konflikt. Das betrifft das Privatleben genauso wie das Geschäftsleben. Zum Problem wird der Konflikt, wenn er nicht gelöst wird, sondern eskaliert.
In der Praxis der Konfliktanalyse hat das Modell von Glasl (Friedrich Glasl: Konfliktmanagement. Diagnose und Behandlung von Konflikten in Organisationen, 1980) große Zustimmung erhalten. Danach eskaliert ein Konflikt in neun Stufen:
* Verhärtung
* Debatte, Polemik
* Taten statt Worte
* Sorge um Image und Koalitionen
* Gesichtsverlust
* Drohstrategien
* Begrenzte Vernichtungsschläge
* Zersplitterung, totale Zerstörung
* Gemeinsam in den Abgrund
### Konflikte lauern überall
Konflikte lauern im Geschäftsleben überall: als interne Auseinandersetzungen im Unternehmen; zwischen Gesellschaftern, Geschäftsleitung und Mitarbeitern in allen möglichen Konstellationen; als externe Konflikte mit Kunden und Lieferanten, Investoren und Finanziers. Wenn die Parteien selbst den Konflikt nicht lösen können, wird die Konfliktbeilegung oft auf einen Dritten übertragen: Bei innerbetrieblichen Konflikten sind oft die Vorgesetzten berufen, zwischen den Mitarbeitern zu vermitteln. Die Einschaltung von Gerichten oder Schiedsgerichten dient ebenfalls dazu, den Konflikt durch einen neutralen Dritten klären zu lassen.
### Gerichtsverfahren hat Nachteile
Diese klassischen Wege der Streitentscheidung sind bewährt. Sie haben aber auch Nachteile: Kosten, Dauer des Verfahrens, Vertraulichkeit, Neutralität der Beteiligten sind je nach Wahl des Mittels oft nicht optimal.
Daher haben sich Methoden der alternativen Streitbeilegung (Alternative Dispute Resolution – ADR) entwickelt. Eine davon ist die Mediation, in der mithilfe eines neutralen Dritten (Mediator) die Parteien einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiss erzielen sollen.
### Mediation als alternative Form der Konfliktschlichtung
In einem Mediationsverfahren werden die Parteien durch den Mediator bei ihren Verhandlungen unterstützt. Die Parteien bleiben eigenverantwortlich und führen das Verfahren freiwillig durch: Ein Mediator hat nicht das Recht, den Streit zu entscheiden! Die Mediation deckt ein breites Spektrum der Methoden zur Lösung eines Konflikts ab und ist daher geeignet, eine Alternative zur gerichtlichen Lösung von Konflikten zu bieten.
Die Mediation ist eine relative junge Methode der Konfliktlösung, die potenziell im Konkurrenzverhältnis auch zur gerichtlichen Streitlösung steht. Interessant ist daher, wie die Jurisprudenz selbst ihre Rolle und ihr Verhältnis zur Mediation und deren Ziel einer einvernehmlichen Lösung von Konflikten sieht.
### Bundesverfassungsgericht präferiert Mediation
Die wohl wichtigste Stellungnahme dazu stammt von unserem obersten Gericht, dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG, 1 BvR 1351/01 vom 14.02.2007), selbst:
_„Eine zunächst streitige Problemlage durch eine einverständliche Lösung zu bewältigen, ist auch in einem Rechtsstaat grundsätzlich vorzugswürdig gegenüber einer richterlichen Streitentscheidung.“_
### Mediationsgesetz regelt Mediation
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung auch die Vorteile einer einvernehmlichen Streitbeilegung herausgestellt: Sie ist schneller und kostengünstiger, und sie leistet einen Beitrag zum dauerhaften Rechtsfrieden. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Rechtsentwicklung aufgegriffen und im Jahr 2012 das Mediationsgesetz erlassen, das in nur wenigen Paragrafen das Mediationsverfahren regelt:
* Mediation ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem die Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben.
* Ein Mediator ist eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führt.
* Die Parteien wählen den Mediator aus.
* Der Mediator ist allen Parteien gleichermaßen verpflichtet. Er fördert die Kommunikation der Parteien und gewährleistet, dass die Parteien in angemessener und fairer Weise in die Mediation eingebunden sind. Er kann im allseitigen Einverständnis getrennte Gespräche mit den Parteien führen.
* Dritte können nur mit Zustimmung aller Parteien in die Mediation einbezogen werden.
* Die Parteien können die Mediation jederzeit beenden. Der Mediator kann die Mediation beenden, insbesondere, wenn er der Auffassung ist, dass eine eigenverantwortliche Kommunikation oder eine Einigung der Parteien nicht zu erwarten ist.
* Der Mediator wirkt im Falle einer Einigung darauf hin, dass die Parteien die Vereinbarung in Kenntnis der Sachlage treffen und ihren Inhalt verstehen. Er hat die Parteien, die ohne fachliche Beratung an der Mediation teilnehmen, auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Vereinbarung bei Bedarf durch externe Berater überprüfen zu lassen. Mit Zustimmung der Parteien kann die erzielte Einigung in einer Abschlussvereinbarung dokumentiert werden.
* Der Mediator hat den Parteien alle Umstände offenzulegen, die seine Unabhängigkeit und Neutralität beeinträchtigen können. Er darf bei Vorliegen solcher Umstände nur als Mediator tätig werden, wenn die Parteien dem ausdrücklich zustimmen.
* Als Mediator darf nicht tätig werden, wer vor der Mediation in derselben Sache für eine Partei tätig gewesen ist. Der Mediator darf auch nicht während oder nach der Mediation für eine Partei in derselben Sache tätig werden.
* Der Mediator und die in die Durchführung des Mediationsverfahrens eingebundenen Personen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, soweit gesetzlich nichts anderes geregelt ist. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was ihnen in Ausübung ihrer Tätigkeit bekannt geworden ist.
* Als Mediator darf nur tätig werden, wer eine entsprechende Ausbildung hat. Damit sollen die Qualitätsanforderungen des Mediationsgesetzes gewährleistet werden.
Die praktischen Erfahrungen der Mediation zeigen, dass 70 bis 80 % aller Mediationsverfahren mit einer Einigung enden. Insgesamt wird das Mediationsverfahren aber (leider) noch nicht so häufig angewendet. Dies mag daran liegen, dass mit fortschreitendem Konflikt (siehe die Konfliktstufen oben) die Bereitschaft sinkt, sich auf eine friedliche Lösung einzulassen. Dies ist bedauerlich, denn selbst unsere engsten Verwandten sind dabei fortschrittlicher.
### Schimpansen wenden Mediationsverfahren erfolgreich an
Im März 2012 berichtete Spiegel-Online, dass Schweizer Forscher durch Beobachtungen im Züricher Zoo herausgefunden hatten, dass die dortigen Schimpansen das Mediationsverfahren erfolgreich anwenden. Unter den Menschenaffen sind potenzielle Konflikte häufig: Männchen streiten mit Männchen um die Rangordnung, Männchen streiten um Weibchen, Weibchen streiten um Futter usw. Die Forscher beobachteten nun: Bei Querelen lassen sich die Tiere manchmal von unabhängigen Konfliktlösern helfen.
Bei über 400 erfassten Scharmützeln habe sich in 69 Fällen ein unparteiischer Vermittler eingeschaltet, in der Regel eines der beiden ranghöchsten Männchen. Oft habe es genügt, wenn sich das jeweilige Männchen den Streithähnen näherte. In einigen Fällen habe es den Kontrahenten aktiv gedroht oder sich zwischen diese gestellt. 60 der 69 Schlichtungsversuche seien erfolgreich gewesen.
### Fazit
Damit sind Schimpansen beim Schlichten durch Mediation mindestens so erfolgreich wie Menschen: Die Erfolgsquote liegt mit 87 % in etwa bei der menschlichen Erfolgsquote. Eine weitere Parallele: Bereits ein in Aussicht gestelltes Mediationsverfahren erzeugt einen gewissen Einigungsdruck. In einem Punkt sind Schimpansen uns aber weit voraus: Sie lösen ca. 16 % der Konflikte einvernehmlich. Davon sind wir leider noch weit entfernt. Die Erkenntnis sollte also lauten: Von Affen lernen heißt schlichten lernen!