Im Mittelpunkt stehen die natürliche Person und die Frage, wie und wann eine Restschuldbefreiung erreicht werden kann

Die zweite Stufe der Insolvenzrechtsreform ist nun vollendet und wird schrittweise in Kraft treten. Im Mittelpunkt des Gesetzesvorhabens stehen die natürliche Person und die sich darum rankenden Regelungen, wie und wann eine Restschuldbefreiung erreicht werden kann.

Der Entwurf des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte (Drucksache 17/11268), das die Insolvenzordnung ändert, wurde angenommen und ist im Bundesgesetzblatt vom 18. Juli 2013 veröffentlicht worden. Einzelne Regelungen wie Zulässigkeit des Insolvenzplans in der Verbraucherinsolvenz, Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 63 Abs. 3 InsO) sowie die Vorschriften über die Änderungen im Genossenschaftsgesetz (Art. 8 des GenG) sind bereits am Tag der Veröffentlichung in Kraft getreten. Im Übrigen tritt das Gesetz erst am 01. Juli 2014 in Kraft. Eine Rückwirkung auf bereits laufende Verfahren tritt nicht ein (Art. 103 EG InsO n. F.). Der wesentliche Teil der Reform wirkt sich damit also erst auf zukünftige Verfahren aus, d. h. auf solche, die nach dem 01. Juli 2014 beantragt werden.

Bei der Unternehmensinsolvenz schließt sich häufig auch ein Insolvenzverfahren der natürlichen Person, d. h. des Gesellschafters oder des Geschäftsführers des Unternehmens an. Meist haben diese Personen Bürgschaften für das Unternehmen gegeben und werden aufgrund der eingetretenen Insolvenz persönlich in Anspruch genommen. Oder der Geschäftsführer oder Gesellschafter wird aufgrund der Insolvenz persönlichen Haftungsansprüchen ausgesetzt. Die unterschiedlichen Verfahren, die Gegenstand der ersten und zweiten Stufe der Reform sind, treffen sich dann doch meist.

Außergerichtlicher Einigungsversuch wird nicht abgeschafft

Die Gesetzesentwürfe sahen vor, dass im Verbraucherinsolvenzverfahren von dem Schuldner kein „offensichtlich aussichtsloser” außergerichtlicher Einigungsversuch mehr verlangt werden soll. Eine offensichtliche Aussichtslosigkeit sollte vorliegen und im Ergebnis den Regelfall bilden, wenn den Gläubigern eine Befriedigungsquote von nicht mehr als 5 % angeboten wird oder mehr als 19 Gläubiger vorhanden sind. Diese Regelung wurde nicht beschlossen. Verbrauchern mit überschaubaren Vermögensverhältnissen wird weiter regelmäßig der außergerichtliche Einigungsversuch abverlangt, um ins Insolvenzverfahren zu gelangen. Der Regelinsolvenzschuldner dagegen, also etwa Selbstständige mit komplizierten Vermögensverhältnissen, kann dagegen ohne nennenswerte Hindernisse in das Verfahren gelangen.

Hinzuweisen sei an dieser Stelle noch einmal darauf, dass der Schuldner die in den amtlichen Formularen verlangten Auskünfte erteilen und Unterlagen vorlegen muss (§ 305 Abs. 3 InsO n. F.). Tut er dies nicht, greift wie bisher die Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO, wonach der Insolvenzantrag als zurückgenommen gilt, wenn der Schuldner die erforderlichen Angaben nicht binnen eines Monats nach Aufforderung nachholt. Zukünftig greift jedoch bei Nichtbeachtung der Aufforderung keine Sperrfrist mehr (§ 287a Abs. 2 InsO n. F.). Auch kann sich der Schuldner nun im Verbraucherinsolvenzverfahren vor dem Insolvenzgericht von einer geeigneten Person oder einem Angehörigen einer als geeignet anerkannten Stelle vertreten lassen (§ 305 Abs. 4 InsO n. F.).

Verfahrensfragen

Bei überschaubaren Vermögensverhältnissen wird das schriftliche Verfahren (§ 5 Abs. 2 Satz 1 InsO) künftig obligatorisch. Wann diese Voraussetzungen vorliegen, überlässt der Gesetzgeber dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. § 304 Abs. 2 InsO (weniger als 20 Gläubiger) bietet ein Indiz dafür. Im schriftlichen Verfahren entfällt künftig auch der Berichtstermin (§ 29 Abs. 2 InsO n. F.).

Künftig wird auch das Verbraucherinsolvenzverfahren nicht von einem Treuhänder, sondern einheitlich von einem Insolvenzverwalter geführt: Der alte § 313 InsO ist weggefallen, auch wenn im Gesetz immer wieder vom Treuhänder die Rede ist. Der Insolvenzverwalter kann wie im Regelinsolvenzverfahren aus eigenem Recht die Insolvenzanfechtung betreiben (Wegfall der Anfechtungsberechtigung der Insolvenzgläubiger, § 313 Abs. 2 InsO a. F.). Er ist dann auch zur Verwertung belasteter Vermögensgegenstände befugt (Wegfall der Verwertungsbefugnis der Insolvenzgläubiger, § 313 Abs. 3 InsO a. F.). Auch die Verteilung der Insolvenzmasse erfolgt dann künftig wie im Regelinsolvenzverfahren (Wegfall der vereinfachten Verteilung, § 314 InsO a. F.).

Durch die Streichung des § 312 Abs. 2 InsO a. F. wird nun auch in der Verbraucherinsolvenz die Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens möglich. Allerdings ist eine Eigenverwaltung nach dem neuen § 270 Absatz 1 Satz 3 InsO n.F. weiterhin nicht möglich. Ein Insolvenzplanverfahren kann auch in der Verbraucherinsolvenz im Ergebnis sinnvoll sein und zur erheblichen Abkürzung des Verfahrens führen.

Restschuldbefreiung: Zulässigkeit des Antrags

Bei den Voraussetzungen zur Zulässigkeit des Restschuldbefreiungsverfahrens haben sich verschiedene Neuregelungen ergeben. Das Insolvenzgericht wird zukünftig bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Zulässigkeit des Antrags des Schuldners auf Restschuldbefreiung entscheiden (§ 287a InsO n. F.). Damit erhält der Schuldner bereits am Anfang des Verfahrens vom Gericht eine Information darüber, ob er mit einer Restschuldbefreiung rechnen kann. Ist der Antrag zulässig, wird das Gericht feststellen, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn er den Obliegenheiten nach § 295 InsO nachkommt und keine Versagungstatbestände gemäß §§ 290, 297 und 298 InsO vorliegen. Die alte Ankündigung der Restschuldbefreiung im Schlusstermin gibt es zukünftig nicht mehr (§ 291 InsO a. F.). Neu ist auch die Regelung in § 287b InsO n.F. Danach obliegt es dem Schuldner ab Beginn der Abtretungsfrist bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben bzw., wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen.

Nach § 287a Abs. 2 InsO n. F. ist im Ergebnis ein Antrag auf Restschuldbefreiung nur dann zulässig, wenn dem Schuldner nicht

  • in den letzten zehn Jahren vor dem Eröffnungsantrag oder danach Restschuldbefreiung erteilt worden ist,
  • die Restschuldbefreiung in den letzten fünf Jahren vor dem Eröffnungsantrag oder danach gemäß § 297 InsO n. F. versagt worden ist,
  • die Restschuldbefreiung in den letzten drei Jahren vor dem Eröffnungsantrag oder danach gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 5, 6 oder 7 InsO n. F. oder gemäß § 296 InsO n. F. oder gemäß § 297a InsO n. F. aus Gründen des § 290 Abs. 1 Nr. 5, 6 oder 7 InsO n. F. versagt worden ist.

Damit wird zugunsten des Schuldners die alte Frist verkürzt. Auch findet die Sperrfrist-Rechtsprechung des BGH Eingang in das Gesetz. Der Restschuldbefreiungsantrag ist nur dann zulässig, wenn dem Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Eröffnungsantrag oder danach Restschuldbefreiung nicht wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung von Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten, der Nichtabgabe bzw. Nichtvorlage erforderlicher Erklärungen und Verzeichnissen oder Verstößen gegen die Erwerbsobliegenheit versagt worden ist. Die gesetzliche Sperrfristenaufzählung ist abschließend.

Mit dem Antrag auf Restschuldbefreiung muss der Schuldner erklären, ob Unzulässigkeitsgründe nach § 287a Abs. 2 InsO n. F. vorliegen und die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung versichern (§ 287 Abs. 1 Satz 4 InsO n. F.).

Erteilung der Restschuldbefreiung

Das Ziel aus der Sicht des Schuldners, die Erteilung der Restschuldbefreiung, erfolgt durch einen gerichtlichen Beschluss nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Insolvenzverwalters und des Schuldners, sofern die Abtretungsfrist (sechs Jahre nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, siehe § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO n. F.) ohne vorzeitige Beendigung verstrichen ist (§ 300 InsO n. F.). Eine vorzeitige Beendigung kann auf Antrag des Schuldners erfolgen. § 300 Abs. 1 Satz 2 InsO n. F. führt hier folgende Fälle auf:

  • jederzeit, wenn der Schuldner die Kosten des Verfahrens und sämtliche Masseverbindlichkeiten berichtigt und – soweit vorhanden – sämtliche Tabellengläubiger (§ 38 InsO) befriedigt sind,
  • nach Ablauf von drei Jahren der Abtretungsfrist, wenn die Insolvenzmasse zur Befriedigung der Verfahrenskosten, sämtlicher Masseverbindlichkeiten und mindestens 35 % der Forderungen der Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) ausreicht,
  • nach Ablauf von fünf Jahren der Abtretungsfrist, wenn der Schuldner zumindest die Kosten des Verfahrens berichtigt.

Neu ist, dass nach § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO n. F. der Antrag nur zulässig ist, wenn Angaben gemacht werden über die Herkunft der Mittel, die an den Treuhänder geflossen sind und die über die Beträge hinausgehen, die von der Abtretungserklärung erfasst sind.

Es wird sich zeigen, ob Schuldner in der Lage sein werden, derartige Quoten (35 %) aufzubringen, um das Verfahren reell abzukürzen. Das wird in der Regel nur möglich sein, wenn diese „Vorsorge“ getroffen haben oder ihnen die Liquidität von dritter Seite zur Verfügung gestellt wird. Für Schuldner, die erwägen, im europäischen Ausland ein (eher kostspieliges) Insolvenzverfahren zu durchlaufen, um eine schnellere Restschuldbefreiung zu erlangen, ist in jedem Fall die Neuregelung eine wirkliche und rechtssichere Alternative.

Versagung der Restschuldbefreiung

Nach der bisherigen Regelung konnten Gläubiger den Versagungsantrag ausschließlich im Schlusstermin stellen (§ 289 Abs. 1 Satz 1 InsO a. F.). Nach der neuen Regelung können Gläubiger, die Forderungen im Insolvenzverfahren angemeldet haben, Anträge zur Versagung jederzeit stellen. Versagungsanträge müssen dem Gericht spätestens im Schlusstermin vorliegen (§ 290 Abs. 2 InsO n. F.). Das Insolvenzgericht entscheidet über die Erteilung der Restschuldbefreiung nach dem Schlusstermin (§ 290 Abs. 2 Satz 2 InsO n. F.).

§ 290 Abs. 1 InsO n. F. regelt folgende Versagungsgründe:

  • Verurteilung zu einer Straftat nach den §§ 283–283c StGB mit Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Antrag auf Verfahrenseröffnung,
  • vorsätzliche oder grob fahrlässige schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben des Schuldners über seine wirtschaftlichen Verhältnisse, um damit Kredit zu erhalten oder öffentliche Leistungen zu erhalten oder zu ersparen, innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Antrag auf Verfahrenseröffnung,
  • vorsätzliche oder grob fahrlässige Beeinträchtigung der Insolvenzgläubiger durch Begründung unangemessener Verbindlichkeiten, Vermögensverschwendung oder verzögerter Insolvenzantragstellung innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Antrag auf Verfahrenseröffnung,
  • vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung von Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten im Sinne der Insolvenzordnung durch den Schuldner,
  • vorsätzliche oder grob fahrlässige unrichtige oder unvollständige Angaben in der nach § 287 Abs. 1 Satz 3 InsO n. F. abzugebenden Erklärung bzw. den nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO vorzulegenden Verzeichnissen,
  • schuldhafte Verletzung der Erwerbsobliegenheit nach § 287b InsO, sofern dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger schuldhaft beeinträchtigt wird.

Im Falle eines nachträglichen Bekanntwerdens kann noch ein Versagungsantrag gestellt werden (§ 297a InsO n. F.). Der Antrag ist innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntwerden zu stellen und einschließlich der bisherigen Unkenntnis vom Versagungsgrund glaubhaft zu machen (§ 297a Abs. 1 Satz 2 und 3 InsO n. F.).

Widerrufsgründe

Auch wurden die Widerrufsgründe in § 303 Abs. 1 InsO neu geregelt. Ein Widerruf greift in den folgenden drei Fällen:

  • Es stellt sich nachträglich heraus, dass der Schuldner vorsätzlich Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger erheblich beeinträchtigt hat.
  • Es stellt sich nachträglich heraus, dass der Schuldner während des Laufs der Abtretungsfrist oder nach vorzeitiger Erteilung der Restschuldbefreiung nach einer in § 297 InsO genannten Straftat verurteilt worden ist.
  • Der Schuldner verletzt nach vorzeitiger Erteilung der Restschuldbefreiung Auskunfts- und Mitwirkungspflichten im fortdauernden Insolvenzverfahren.

Widerrufsanträge der Gläubiger sind innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung zu stellen (§ 303 Abs. 2 Satz 1 InsO n. F.).

In § 300a InsO n.F. hat eine Regelung zum Neuerwerb im laufenden Insolvenzverfahren Eingang in das Gesetz gefunden. Verstreicht danach die Laufzeit der Abtretungserklärung oder liegen die Voraussetzungen für eine frühzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung vor, so gehört das Vermögen, das der Schuldner während des Insolvenzverfahrens erwirbt (Neuerwerb), nicht mehr zur Insolvenzmasse, wenn dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt wird. Damit soll erreicht werden, dass der Schuldner, wenn sich das Insolvenzverfahren über eine Zeitdauer von mehr als sechs Jahren verzögert, keine Nachteile erleidet.

Deliktforderungen

Letztlich erfolgte auch eine Neuregelung der Deliktforderungen. Von der Erteilung der Restschuldbefreiung sind die sogenannten Deliktforderungen (§ 302 Nr. 1 InsO) nicht betroffen, wie auch Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO gleichgestellten Verbindlichkeiten des Schuldners (§ 302 Nr. 2 InsO), ferner Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden (§ 302 Nr. 3 InsO).

Fazit

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass durch die Gesetzesänderung dem Schuldner nun die Möglichkeit eröffnet wird, das Insolvenzverfahren erheblich schneller mit einer Restschuldbefreiung zu beenden. Dies kann er auch schon weit vor dem Zeitpunkt von drei Jahren erreichen, wenn die Gläubiger einem jetzt möglichen Insolvenzplan zustimmen. Allerdings braucht der Schuldner hierfür Liquidität.

Der praktische Ablauf wird sich daher zukünftig so gestalten (wenn der Schuldner durch Dritte über Liquidität verfügt), dass der Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Insolvenzplan vorlegt. Wird hierdurch eine Erhöhung der Quote der Insolvenzgläubiger erreicht, kann er mit einer Zustimmung rechnen. Erreicht er keine Zustimmung, kann er nach drei Jahren gemäß § 300 Abs. 1 Nr. 2 InsO n. F. die Restschuldbefreiung erhalten, wenn die Insolvenzgläubiger nach Tilgung der Verfahrenskosten mindestens 35 % ihrer Forderungen erhalten. Bei im Vorfeld einer Insolvenz geführten Verhandlungen werden die Parteien sich daher zukünftig mit diesem hypothetischen Ablauf auseinandersetzen müssen.

Dabei und auch in allen anderen Fragen zur Privatinsolvenz stehen wir Ihnen gerne zur Seite.