BGH präzisiert in einem aktuellen Urteil die Anforderungen an einen Rangrücktritt zur Vermeidung der Überschuldung
Ein Rangrücktritt wird regelmäßig dann zwischen Gläubiger und Schuldner vereinbart, wenn in einer Krise der Gesellschaft die bestehende Verbindlichkeit zur Vermeidung einer insolvenzrechtlich relevanten Überschuldung in einem Überschuldungsstatus nicht passiviert werden soll. In seinem aktuellen Urteil vom 5. März 2015, Az.: IX ZR 133/14, hat der BGH klargestellt, dass § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO über seinen Wortlaut hinaus nicht nur auf den Rangrücktritt von Gesellschaftern, sondern auch auf außenstehende Gläubiger anwendbar ist.
Ebenso müsse ein Rangrücktritt auch immer den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfassen, auch wenn im Gesetz nur der „Nachrang im Insolvenzverfahren“ postuliert wird. Anderenfalls könne im Überschuldungsstatus die Schuldendeckungsfähigkeit nicht zutreffend abgebildet werden.
In dem Urteil hat der BGH auch zu weiteren wichtigen Aspekten eines Rangrücktritts zur Vermeidung der Überschuldung eines Unternehmens Stellung genommen.
Geklagt hatte im vorliegenden Fall ein Insolvenzverwalter. Der Schuldnerin, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, waren von außenstehenden Gläubigern Darlehen gewährt worden, die jeweils mit folgendem Rangrücktritt versehen waren:
„Die Gläubigerin tritt mit ihrem Anspruch auf Rückzahlung des Nominalbetrages und ihrem Anspruch auf Zinszahlung dergestalt im Rang hinter die Forderungen aller bestehenden und künftigen Gläubiger der Schuldnerin zurück, dass sie erst nach Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und, soweit ein Liquidationsüberschuss oder ein die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigendes vermögender Gesellschaft hierfür zur Verfügung steht, nur zugleich mit, im Rang jedoch vor den Einlagenrückgewähransprüchen der Gesellschafter der Schuldnerin Erfüllung dieser Ansprüche verlangen kann. Der Nachrang gilt auch im Insolvenzverfahren. Der Rangrücktritt gilt nur, solange und soweit durch eine teilweise oder vollständige Befriedigung der Gläubigerin eine Überschuldung oder eine Zahlungsunfähigkeit im insolvenzrechtlichen Sine der Schuldnerin entsteht oder zu entstehen droht.“
Der Kläger verlangt Zinszahlungen zurück, die ein gutes halbes Jahr vor Insolvenzeröffnung auf die mit dem o.g. Rangrücktritt versehenen Forderungen geleistet wurden. Die Tatsacheninstanzen wiesen die Klage ab, der BGH hob die Berufungsentscheidung auf und verwies die Sache zurück.
Der BGH ist der Auffassung, der Kläger könne die Zinszahlungen zurückfordern, da diese Zahlungen aufgrund des im Rangrücktritts nicht einbringbar und deshalb eine Zahlung ohne Rechtsgrund seien. Zudem habe der Kläger einen Anspruch aus § 134 Abs. 1 InsO, da die Zinszahlungen unentgeltlich im insolvenzrechtlichen Sinn erfolgt seien.
Die (nachträgliche) Rangrücktrittsvereinbarung sei ein Schuldänderungsvertrag gemäß § 311 BGB, aufgrund dessen die Forderung mit dinglicher Kraft dahingehend umgewandelt werde, dass sie nicht mehr zu passivieren sei. Geändert werde der Rang, aber nicht der Bestand der Forderung, sodass auch bestehende Sicherheiten unberührt bleiben. Damit wird der Qualifikation des Rangrücktritts als ein bedingter Forderungserlass oder eine Stundungsvereinbarung eine Absage erteilt.
Der BGH sieht damit die rangrücktrittbehaftete Verbindlichkeit als eine Nichtschuld an. Diese Einordnung hat zur Folge, dass trotz Insolvenzreife erfolgte Leistungen auf eine mit Rangrücktritt versehene Forderung zurückgefordert werden können, denn der Schuldner habe infolge der Schuldänderung auf eine Nichtschuld geleistet, mithin hat sich in der Rangrücktrittsvereinbarung eine Durchsetzungssperre verwirklicht.
Der Schuldner hätte nur mit Rechtsgrund geleistet, wenn die Rangrücktrittsvereinbarung vorher aufgehoben worden wäre. Da der BGH die Rangrücktrittsvereinbarung jedoch als einen Vertrag zugunsten Dritter im Sinne von § 328 Abs. 1 BGB qualifiziert, kann eine Änderung oder Aufhebung der Rangrücktrittsvereinbarung nur noch mit Zustimmung aller begünstigten Gläubiger erfolgen. Die Aufhebung der Rangrücktrittserklärung ohne die Mitwirkung der begünstigten Gläubiger ist demnach nur zulässig, wenn eine Insolvenzreife des Schuldners nicht vorliegt oder beseitigt wurde.
Da der BGH von einer Leistung auf eine Nichtschuld ausgeht, fehle es auch an der Entgeltlichkeit der Leistung im insolvenzrechtlichen Sinne, da die insolvenzrechtliche Unentgeltlichkeit eine Einigung über die Unentgeltlichkeit nicht voraussetzt. Das hat zur Folge, dass die – unentgeltliche – Leistung in den letzten vier Jahren vor Antragstellung gemäß § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar ist.
Mit seiner Entscheidung hat der BGH zu etlichen Aspekten der Rangrücktrittsvereinbarung klar Stellung bezogen. Da auch die steuerliche Seite eines Rangrücktritts erhebliche Konsequenzen haben kann, so z. B. ein Passivierungsverbot nach § 5 Abs. 2a EStG, welches einen sofortigen Buchgewinn auslöst, ist bei der Formulierung eines Rangrücktritts weiterhin höchste Sorgfalt geboten, um einerseits die gewünschte Wirkung zu erreichen und nicht andererseits unerwünschte Nebenwirkungen zu produzieren.