Langzeiterkrankte können Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht immer durchsetzen
Seit Langem wird eine Debatte über die Urlaubsabgeltungsansprüche von Langzeiterkrankten geführt. Nach einem Urteil des EuGH (Urteil vom 20.01.2009, Az. C 350/06 und C 520/06) soll der gesetzliche Anspruch auf Mindesturlaub auch nach Ablauf des Übertragungszeitraums nicht erlöschen. Dies gilt, sofern der Arbeitnehmer während des gesamten Zeitraums arbeitsunfähig war und die Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses andauerte. Der ausscheidende Arbeitnehmer kann somit bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Urlaubsabgeltung verlangen.
Jüngst hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) über zwei Fälle der Urlaubsabgeltung Langzeiterkrankter zu entscheiden (Urteile vom 09.08.2011 – 9 AZR 352/10 und 9 AZR 425/10). In beiden Fällen blieb die Klage auf Abgeltung ohne Erfolg. Dennoch ist zu beachten, dass der o. g. Grundsatz des EuGH-Urteils in den vorgenannten Entscheidungen unberührt geblieben ist und weiterhin Bestand hat.
Im einen Fall war der Arbeitnehmer so rechtzeitig in einem Kalenderjahr wieder gesund, dass er den ihm zustehenden Urlaubsanspruch aus Vorjahren in diesem Kalenderjahr hätte nehmen können. Stattdessen hat der Arbeitnehmer den Urlaubsanspruch aus Vorjahren erst ein Jahr später geltend gemacht. Damit ist der Übertragungsgrund nach § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) entfallen, es lag kein vom Arbeitnehmer nicht zu vertretener Grund (etwa Arbeitsunfähigkeit) vor. Im zweiten Fall ist es lediglich den Ausschlussfristen zu verdanken, dass der Arbeitgeber keine finanzielle Abgeltung zahlen musste. Der Anspruch auf Abgeltung entstand als sofort fällige Geldforderung mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses und unterlag damit den einzel- und tarifvertraglichen Ausschlussfristen. Der Arbeitnehmer hatte die für ihn geltende tarifvertragliche Frist von sechs Monaten nicht beachtet und den Anspruch auf Zahlung erst ein knappes Jahr später geltend gemacht.
Da beide Urteile zugunsten der Arbeitgeber dem säumigen Verhalten der Arbeitnehmer in eigener Sache zuzurechnen sind, ist die Problematik grundsätzlich unverfallbarer Urlaubsansprüche somit noch nicht entschieden und wird weiterhin Gegenstand von Diskussionen sein.
Auf europäischer Ebene wird derzeit die tarifvertragliche Regelung zur Begrenzung von Übertragungszeiträumen vor dem Hintergrund diskutiert, dass eine unbegrenzte Ansammlung von Urlaubsansprüchen nicht geboten sei, um den Erholungszweck zu gewährleisten.
Aufgrund der aktuellen Rechtslage ist weiterhin mit Urlaubs- und insbesondere Abgeltungsansprüchen von Langzeiterkrankten zu rechnen. Zu prüfen ist jedoch stets, ob der Anspruch nicht möglicherweise bereits erloschen und gar nicht mehr durchsetzbar ist. Hierzu beraten wir Sie im Einzelfall gerne.