Bundesarbeitsgericht: Aussagen über persönliche Empfindungen des Arbeitgebers sind im Arbeitszeugnis nicht erforderlich
Nach Angaben von Richtern verschiedener Arbeitsgerichte sind Auseinandersetzungen über die Formulierungen von Arbeitszeugnissen für die involvierten Richter sehr unerfreulich. Es überrascht daher nicht, dass derartige Auseinandersetzungen im besonders hohen Maße mit einem Vergleich beendet werden. In bestimmten Punkten kann aber auch der gutwilligste bzw. nervlich strapazierteste Richter auf keinen vermittelnden Vergleich hinwirken, nämlich konkret bei Aussagen über persönliche Empfindungen des Arbeitgebers in einer Schlussformel von Zeugnissen.
Problemstellung und Fallkonstellation
In einem Urteil vom 11. Dezember 2012 (9 AZR 227/11) hatte das Bundesarbeitsgericht darüber zu entscheiden, ob der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Ergänzung oder Umformulierung der Schlussformel eines Arbeitszeugnisses hat, wenn er mit der aufgenommenen Schlussformel nicht einverstanden ist. In dem betreffenden Fall erteilte die Beklagte dem Kläger ein Zeugnis mit einer überdurchschnittlichen Beurteilung. Es endete dann mit den Sätzen: „Herr X scheidet zum [Datum] aus betriebsbedingten Gründen aus unserem Unternehmen aus. Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.“
Der Kläger war der Auffassung, die Schlussformel entwerte sein gutes Zeugnis massiv. Dies geschehe dadurch, dass der Schlusssatz keinen Dank für die bisherige Zusammenarbeit beinhalte. Bei einem sonst sehr guten Zeugnis entspräche es der Üblichkeit und auch der Erwartung eines potenziellen neuen Arbeitgebers, dass dem Arbeitnehmer am Ende des Zeugnistextes für die Zusammenarbeit gedankt und ihm für die Zukunft privat und auch beruflich alles Gute gewünscht werde. Dies geschieht in der Regel so, dass im Arbeitszeugnis persönliche Empfindungen des Arbeitgebers wie Bedauern über das Ausscheiden des Arbeitnehmers, Dank für die geleistete Arbeit oder gute Wünsche für die Zukunft zum Ausdruck gebracht werden.
Die Argumentation des Klägers ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Eine gute oder sehr gute Leistungsbeurteilung könnte entwertet werden, wenn eine Schlussformel fehlt. Genau wie bei der Leistungsbewertung nach dem Notensystem äußere der Arbeitgeber in einer Schlussformulierung nicht seine wahrhaftige, aufrichtige Emotion, sondern kommt allgemeinen Standards und Höflichkeitsformen nach (vgl. LAG Düsseldorf v. 03. November 2010 - 12 Sa 974/10).
Eine Studie der Universität Erlangen-Nürnberg vom Mai 2011 (Düwell/Dahl, NZA 2011, 958) hat ergeben, dass eine Schlussformel allgemeiner Standard ist. Nach dieser Studie sollen 98 % (!) der untersuchten Zeugnisse eine Schlussfloskel aufweisen.
Die aktuelle Rechtslage nach dem Bundesarbeitsgericht
Das BAG verneinte nun den Anspruch auf eine Dankes- und Grußformel im Arbeitszeugnis. Der Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses ergibt sich aus § 109 Gewerbeordnung (GewO). Gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GewO sei der Arbeitgeber aber nur verpflichtet, Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit zu machen und diese Angaben auf Wunsch des Arbeitnehmers um Angaben zu Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis zu ergänzen.
Eine doppelte Leistungsbeurteilung wird nicht verlangt
Aus § 109 Abs. 1 GewO lasse sich keine Verpflichtung des Arbeitgebers ableiten, Schlusssätze, die auf die Gesamtnote abgestimmt sind, zu formulieren. Denn eine solche Verpflichtung würde im Ergebnis nur bedeuten, dass der Arbeitgeber die bereits abgegebene Leistungs- und Verhaltensbeurteilung mit anderen Worten noch einmal formelhaft wiederhole. § 109 Abs. 1 GewO verlange eine solche Verpflichtung zur „doppelten“ Leistungs- und Verhaltensbeurteilung nicht.
Das BAG hat im konkreten Fall allerdings offengelassen, ob der von der Beklagten verwendete Schlusssatz aufgrund der überdurchschnittlichen Leistungs- und Verhaltensbeurteilung im Zeugnis ein Geheimzeichen i. S. d. § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO enthält. Selbst wenn in der Formulierung: „Wir wünschen ihm für die Zukunft alles Gute“ aufgrund des fehlenden Dankes für die langjährige Zusammenarbeit ein Geheimzeichen zu sehen wäre, führe dies nicht zu einem Ergänzungsanspruch. Sei der Arbeitnehmer mit einer vom Arbeitgeber in das Zeugnis aufgenommenen Schlussformel nicht einverstanden, könne der Arbeitnehmer nur die Erteilung eines Zeugnisses ohne diese Formulierung verlangen, so das BAG.
Praktische Auswirkungen
Nach dieser Entscheidung des BAG wird der geschulte Leser von Arbeitszeugnissen mit größerem Interesse in einem Zeugnis danach Ausschau halten, ob eine Dankes- und Grußformel enthalten ist. Letztlich, so steht zu vermuten, wird dann die Endbewertung dadurch entschieden, ob das Zeugnis mit oder ohne Schlussformel, d. h. Dankes- und Grußformel erteilt worden ist.