Es ist nicht der Gesellschafter, der für die Gesellschaft in der Krise haftet. Nein, es ist der Geschäftsführer, der in die Haftungsfalle gerät. bdp-Partner Dr. Aicke Hasenheit erläutert das Wann und Wie.
Oft wird vermutet, dass der Gesellschafter haftet, wenn es in einer Gesellschaft schlecht läuft. Das ist falsch! Vielmehr ist es der Geschäftsleiter, vulgo der Geschäftsführer, der in die persönliche Haftungsfalle geraten kann.
Die Haftung des Gesellschafters ist grundsätzlich bei einer Kapitalgesellschaft auf seine Einlage beschränkt. Ausnahmen bestehen z. B. lediglich bei einer offensichtlich „führungslosen“ Gesellschaft oder bei sogenannten „Firmenbestattungen“. Der Geschäftsführer hingegen haftet persönlich unbegrenzt, wenn er den Tatbestand der einschlägigen Haftungsnormen erfüllen sollte. Bei einer GmbH wäre dies insbesondere die Haftungsnorm nach § 64 GmbHG (neben der Haftung nach § 43 GmbHG).
Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung
Nach § 64 GmbHG haftet der Geschäftsführer für Zahlungen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Dieser Anspruch wird immer dann virulent, wenn die Gesellschaft einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt hat. Für die insolvente Gesellschaft macht dann der Insolvenzverwalter diese Ansprüche geltend.
Im Regelfall bahnt sich eine Insolvenz allmählich an. Im Verlauf der Entwicklung tritt irgendwann der Zeitpunkt ein, wo entweder die Gesellschaft nach § 17 Insolvenzordnung (InsO) zahlungsunfähig oder nach § 19 Insolvenzordnung überschuldet ist. Verpasst der Geschäftsführer diesen Zeitpunkt und stellt keinen Insolvenzantrag, haftet er persönlich mit seinem gesamten Vermögen bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 64 GmbHG für jede einzelne Zahlung, die die Gesellschaft nach diesen Zeitpunkt leistete. Innerhalb kürzester Zeit kommen so oft riesige Beträge zusammen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Geschäftsführers in der Regel überschreitet. Nach § 64 Satz 1 GmbHG haftet der Geschäftsführer also, da er trotz Insolvenzreife der Insolvenzschuldnerin den Betrieb fortführte.
Maßgeblich ist nur die insolvenzrechtliche Überschuldung
Der Insolvenzverwalter muss in einem Haftungsprozess daher darlegen, dass der Geschäftsführer trotz Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ohne positive Fortführungsprognose den Betrieb fortführte. Nach der Rechtsprechung muss der Insolvenzverwalter beweisen, dass zum Zeitpunkt jeder einzelnen Zahlung, die er gegen den Geschäftsführer geltend macht, die betreffende Gesellschaft im insolvenzrechtlichen Sinne entweder überschuldet oder zahlungsunfähig war. Maßgebend ist dabei nur eine insolvenzrechtlicheÜberschuldung; eine rein bilanzielle Überschuldung ist hier nicht relevant.
Allerdings sind die Regelungen zur insolvenzrechtlichen Überschuldung seit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz von 2008 tendenziell entschärft (Stichwort „positive Fortführungsprognose“). Eine positive Fortführungsprognose schließt nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO eine insolvenzrechtliche Überschuldung aus.
Der geänderte Überschuldungsbegriff in § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO wurde im Jahr 2008 (wieder) eingeführt. Grund waren die dramatischen Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise. Der Gesetzgeber war im Herbst 2008 gezwungen, rasche Maßnahmen zur Marktstabilisierung zu treffen, da andernfalls der Großteil der deutschen Wirtschaft, insbesondere im Finanzsektor, einen Insolvenzantrag hätte stellen müssen. Im Oktober 2008 verabschiedete daher der Deutsche Bundestag das Finanzmarktstabilisierungsgesetz, in welchem der Überschuldungsbegriff in der Insolvenzordnung in § 19 Absatz 2 InsO geändert worden ist.
Positive Fortführungsprognose setzt Überschuldung aus
Danach liegt bei einer positiven Fortführungsprognose keine Überschuldung vor. Nur bei einer negativen Fortführungsprognose muss ein Insolvenzantrag bzw. ein Überschuldungsstatus nach Liquidationswerten erstellt werden. Im Ergebnis wurde damit der Insolvenzgrund der Überschuldung ausgesetzt. Der Gesetzgeber hat dann am 09. November 2012 beschlossen, die eigentlich nur bis zum 31. Dezember 2013 befristete Regelung zur insolvenzrechtlichen Überschuldung (§ 19 Abs. 2 InsO) auf Dauer beizubehalten. Es gilt daher jetzt, dass keine insolvenzrechtliche Überschuldung vorliegt, wenn „die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist“.
Deshalb können auch Sanierungsbemühungen dazu führen, dass der Bestand des Unternehmens nachhaltig gesichert und „eine Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist“.
Zahlungsunfähigkeit bzw. Zahlungseinstellung als Insolvenzgrund
Weiterer Insolvenzgrund ist die Zahlungsunfähigkeit bzw. in verschärfter Form die Zahlungseinstellung. Grundsätzlich ist von einer Zahlungseinstellung dann auszugehen, wenn zum Stichtag nicht unbeträchtliche Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen wurden. Eine Zahlungseinstellung ist von der bloßen Zahlungsstockung abzugrenzen. Von einer Zahlungseinstellung ist erst dann auszugehen, wenn die Liquiditätslücke länger als drei Wochen besteht (vgl. BGH, Urteil vom 30.6.2011, IX ZR 134/10).
Keine Zahlungseinstellung liegt vor, wenn der Schuldner Zahlungen verweigert hat, weil er Forderungen für unbegründet hält (Zahlungsunwilligkeit). Daher kann es nicht ausreichen, dass Forderungen lediglich zur Insolvenztabelle angemeldet sind, da nicht ersichtlich ist, ob deren Berechtigung im Streit steht bzw. vom Insolvenzverwalter selbst bestritten wird. Diese Forderungen können nicht berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 17.5.2001, IX ZR 188/98). Ein generalisierender Vortrag des Insolvenzverwalters zu Forderungsanmeldungen genügt daher nicht!
Zahlungsunfähigkeit muss ggf. durch Gutachten nachgewiesen werden
Bestreitet der Geschäftsführer in einem Klageverfahren die Zahlungseinstellung, muss in der Regel die behauptete Zahlungsunfähigkeit durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachgewiesen werden, um darzulegen, dass eine Liquiditätsbilanz im maßgebenden Zeitraum eine Deckungslücke von mehr als 10 % auswies (vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2014, IX ZR 287/13) und es nicht möglich war, 90 % der fälligen Verbindlichkeiten in diesen drei Wochen zu bezahlen. Nach der Rechtsprechung des BGH sind die zum Stichtag der Zahlungsunfähigkeitsprüfung verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu den am selben Stichtag fälligen und ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten zu setzen (BGH ZInsO 2013, 190, 192).
Damit ein Geschäftsführer haftet, muss ihm ein Verschulden nachgewiesen werden!
Der Geschäftsführer hat grundsätzlich die Pflicht zur Aufrechterhaltung des Betriebes, um Sanierungsversuche und Chancen für eine Übertragung des Geschäftsbetriebes und der Geschäftsanteile nicht zu schmälern. Der Geschäftsführer muss bei Sanierungsaussichten mit dem Ziel der Unternehmensveräußerung flexibel handeln. Dem Geschäftsführer kann daher nicht der Vorwurf gemacht werden, dass er während konkret laufenden Vertragsverhandlungen über die Veräußerung der Gesellschaft den Geschäftsbetrieb aufrecht erhielt, indem er die haftungsrelevanten Zahlungen auslöste.
Garantiert muss dabei der Erfolg dieser Sanierung nicht sein. Es genügen gute Chancen für eine Sanierung (vgl. BGH vom 12. Mai 2016, IX ZR 65/14). Konnte dem Vorhaben dagegen aus der Perspektive des Geschäftsführers von vorneherein keinerlei Realisierungschance zugebilligt werden, wäre dies für den Geschäftsführer schädlich. Konnte der Geschäftsführer auf Chance vertrauen, würde es an dem für eine Haftung nach § 64 GmbHG erforderlichen Verschulden mangeln.
Steuerberater bzw. Wirtschaftsprüfer müssen bei Jahresabschluss Fortführungsfähigkeit prüfen
In diesen Kontext gehört auch eine neuere Entscheidung des BGH (26. Januar 2017 - IX ZR 285/14). Der BGH entschied, dass soweit für eine Kapitalgesellschaft ein Insolvenzgrund vorliegt, eine Bilanzierung nach Fortführungswerten ausscheidet, wenn innerhalb des Prognosezeitraums damit zu rechnen sei, dass das Unternehmen noch vor dem Insolvenzantrag im Eröffnungsverfahren oder alsbald nach Insolvenzeröffnung stillgelegt werden muss. Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater bzw. Wirtschaftsprüfer sei verpflichtet zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können.
Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater bzw. Wirtschaftsprüfer habe nach der Ansicht des BGH seinen Mandanten auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfende Prüfungspflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen. Macht der Steuerberater bzw. Wirtschaftsprüfer hierauf nicht aufmerksam, und stellt er den Jahresabschluss zu Fortführungswerten auf, ergibt sich aus der Sicht des Geschäftsführers keine insolvenzrechtliche Überschuldung und ein Verschulden scheint daher nicht vorzuliegen. Allerdings sollte ein Geschäftsführer sehr vorsichtig mit dieser Wertung umgehen. § 64 Satz 2 GmbHG nimmt sogenannte erlaubte Zahlungen von der Haftung aus. Hier hat die Rechtsprechung Fallgruppen gebildet.
Vorsicht bei D&O-Versicherung: Ist die Haftung für Zahlungen nach Insolvenzreife gedeckt?
Sehr wichtig für die Haftung eines Geschäftsführers nach § 64 GmbHG ist eine jüngere Entscheidung des OLG Düsseldorf (20. Juli 2018, Az. I-4 U 93/16, ZIP 2018, 1542), die im Zusammenhang mit einem Beschluss des OLG Celle vom 01. April 2016, Az. 8 W 20/16 steht. Nach beiden obergerichtlichen Entscheidungen sollen Haftungsansprüche aus § 64 GmbHG nicht (mehr) in den Schutzbereich eines D&O-Versicherungsvertrages (Directors-and-Officers-Versicherung, auch Organ- oder Manager-Haftpflichtversicherung) fallen. D.h., sollte ein Geschäftsführer haften, kann er auch nicht durch einen D&O-Versicherungsvertrag eine Haftungsfreistellung erreichen.
Derartige D&O-Versicherungen waren bislang sehr sinnvoll, um das Risiko der Geschäftsführer einzudämmen. Ob diese Entscheidungen tatsächlich zutreffend sind, ist äußerst fraglich. Die überzeugenderen Argumente sprechen dafür, dass Haftungsansprüche nach § 64 Satz 1 GmbHG vom Deckungsschutz der D&O-Versicherung umfasst sind. Der BGH konnte zu dem Thema bislang nicht abschließend Stellung nehmen.
Geschäftsführer sollten daher gegenwärtig unbedingt von ihrem Versicherer die Deckung von Ansprüchen aus § 64 Satz 1 GmbHG (§ 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG i. V. m. § 92 Abs. 2 AktG, § 130a Abs. 2 Satz 1 HGB; auch für Aufsichtsräte und Beiräte) gesondert bestätigen lassen. Bei Neuabschlüssen muss auch diese Deckung ausdrücklich erteilt werden, da sonst ein Abschluss einer D&O-Versicherung wenig sinnvoll erscheint. Zu beachten ist auch, dass D&O-Versicherungen nur begrenzt haften. Die Haftungssumme darf hier nicht zu niedrig angesetzt werden, ein Haftungsschutz würde vom Ergebnis her sonst ins Leere laufen, da der Geschäftsführer bei einer Haftung wirtschaftlich auch außer Gefecht gesetzt wäre.
Wenn Sie Fragen zur Geschäftsführerhaftung haben, sprechen Sie uns bitte an.