Die steuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen wird zur Never-Ending-Story: Als jüngste Wendung erkennt ein BMF-Schreiben die Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne von vor dem 08.02.2017 doch wieder an.
Die Kurzfassung
Nachdem der BFH den Sanierungserlass verworfen hat, der Gesetzgeber eine wegen ausstehender EU-Genehmigung noch nicht in Kraft getretene gesetzliche Regelung für die Zukunft eingeführt hat, das BMF für Altfälle eine Vertrauensschutzregelung herausgebracht hat, die der BFH wiederum verworfen hat, gibt es nun ein BMF-Schreiben vom 29.03.2018, welches besagt, dass die BFH-Urteile über die Verwerfung der Vertrauensschutzregelung nicht anzuwenden sind. Alles klar?
Die Geschichte im Einzelnen
Im Rahmen von Sanierungen von Unternehmen kommt es fast immer zu Maßnahmen, um die erdrückende Schuldenlast zu mindern. Dazu wird meist ein (Teil-)Erlass von Schulden vereinbart. Bestehen diese Schulden dann nicht mehr, sind sie in der Finanzbuchhaltung gewinnerhöhend aufzulösen. Vielfach entsteht dann eine Steuerbelastung, die den Sanierungsmaßnahmen zuwiderläuft. Daher gab es früher die gesetzliche Steuerfreiheit nach § 3 Abs. 66 EStG. Diese wurde zum 01.01.1998 abgeschafft.
Finanzverwaltung führt Billigkeitsmaßnahme ein
Nach ein paar Jahren ohne Steuerbefreiungsvorschrift merkte die Verwaltung, dass dies wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, insbesondere nach Überführung der Konkursordnung in die Insolvenzordnung mit dem Ziel der Unternehmenssanierung statt der Unternehmenszerschlagung.
BFH verwirft Sanierungserlass
Somit führte die Verwaltung mit BMF-Schreiben vom 27.03.2003 mit dem Erlass der Steuer auf Sanierungsgewinne durch Schuldenerlasse eine Billigkeitsmaßnahme ein. Jahrelang klappte dies gut. Dann klagte ein Unternehmen, das diesen Steuererlass nicht bekommen hatte. Mit Urteil vom 28.11.2016 (veröffentlicht am 08.02.2017) verwarf der BFH diesen unternehmensfreundlichen Sanierungserlass. Die Verwaltung habe ihre Kompetenzen überschritten. Der Gesetzgeber hat die Steuerfreiheit aufgehoben, da kann die Verwaltung diese nicht wiedereinführen.
Finanzverwaltung gewährt Vertrauensschutz
Nach dem Urteil hat die Finanzverwaltung in einem weiteren Schreiben vom 27.04.2017 für alle Fälle bis zum 07.02.2017 einen Vertrauensschutz gewährt. Gleichzeitig wurde der Gesetzgeber aktiv und hat mit den § 3a EStG und § 7b GewStG mit Wirkung ab 08.20.2017 die Steuerfreiheit entsprechend dem BMF-Schreiben aus 2003 normiert. Damit war die Entwicklung aber noch nicht beendet.
BFH erklärt Vertrauensschutzregelung als nicht gesetzeskonform
Mit Urteil vom 23.08.2017 hat der BFH nun wieder der Vertrauensschutzregelung als nicht gesetzeskonform eine Absage erteilt. Der BFH führt aus, dass allein der Gesetzgeber das Recht hat, eine Steuerbefreiung auszusprechen. Weiterhin hätte der Gesetzgeber die neue Steuerfreiheit im neuen Gesetz auch rückwirkend anwenden können. Dies hat er ausdrücklich nicht gemacht.
BMF veröffentlicht Nichtanwendungserlass
Jetzt springt mit BMF-Schreiben vom 29.03.2018 die Verwaltung den notleidenden Unternehmen wieder zur Seite. Es gibt einen Nichtanwendungserlass für die Urteile vom 23.08.2017. Meist wird dieses Mittel angewandt, wenn der Verwaltung unliebsame Urteile nicht gefallen. Hier wird mal für die Unternehmen entschieden. Derzeit haben also auch alle Altfälle gegenüber der Verwaltung die Möglichkeit den Steuererlass zu bekommen. Hoffentlich macht die eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht doch noch ein Strich durch die gut gemeinte Rechnung.
Für den Zeitraum ab 08.02.2017 gibt es derzeit noch kein wirksames Gesetz. Der Vorschrift ist zwar vom Gesetzgeber zugestimmt worden, sie steht aber noch unter dem Vorbehalt der Genehmigung der EU-Kommission. Diese steht derzeit noch aus.
(Zwischen-)Fazit
Neben der rechtlichen Grundlage im Gesetz hat die Neuregelung einen sehr wichtigen Vorteil. Bisher war der Sanierungserlass nur für das Finanzamt bindend. Bei der Gewerbesteuer ist für Billigkeitsmaßnahmen aber die Gemeinde/Stadt zuständig. Dort wurden sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Nicht alle Gemeinden wollten die Steuererlässe auch gewähren. Nun gilt die Steuerfreiheit über § 7b GewStG auch für die Gewerbesteuer. Die Steuerfreiheit wird bereits bei der Ermittlung des Gewerbeertrags gewährt. Die Gemeinde bekommt somit schon einen „bereinigten“ Gewerbesteuermessbetrag.