Multiple Krisen mit vielfältigen Auswirkungen setzen dem Mittelstand insbesondere bei der Finanzierung zu. Wir stellen in einer Serie Lösungsansätze vor und beschreiben zunächst das aktuelle Marktumfeld.
Verschärfung der Krisensituation
Die Wirtschaft lebt in einer Zeit der multiplen Krisen. Trotz auslaufender Corona-Krise hat sich die Welt ab 2022 nochmals fundamental verändert. Neben den bereits existierenden Krisen wie zum Beispiel der Klimakrise, dem Fachkräftemangel und der Flüchtlingskrise stehen nun zusätzlich noch neue Themen wie die Inflation oder die Sicherung des Energiebedarfs auf der Agenda.
Eine großer Krisentreiber ist der Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine, dessen Folgen zu starken Belastungen nicht nur der Bevölkerung, sondern gleichermaßen auch der Unternehmen führen. Damit ursächlich verbunden ist eine stark gestiegene Inflationsrate, gepaart mit Kaufkraftverlusten der Endverbraucher. Dies betrifft nicht nur Deutschland, sondern gilt weltweit.
Eine Untersuchung des IBE (Institut für Beschäftigung und Employability) zeigt: Durchschnittlich ist jedes Unternehmen nicht nur von einer Herausforderung allein betroffen, sondern hat drei unterschiedliche Krisen gleichzeitig zu bewältigen. Zwei Krisen ragen dabei heraus:
- 53 Prozent der befragten Führungskräfte fühlen sich von der derzeitigen Energiekrise besonders stark betroffen.
- 50 Prozent nennen den demografischen Wandel und den damit verbundenen Fachkräftemangel als entscheidenden Risikofaktor.
Bedrohungen durch Cyberkriminalität sowie die Klimakrise scheinen für viele Unternehmen noch nicht greifbar und daher von nachrangiger Bedeutung zu sein. Nur jeder Fünfte schätzt diese Krisen aktuell bereits als reelle Bedrohung ein.
Online-Handel profitiert, stationärer Handel steht unter Druck
Als Folge der Corona-Krise sind die Umsätze im Online-Handel rasant angestiegen. Im Gegensatz dazu gerät der stationäre Handel zunehmend unter Druck. Dies gilt vor allem für den Non-Food-Sektor, der überproportional von dieser Entwicklung betroffen ist. Die Auswirkungen auf die Innenstädte sind größtenteils verheerend, variieren allerdings stark je nach Größe und Attraktivität der Stadt.
Während vor allem Metropolen kaum betroffen sind und eher noch zulegen, steht zukünftig in kleinen und mittelgroßen Städten sogar die Versorgungsfunktion des Handels infrage. Shoppingcenter verfügen über bessere Voraussetzungen, müssen sich allerdings auch selbst neu erfinden.
Hohe Inflationsrate und steigende Zinsen
Die Inflationsrate in Deutschland − gemessen als Veränderung des Verbraucherpreisindex (VPI) zum Vorjahresmonat – lag im März 2023 bei +7,4 % (Quelle: Destatis). Die Inflationsrate hat sich damit gegenüber den Monaten 1/2023 und 2/2023 um 1,3 % abgeschwächt, bleibt jedoch auf hohem Niveau. Damit verbunden sind geringere Reallöhne und Kaufkraft auf privater Seite.
Zur Inflationsbekämpfung hat die EZB die Leitzinsen erhöht, was – wie nachfolgend erläutert – Auswirkungen auf die Unternehmensfremdfinanzierung hat.
Auswirkungen steigender Zinsen: Fremdfinanzierung wird ernstes Thema
Viele Unternehmen stehen weiterhin vor einer schwierigen Finanzlage. Das drängendste Problem ist der Eigenkapitalrückgang. Infolge des anhaltenden Preisdrucks bei Energie, Rohstoffen und Vorleistungsgütern sowie den gestiegenen Arbeitskosten sehen wir bei den Unternehmen zunehmende Liquiditätsengpässe. Das zeigt sich auch bei den Forderungsausfällen, mit denen jedes zehnte Unternehmen konfrontiert ist. In den Ergebnissen wird deutlich, dass die Fremdkapitalfinanzierung nach Jahren eines einfachen Zugangs und vergleichsweise niedriger Zinsen wieder zu einem ernsten Thema für viele Unternehmen wird.
Viele Betriebe mussten bereits in der Corona-Pandemie vermehrt Fremdkapital aufnehmen. Nun gilt es, steigende Kosten beispielsweise mit mehr Betriebsmittelkrediten aufzufangen. Gleichzeitig erfordern Investitionen – etwa für die Transformation – wegen des Eigenkapitalrückgangs der letzten zwei Jahre vermehrt Fremdkapital.
Die Betriebe starten in diesen Prozess mit einem höheren Verschuldungsgrad als in der Vergangenheit und bekommen gleichzeitig die verschärften Kreditvergaberichtlinien der Banken sowie steigende Zinsen zu spüren. Dementsprechend berichtet jedes zehnte Unternehmen über einen erschwerten Fremdkapitalzugang und über eine hohe Fremdkapitalbelastung.
Dabei gilt im Grundsatz: Je kleiner das Unternehmen, desto kritischer stellt sich die Finanzlage dar. Daraus ergibt sich für die Fremdkapitalbesorgung der Unternehmen: Hoher Bedarf aber erschwerter Zugang und höherer Zinsaufwand.
Anhand des 3-Monats-Euribor ist gut ersichtlich, dass sich seit Beginn der multiplen Krisen Anfang 2020 die Zinsen im kurzfristigen Bereich um circa 3,5 % erhöht haben.
Sofern die Unternehmen im langfristigen Bereich auslaufende Festzinsdarlehen in erheblichen Größenordnungen haben, erhöht sich das Zinsänderungsrisiko nochmals. Dies kann bei einer hohen Fremdverschuldung zu einer Überforderung der Ertragslage führen.
Vorinsolvenzliche oder auch insolvenzliche Problemlösung
Unternehmen mit stationärem Handel, insbesondere Ketten, haben eine Kostenkrise, da mit dem Wegfall von Umsätzen ein Anpassungsprozess stattfinden muss. So müssen langfristige Mietverträge, langfristige Leasingverträge und ähnliche Verbindlichkeiten angepasst werden. Dieser Prozess geht in Gesprächen mit den Gläubigern selten einvernehmlich aus.
In diesem Zusammenhang kann über eine vorinsolvenzliche oder auch insolvenzliche Problemlösung nachgedacht werden. Als Entscheidungsgrundlage wird dabei allerdings eine mittel- bis langfristige integrierte Finanzplanung benötigt, die bspw. bdp als Dienstleistung anbietet. Nicht selten helfen solche Ansätze einem Gläubiger oder Vermieter dabei, über seinen „Schatten“ zu springen.
Lösungsansätze für angemessenes Krisenmanagement
Über detaillierte Lösungsansätze der vorgenannten Probleme berichten wir in den nächsten Ausgaben von bdp aktuell. Wir werden dabei ausführlich auf mögliche Veränderungen der Finanzierungsarchitektur eingehen und Umschuldung, Stundung, alternative Finanzierungen, Mezzaninekapital, Leasingverträge, Sale-and-lease-back etc. analysieren. Wir werden auch betrachten, welche Möglichkeiten es gibt, Fördermittel oder (Heizkosten-)Zuschüsse zu beantragen. Nicht zuletzt wollen wir prüfen, welche Optionen ein Sanierungsgutachten nach IDW S6 für einen professionell aufgesetzten Restrukturierungsprozess eröffnen kann und wie dieser dann konzipiert und durchgeführt wird.
Wird forgesetzt