Im internationalen Handel ist der Erfolg vor einem deutschen Gericht wenig wert, wenn der Titel nicht auch im Ausland vollstreckt werden kann.
Deutschlands Exporte boomen seit Jahren und tragen maßgeblich zu unserer starken Wirtschaft bei. Hinter jedem Exportvorgang steht ein Auftrag – und damit ein Vertrag, sei er mündlich, per E-Mail, per Fax oder feierlich bei einer Zeremonie geschlossen worden. Verträgen kommt im internationalen Geschäftsverkehr damit eine herausragende Bedeutung zu. Wir wollen Ihnen mit diesem und weiteren Beiträgen einen Überblick über die Besonderheiten bei der Gestaltung internationaler Verträge verschaffen und Sie auf die „Fußangeln“ aufmerksam machen.
Gerichtsstand und Wahl des anwendbaren Rechts – scheinbar siamesische Zwillinge
Wer innerhalb Deutschlands einen Vertrag schließt, versucht oft, einen Gerichtsstand am Sitz seines Unternehmens zu vereinbaren, um so zumindest den Aufwand für Reisen, z. B. zur obligatorischen mündlichen Verhandlung, zu vermeiden. Im innerdeutschen Rechtsverkehr müssen wir uns auch keine Gedanken darüber machen, welches Recht anwendbar ist: Es ist immer das deutsche.
Im internationalen Geschäft steht man aber immer vor der Frage, wo ggf. ein Rechtsstreit zu führen und welches Recht anwendbar ist.
Ein Beispiel: Der deutsche Händler aus Hamburg verkauft eine Werkzeugmaschine zum Preis von 250.000 Euro an seinen chinesischen Kunden in Shanghai. Nach der Lieferung der Maschine streitet man über den Kaufpreis und die Qualität der Maschine.
Daraus ergibt sich eine Vielzahl denkbarer Fallkonstellationen:
- Einheit aus Gerichtsstand und anwendbarem Recht, also: deutsch-deutsch oder chinesisch-chinesisch?
- Gerichtsstand in Deutschland, aber chinesisches Recht anwendbar?
- Gerichtsstand in China, aber deutsches Recht anwendbar?
- Kann der Gerichtsstand auch z. B. in der Schweiz und Schweizer Recht anwendbar sein?
Die Beantwortung dieser Fragen kann sehr komplex werden. Und die Antworten darauf können aus deutscher und aus chinesischer Sicht anders ausfallen: Je nachdem, wer eine Antwort auf die Fragen sucht, prüft sie vor dem Hintergrund seiner eigenen Rechtsordnung.
Daher liegt es auf der Hand, auch im internationalen Rechtsverkehr Vereinbarungen über den Gerichtsstand und das anwendbare Recht zu treffen. Und aus deutscher Sicht sollte man meinen, dass „deutsch-deutsch“ die beste Wahl ist. Diese Hypothese gilt es zu überprüfen!
Vereinbarungen über den Gerichtsstand
Zuerst die gute Nachricht: Grundsätzlich können in Deutschland (und der EU) Vereinbarungen über den Gerichtsstand getroffen werden. Auch viele Staaten außerhalb der EU dürfen im internationalen Geschäft mit ihren Vertragspartnern Vereinbarungen darüber treffen, wo der Gerichtsstand ist. Doch bereits hier ist Vorsicht geboten! Für Verfahren, welche z. B. die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person oder die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe zum Gegenstand haben, sind innerhalb der EU ausschließlich die Gerichte des Mitgliedsstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Gesellschaft oder juristische Person ihren Sitz hat, zuständig. Man sieht also: Sobald mehr als eine Rechtsordnung betroffen ist, kann es schnell unübersichtlich werden!
Wer klebt in Shanghai einen Kuckuck auf?
Was ist, wenn in unserem deutsch-chinesischen Beispielsfall beide Seiten eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung getroffen haben, sodann das Hamburger Unternehmen erfolgreich am Landgericht Hamburg auf Zahlung des Kaufpreises geklagt hat und ein rechtskräftiges Urteil in den Händen hält, aber der chinesische Kunde trotzdem nicht zahlt: Wer kann nun wie das Urteil vollstrecken? Wie funktioniert „Kuckuck aufkleben“ in Shanghai?
Die Vollstreckung stößt auf Schwierigkeiten, denn das Urteil eines staatlichen Gerichts ist ein Hoheitsakt der Bundesrepublik Deutschland, genauso wie ein Bußgeldbescheid oder ein Haftbefehl. Diese Hoheitsakte können zwar in Deutschland durchgesetzt werden aber nicht ohne Weiteres im Ausland. Dazu bedürfte es einer Anerkennung ausländischer Hoheitsakte in dem jeweiligen Land. Deutsche Urteile können z. B. auch in einigen Bundesstaaten der USA durchgesetzt werden, allerdings erst dann, wenn vorher ein sogenanntes Vollstreckungsverfahren durchgeführt wird. Eine Anerkennung deutscher Gerichtsentscheidungen basiert also entweder auf einer Vereinbarung (EU), oder der andere Staat regelt die Zulässigkeit nach nationalem Recht (US-Bundesstaaten).
Solche Regelungen fehlen aber im Verhältnis zu China! Das mühsam in Deutschland erstrittene Urteil wäre damit also ein „Tiger ohne Zähne“! Dies zeigt, dass der Gerichtsstand Deutschland jedenfalls dann, wenn aus einem deutschen Urteil im Ausland vollstreckt werden soll, nicht die beste Wahl sein muss.
Wer in China erfolgreich klagt, kann auch in China vollstrecken
An dieser Stelle ahnt man wahrscheinlich schon: Klagt das deutsche Unternehmen erfolgreich in China gegen den chinesischen Kunden, so kann er auch in China vollstrecken. Das gilt grundsätzlich auch für andere Länder, die deutsche Urteile nicht anerkennen.
Wenn der Unternehmer aber zur Durchsetzung seines Rechts auf die gerichtliche Hilfe in einem anderen Staat angewiesen ist, hängt er auch von der Qualität der Gerichtsbarkeit in eben diesem Land ab. Der deutsche Unternehmer sollte sich also vor Abschluss eines Vertrages fragen: Wo suche ich mein Recht und wo wird mein Vertragspartner sein Recht suchen, wenn er gegen mich vorgehen will?
Die Alternative: Schiedsgerichte
Es gibt Alternativen zur staatlichen Gerichtsbarkeit: die Schiedsgerichtsbarkeit. Die deutsche Rechtsordnung und auch die Rechtsordnungen vieler anderer Staaten erlauben es, Rechtsstreitigkeiten vor Schiedsgerichten statt vor staatlichen Gerichten auszutragen. Das gilt für inländische, aber auch für internationale Rechtsstreitigkeiten. Natürlich stellt sich auch hier wieder die Frage: Ist das Urteil des Schiedsgerichts in den jeweiligen betroffenen Staaten vollstreckbar? Die Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen ist u. a. in dem New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche geregelt, dem insgesamt 156 Staaten beigetreten sind. Aufgrund dieses Übereinkommens sind die Urteile von Schiedsgerichten in internationalen Handelsstreitigkeiten in den Vertragsstaaten vollstreckbar. Zu den Vertragsstaaten zählen u. a. so wichtige Handelsländer wie China oder Japan, aber auch eher „exotische“ Staaten wie Iran oder Lesotho.
Schiedssprüche müssen – auch in Deutschland – in aller Regel noch einmal durch staatliche Gerichte für vollstreckbar erklärt werden. Ganz ohne staatliche Gerichte wird man also nicht auskommen. Aber die Möglichkeiten, sich gegen die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs zu verteidigen, sind sehr eingeschränkt. Ein Unternehmen, das einen Schiedsspruch gegen sich gelten lassen muss, kann also nur noch auf Zeit spielen, muss am Ende aber mit einer Vollstreckung rechnen. Das schafft Rechtssicherheit!
Fazit: Es bleibt die Qual der Wahl
Wer im internationalen Geschäft tätig ist, sollte auch berücksichtigen, dass fremde Rechtsordnungen sein Geschäft berühren. Dies kann man mit kölscher Gelassenheit sehen und sich sagen: „Et hätt noch immer jot jejange.“ Dann muss man im Fall der Fälle im wahrsten Sinne des Wortes prüfen, wo man sein Recht sucht.
Oder man macht sich vor Abschluss eines Vertrages darüber Gedanken, wo was geschehen soll, wenn ein Rechtsstreit droht. Darüber muss man aber mit seinem Vertragspartner verhandeln und eine Einigung erzielen: Sowohl eine Regelung über den staatlichen Gerichtsstand als auch die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts bedürfen einer Vereinbarung! Dies führt manchmal dazu, dass aus Gründen der (vermeintlichen) Waffengleichheit der Gerichtsstand oder das Schiedsgericht in einem Drittland vereinbart wird; in unserem Fall also statt Deutschland oder China z. B. die Zürcher Handelskammer oder das Arbitration Institute of the Stockholm Chamber of Commerce zuständig wäre.
Das Gleiche gilt im Prinzip für die Wahl des anwendbaren Rechts. Dazu aber mehr in einer weiteren Ausgabe von bdp aktuell.