Im ersten Teil unserer Serie zur Bilanzanalyse erläutern wir Kennzahlen zur Vermögens- und Kapitallage
Planung und Analyse sind zur Steuerung eines Unternehmens immer wichtig. Das gilt auch und gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Bevor Kredite von möglichen Fremdkapitalgebern zugesagt werden, wird die Kreditwürdigkeit als Teil einer Ratingeinstufung z. B. im Rahmen von Jahresabschluss- oder Bilanzanalysen geprüft.
Vor diesem Hintergrund möchten wir Ihnen im Rahmen einer kleinen Serie gängige Kennzahlen und Analysemethoden vorstellen. Vereinzelt sind wir in unserer Beratungs- und Prüfungspraxis auf Unverständnis und auch in gewissem Umfang auf nur geringes Interesse an solchen Analysen getroffen. Oftmals besteht eine Scheu vor zu sperrigen oder nicht selbsterklärenden Begriffen. Wir stellen daher gängige Begriffe vor, die zumindest einen groben Überblick geben sollten. Wir weisen allerdings deutlich darauf hin, dass dadurch in keinem Fall eine detaillierte Analyse oder gar die Beratung im Hinblick auf eine mögliche Kennzahlenverbesserung ersetzt werden kann. Sprechen Sie uns hierzu gern an.
In unserem ersten Teil möchten wir Ihnen einige der gängigen Kennzahlen zur Vermögens- und Kapitallage im Rahmen der Bilanzanalyse vorstellen. Die Vermögens- und Kapitallage eines Unternehmens wird im Jahresabschluss im Wesentlichen durch die Bilanz – erweitert um entsprechende Anhangsangaben – dargestellt.
Ausgewiesen werden auf der Aktivseite das dem Unternehmen zur Verfügung stehende Vermögen (zum Beispiel Maschinen im Anlagevermögen), während auf der Passivseite die Form, wie dieses Vermögen finanziert wurde (ob Eigenkapital oder Fremdkapital) dargestellt ist. Dementsprechend teilen sich auch die Kennzahlen hier in die sogenannte Vermögensstrukturanalyse und in die Kapitalstrukturanalyse auf.
1. Vermögensstrukturanalyse
Die Vermögensstrukturanalyse wird dazu verwendet, um zu erkennen, wie sich das Vermögen eines Unternehmens zusammensetzt, sowie Aussagen darüber zu machen, wie lange die Dauer der Bindung des Vermögens im Unternehmen ist.
Vermögensintensität
Die sogenannte Vermögensintensität gibt Auskunft über den Anteil bestimmter Vermögensarten am Gesamtvermögen. Die Anlagenintensität ermittelt sich beispielsweise wie folgt:
Anlagenintensität = (Anlagevermögen : Gesamtvermögen) x 100
Hieran erkennt man, ob ein Unternehmen zum Beispiel einen hohen Anteil an Anlagevermögen besitzt und diese Vermögensanteile langfristig gebunden hat. Eine hohe Anlagenintensität kann Vor- und Nachteile haben. Die Anlagenintensität ist natürlich branchenbedingt sehr unterschiedlich (Produktionsunternehmen: eher hoch, Dienstleister: eher gering). Zu erkennen ist aber, inwieweit (z. B. bei Liquiditätsproblemen) Umlaufvermögen (Vorräte, Forderungen oder Bankbestände) kurzfristig zahlungswirksam verwendet werden können.
Anlagenabnutzungsgrad
Wichtige Informationen, ob ggf. vorhandenes Anlagevermögen im branchenüblichen Sinne veraltet ist, gibt auch die Kennzahl des Anlagenabnutzungsgrads, der sich wie folgt ermittelt:
Anlagenabnutzungsgrad = (kumulierte Abschreibungen des vorh. Anlagevermögens : Anschaffungskosten des Anlagevermögens) x 100
Working Capital
Das Working Capital („arbeitendes Kapital“) gibt ebenfalls Auskünfte über die Liquiditätssituation eines Unternehmens:
Working Capital = Umlaufvermögen – kurzfristiges Fremdkapital.
Stellt man das Working Capital wiederum ins Verhältnis zum Umlaufvermögen, so erhält man das „Working Capital Ratio“ in Prozent. Beträgt dies ca. 40 bis 50 % des Umlaufvermögens, so wird eine positive kurzfristige Liquidität unterstellt.
Umschlagshäufigkeit/Debitorenlaufzeit
Um herauszufinden, wie positiv sich die Umsatzrelation im Verhältnis zur Vermögenslage eines Unternehmens darstellt, sind verschiedenste Kennzahlen denkbar:
Umschlagshäufigkeit des Vermögens = (Umsatz : durchschnittl. Gesamtvermögen) x 100
Hieran ist erkennbar, wie oft das Vermögen in einem Jahr durch die Umsatzerlöse erwirtschaftet wird. Ein produzierendes Unternehmen hat dabei in der Regel eine eher geringere Umschlagshäufigkeit aufgrund der hohen Vermögensbindung.
Debitorenlaufzeit = (Forderungen aus L+L : Umsatzerlöse) x 365
Anhand der Debitorenlaufzeit ist zu erkennen, wie lange es dauert, bis die Kunden durchschnittlich ihre Außenstände beglichen haben.
Vermögensveränderungen
Bei der Vermögensveränderung kann man unterscheiden zwischen Änderung des Anlagevermögens und des Umlaufvermögens:
Änderung des Anlagevermögens = (Anlagevermögen der Periode : Anlagevermögen der Vorperiode) x 100
Änderung des Umlaufvermögens = (Umlaufvermögen der Periode : Umlaufvermögen der Vorperiode) x 100
2. Kapitalstrukturanalyse
Mit der Kapitalstrukturanalyse ist der Bilanz zu entnehmen, ob ein Unternehmen eher fremdfinanziert oder eher eigenfinanziert ist. Mit der Kapitalstrukturanalyse können zwei Ziele verfolgt werden:
- Identifizierung etwaiger Finanzierungsrisiken
- Erhalt von Informationen, ob ein Unternehmen kreditwürdig ist bzw. ob bestehende Kredite ggf. verlängert werden.
Die Passivseite der Bilanz lässt sich grundsätzlich in Eigenkapital und Fremdkapital (inkl. Rückstellungen und Verbindlichkeiten) untergliedern.
Eigenkapitalkennzahlen
Betrachtet man im Rahmen der Bilanzanalyse das vorhandene Eigenkapital, so muss man zunächst die Struktur des Eigenkapitals verstehen.
Das Eigenkapital einer Kapitalgesellschaft besteht aus folgenden Bestandteilen:
- Gezeichnetes Kapital
- Kapitalrücklagen
- Gewinnrücklagen
- Gewinnvortrag/Verlustvortrag
- Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag
Es gibt hierbei unterschiedliche Kennzahlen, die Auskünfte über das Eigenkapital liefern, wie z. B.:
Eigenkapitalquote = (Eigenkapital : Gesamtkapital) x 100
Besondere Bedeutung hat diese Kennzahl bei Kapitalgesellschaften, da es unkündbar ist (außer bei Ausschüttungen bzw. Kapitalherabsetzungen) und dem Unternehmen langfristig zur Verfügung steht. Eine hohe Eigenkapitalquote ist tendenziell positiv anzusehen.
Selbstfinanzierungsgrad = (Gewinnrücklagen : Gesamtkapital) x 100
Der Selbstfinanzierungsgrad gibt an, in welchem Umfang das Unternehmen in der Vergangenheit in der Lage war, selbst erwirtschaftetes Eigenkapital aus dem operativen Geschäft zu bilden.
Eigenkapitalrentabilität
Die Eigenkapitalrentabilität sagt dem Bilanzleser, welche Rendite das vorhandene Eigenkapital in einem Wirtschaftsjahr erbringt und ermittelt sich nach folgender Formel:
Eigenkapitalrentabilität = (Jahresüberschuss : Eigenkapital) x 100
Fremdkapital
Im Rahmen der Analyse des Fremdkapitals ist zunächst zwischen Rückstellungen und Verbindlichkeiten zu unterscheiden.
Innerhalb jeder Position ist es möglich, den jeweiligen Anteil zu ermitteln (z. B. Anteil der Pensionsrückstellungen an den gesamten Rückstellungen).
Die Fremdkapitalquote (entsprechend der Eigenkapitalquote) sagt aus, wie hoch der Anteil des Fremdkapitals am vorhandenen Vermögen ist:
Fremdkapitalquote = (kurz-/langfristiges Fremdkapital : Gesamtkapital) x 100
Der Verschuldungsgrad gibt Auskunft, wie hoch ein Unternehmen verschuldet ist. Ermittelt wird diese Kennzahl wie folgt:
Verschuldungsgrad = (Fremdkapital : Eigenkapital) x 100
Laufzeit der Verbindlichkeiten
Von Interesse ist für den Bilanzadressaten insbesondere, über welche Zeiträume das Fremdkapital zur Verfügung steht. Hier ist insbesondere auf eine Pflichtangabe im Jahresabschluss aus dem HGB (§ 285 Nr. 1 HGB, Restlaufzeiten der Verbindlichkeiten) zu verweisen.
3. Analyse der Deckungsgrade
Als weitere Möglichkeit der Bilanzanalyse ist eine Kombination zwischen der Vermögensstruktur- und der Kapitalstrukturanalyse in Form der Analyse der Deckungsgrade möglich. Denkbar ist eine Unterscheidung zwischen dem Deckungsgrad A und B (auch bekannt als „goldene Bilanzregel“).
Deckungsgrad A = (Eigenkapital : Anlagevermögen) x 100
Je größer der Deckungsgrad A ist, desto sicherer ist die Finanzierung des Anlagevermögens. Hier wird also die sog. Fris-tenkongruenz überprüft, d. h. ob z. B. die langfristigen Vermögensgegenstände eines Unternehmens ebenfalls mit langfristigem Kapital des Vermögens finanziert sind.
Deckungsgrad B = ((Eigenkapital+langfr. FK) : Anlagevermögen) x 100
Hierbei wird angenommen, dass langfristig ausgewiesenes Fremdkapital dem Unternehmen auch tatsächlich langfristig zur Verfügung steht und aus Planungsprämissen mit dem Eigenkapital zusammenzurechnen ist. Es gilt zu analysieren, ob einzelne Vermögensgegenstände mit solchen Mitteln finanziert werden, die genauso lange zur Verfügung stehen, wie das Kapital in den Vermögensteilen gebunden ist.
Natürlich ist eine weitere Verfeinerung der Analyse-Kennzahlen, auch bezogen auf einzelne Vermögensgegenstände denkbar. Sprechen Sie uns an.
In der folgenden Ausgabe von bdp aktuell möchten wir Ihnen bilanzanalytische Instrumente für die Ertragslage (Gewinn-und-Verlust-Rechnung) eines Unternehmens vorstellen.