Bestellen Gesellschafter Sicherheiten, müssen sich Gläubiger zunächst an diese Gesellschafter wenden
____Warum werden Forderungen, für die ein Gesellschafter eine Sicherheit bestellt, gesondert behandelt?
Durch die Möglichkeit der Anfechtung sollen grundsätzlich Vermögensverschiebungen, die Gläubiger benachteiligen, rückgängig gemacht werden. Mit dem MoMiG wurde Ende 2008 das bisher im GmbH-Recht angesiedelte Eigenkapitalersatzrecht in die Insolvenzordnung eingebettet, so dass auch dem Bestellen einer Sicherheit für eine Forderung, d.h. eine Darlehensforderung oder eine wirtschaftlich gleichgestellte Leistung, durch einen Gesellschafter nunmehr insolvenzrechtlich eigenkapitalersetzender Charakter beigemessen wird. Die besondere Behandlung von Gesellschafterdarlehen bzw. durch Gesellschafter gewährte Sicherheiten begründet sich in deren eigenkapitalersetzender Funktion. Gesellschafterdarlehen bzw. die Anfechtung ihrer Rückzahlung sind in § 135 Insolvenzordnung (InsO) geregelt. Dieser umfasst neben Gesellschafterdarlehen auch die Sicherheitengewährung durch einen Gesellschafter, da dies wirtschaftlichen den gleichen Gehalt hat. Die Anfechtung einer so gesicherten Forderung ist in § 135 Abs. 2 InsO geregelt. Danach sind Rechtshandlungen, insbesondere Zahlungen, anfechtbar, wenn die Gesellschaft als Schuldner einen Dritten im letzten Jahr vor Eröffnungsantrag befriedigt hat, wenn für diese Forderung des Dritten ein Gesellschafter eine Sicherheit bestellt hatte.
____Was bewirkt die Anfechtung? Welche Konsequenzen ergeben sich speziell für den Gesellschafter?
Hier unterscheidet sich das Insolvenzecht vom Zivilrecht. Die Anfechtung bewirkt im Gegensatz zum Zivilrecht nicht, dass das Rechtsgeschäft von Anfang an als nichtig anzusehen ist, sondern zieht als Rechtsfolge einen Rückgewähranspruch zur Insolvenzmasse nach sich. Grundsätzlich muss derjenige, der einen Vermögensgegenstand durch eine anfechtbare Rechtshandlung erhalten hat, diesen zur Insolvenzmasse zurück gewähren. Anders verhält es sich, wenn für die der Anfechtung unterliegende Forderung durch einen Gesellschafter Sicherheit bestellt war. Dann ist es gemäß § 143 Abs. 3 InsO nicht der Dritte, der die Leistung empfangen hat, sondern der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte. Der haftet beispielsweise als Bürge und muss die dem Dritten gewährte Leistung bis zur Höhe der gewährten Sicherheit zur Insolvenzmasse erstatten. Sofern es sich um dingliche Sicherheiten handelt, kann sich der Gesellschafter auch durch das zur Verfügung stellen dieser Gegenstände zur Insolvenzmasse von der Verpflichtung befreien.
____Was haben Gläubiger zu beachten, für deren Forderung ein Gesellschafter bürgt oder eine andere Sicherheit gewährt, wenn die schuldnerische Gesellschaft Insolvenz anmeldet?
Mit Inkrafttreten des Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) im November 2008 wurde die sogenannte Verwertungsreihenfolge durch § 44a InsO gesetzlich normiert. Bei Bestehen einer Gesellschaftersicherheit ist ein Gläubiger verpflichtet, sich zunächst an den Gesellschafter zu wenden, der die Sicherheit bestellt hat. Erst nach Verwertung der Sicherheit kann er, soweit noch erforderlich, anteilsmäßige Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen. Zu beachten ist, dass dabei schlicht praktische Probleme auftreten können, da sich insbesondere dingliche Sicherheiten nicht so schnell verwerten lassen aber auch die Bürgschaft eines Gesellschafters regelmäßig nicht kurzfristig zur Befriedigung herangezogen werden kann.
Der Aufwand für den Gläubiger ist erheblich höher. Er muss weitaus intensiver tätig werden als nur seine Forderung zur Tabelle anzumelden und nebenbei die Verwertung seiner Sicherheit zu betreiben. Er muss vor allem Sorge dafür tragen, dass er zügig feststellt, ob die ihm gewährte Sicherheit überhaupt werthaltig ist bzw. in welcher Höhe er Befriedigung aus der Sicherheit erhält, da er nur noch den verbleibenden Teil zur Tabelle anmelden kann. Und er muss dem Insolvenzverwalter im Fall der Unmöglichkeit der Verwertung der Sicherheit einen adäquaten Nachweis erbringen, dass er keine Befriedigung aus der Sicherheit erlangen kann. Sonst wird seine Forderungsanmeldung zur Tabelle nicht akzeptiert.
____Wie wirkt sich diese neue Regelung der Insolvenzordnung auf das Haftungsrisiko der Gesellschafter aus?
Das Haftungsrisiko für Gesellschafter hat sich hierdurch deutlich verschärft. Durch die nunmehr gesetzlich festgeschriebene „Verwertungsreihenfolge“ muss sich der Gesellschafter bei gegebenen Bürgschaften oder gestellten Sicherheiten im Klaren sein, dass diese weit mehr als nur Symbolcharakter haben und im Fall der tatsächlichen Inanspruchnahme auch seine persönliche Existenz gefährden können. Da der Gläubiger nunmehr gesetzlich zwingend an den Gesellschafter verwiesen wird, wird im Fall der Insolvenz die Sicherheit zur realen Tilgungsleistung.
____Welche Folgen sehen Sie aufgrund dieser nun gesetzlich fixierten Verwertungsreihenfolge?
Diese Veränderungen hemmen die Eigeninitiative des Einzelnen, weil die unternehmerischen Risiken weiter steigen. Die Angst vor der totalen wirtschaftlichen Existenzvernichtung dürfte so manchen vom Unternehmertum abhalten, so dass diese Regelung ganz allgemein als ein wirtschaftlicher Bremsklotz zu qualifizieren ist. Die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Einzelnen muss Berücksichtigung finden.