Den Anfang in unserer Interviewreihe „bdp persönlich“ macht Sara Zimmermann, seit Sommer 2020 Senior Consultant am bdp China Desk.
In einer losen Interviewreihe möchten wir Ihnen fortan einzelne Mitglieder des bdp-Teams persönlich vorstellen. Den Anfang macht Sara Zimmermann, die im vergangenen Jahr als Senior Consultant zum bdp China Desk gestoßen ist.
___ Frau Zimmermann, Sie haben ein sehr besonderes Studium absolviert, wie war Ihr Werdegang vor bdp?
Ich habe ganz klassisch damit angefangen, Chinesisch zu studieren – also Asienwissenschaften mit Schwerpunkt Chinesisch an der Universität Bonn. Chinesischlernen sah ich als Herausforderung und habe damals zunächst darüber nachgedacht, dies später mit einem Wirtschaftsstudium zu verbinden. Schnell habe ich gemerkt, dass mir dieser Studiengang sehr gut gefällt, weil es eine tolle Diversität bei den Mitstudierenden gab und somit der kulturelle und zwischenmenschliche Austausch sehr bereichernd war.
Innerhalb des Bachelors in Chinawissenschaften wurde uns bereits nahegelegt, auch für das Studium nach China zu gehen. Es gab die Auswahl zwischen Nanjing, Shanghai, Hongkong und Taiwan. Ich wollte ursprünglich gern nach Nanjing, bin aber letztendlich an der Hongkong University gelandet. Es hat mir mehr für mein Chinesisch gebracht, als ich dachte, weil ich so auch etwas Kantonesisch lernen konnte. Die kantonesische Sprache beinhaltet nicht nur fünf verschiedene „Töne“, sondern neun (aber Vorsicht, manche zählen das als vier bzw. sechs). Damit konnte ich mein Gehör auch für das Hochchinesisch weiter verbessern und Sprachnuancen einfacher erkennen.
Während meiner Semesterferien war es mir sehr wichtig Arbeitserfahrungen in Festlandchina zu sammeln, da Hongkong doch sehr international ist und ich mich noch stärker mit der Sprache umgeben wollte.
Ein erstes Praktikum absolvierte ich in einer Kunstgalerie in Yinchuan (Ningxia). Das ist eine sehr besondere Stadt, weil in der Region auch viele muslimische Chinesen leben. Es gab viele Moscheen und die Mischung aus arabischen und chinesischen Zeichen sowie das friedliche Miteinander zu sehen war faszinierend.
Auch das Essen war deutlich anders, deutlich mehr Nudelgerichte als in vielen anderen Regionen, in denen ich leben durfte. Ich hatte dort die einmalige Möglichkeit, noch tiefer mit der chinesischen Kultur in Kontakt zu kommen, da ich in der Ningxia-Kunstgalerie ein kleines bisschen chinesische Landschaftsmalerei und Kalligrafie sowie etwas über ursprüngliche chinesische Musik lernen konnte.
Zudem habe ich in einer Gastfamilie gelebt, die mir sehr viel über traditionelle chinesische Medizin und Essen als Medizin vermittelt hat. Die gesundheitlichen Vorteile von Ingwer, Reisbrei, Gojibeeren und Datteln zum Beispiel, weiß ich auch heute noch zu schätzen.
Später bekam ich die Möglichkeit in Shenyang (gilt u. a. als Zentrum für Maschinen- und Fahrzeugbau in China) einen europäischen Unternehmer bei der Eröffnung eines Restaurants zu unterstützen.
Anschließend folgte noch ein Aufenthalt in Qingdao in einer Agentur, die chinesische Gastfamilien und Praktikumsstellen vermittelt. Qingdao ist eine spannende Stadt, in der man noch immer deutsche Einflüsse findet, nachdem Qingdao mal deutsche Kolonie war. Es gibt deutsche Architektur, sogar Kirchen, man feiert das Oktoberfest und trinkt Qingdao-Bier, welches ursprünglich aus einer deutschen Brauerei stammt, aber sehr mild ist. Außerdem haben die Leute eine Vorliebe für gedämpftes Mantou-Brot, wobei ich nicht weiß, ob dessen Beliebtheit auch ein Teil des deutschen Einflusses ist.
Darauf folgte der Entschluss „Chinesisches Recht und Rechtsvergleichung“ zu studieren, ein Doppel-Master-Programm mit Doppel-Abschluss der Universitäten Göttingen und Nanjing, für dessen Zulassung ich zunächst das Studium der Grundlagen des deutschen Rechts vorweisen musste.
Auf dem Sinologie- und deutschen Rechtsverständnis aufbauend lernt man hier das chinesische Rechtssystem mit Schwerpunkt auf Wirtschaftsrecht. So konnte ich einige systemische Grundlagen, Rechtsgrundlagen und Sachverhalte in China besser verstehen lernen, gerade im direkten Vergleich mit dem deutschen System. Auch dass die Juristerei in China lange Zeit eher kritisch betrachtet wurde und es diesbezüglich den Begriff des „Rechtsverdrehers“ gibt, ist interessant. So wird deutlich, wie die Einstellung gegenüber dem Recht zwischen Ländern variieren kann. In den letzten Jahren hat sich das aber sehr stark verändert, und Anwalt ist ein anerkannter Beruf in China.
___ Wann waren Sie in Deutschland und wann in Nanjing?
Den ersten Teil des Studiums absolvierten wir in Göttingen, den zweiten Teil dann in Nanjing. Die Master-Arbeit schrieb ich allerdings als Masterandin wieder in Deutschland in einem deutschen Unternehmen. Es ging um die chinesische Salzmarktöffnung und -reform, die damals sehr aktuell war. Dabei untersuchte ich die Herausforderungen und Möglichkeiten eines deutschen Salzunternehmens im chinesischen Markt mit Schwerpunkt auf Compliance.
Für mich stellte sich heraus, dass die Lebensmittelindustrie in China für ausländische Unternehmen sehr heikel ist und besondere Schwierigkeiten birgt, da große Angst vor einem Lebensmittelskandal (wie damals die Problematik mit Milchpulver) mitschwingt. Lebensmittelsicherheit ist ein hochsensibles Thema in China, wie grundsätzlich alles, was die nationale Sicherheit betrifft. Wenn das Salz dann nicht nur im Lebensmittelbereich verkauft werden soll, sondern auch in anderen Branchen, zum Beispiel im Pharmabereich, gibt es viele Lizenzen, die errungen werden müssen, was für ausländische Unternehmen teilweise deutlich schwieriger sein kann.
Das Studium in Nanjing war eine sehr intensive Zeit für mich, da die Semester sich stark überschnitten und ich natürlich in Deutschland Hausarbeiten für die „Semesterferien“ hatte, die aber in der Realität für uns nicht stattfanden, da es zunächst in China nahtlos weiterging. Das war eine sehr arbeitsreiche, aber auch lehrreiche Zeit!
___ Haben Sie in Ihrer langen Zeit in China auch Dialekte lernen können?
Also richtig gelernt habe ich nur den kantonesischen Dialekt, aber lange nicht perfekt. Im Alltag kann ich ein Paar Sätze sprechen. Das hört sich nun wenig an, aber für mich ist es relativ viel. Wenn man zum Beispiel in Hongkong etwas Kantonesisch spricht, hilft es enorm, ins Gespräch zu kommen und Türen zu öffnen. Wenn man ein Gespräch auf Kantonesisch beginnt und erst nach einigen Sätzen auf Hochchinesisch wechselt, sind die Menschen oft offener.
___ In wie vielen Städten haben Sie in China gelebt?
In Hongkong, Shenyang, Huangdao in Qingdao, Yinchuan, Nanjing und Peking. Also insgesamt in sechs chinesischen Städten.
___ Wie haben Sie dann den Weg ins bdp-Team gefunden?
Direkt nach meinem Studium habe ich angefangen in Peking für die österreichische Handelskammer zu arbeiten. Dort haben wir österreichische Unternehmen beim Markteintritt in China unterstützt. Es ging häufig um Fragen in den Bereichen (Steuer)recht, Zoll, Zertifizierung (i.d.R. CCC), Schutz geistigen Eigentums, aber auch bspw. um den Lebensmittel-Import. In dieser Zeit musste ich privat noch viel dazulernen und habe verschiedene Formen der Weiterbildung genutzt.
In diesem Zusammenhang stieß ich auf einige Artikel von bdp – insbesondere zu Entsendung und Quellensteuer in China. Die Artikel haben, als einige der wenigen deutschen Beiträge zu den Themen, schwierige Sachverhalte deutlich klarer beschrieben als viele andere Publikationen. So wurde ich auf bdp aufmerksam.
Nach zweieinhalb tollen und lehrreichen Jahren in Peking wollte ich aber aus persönlichen Gründen wieder nach Deutschland zurück und hatte bdp im Hinterkopf. Daraus entstand dann eine Initiativbewerbung. Es gab dann noch einige Stolpersteine, da ich während der Pandemie (im Mai 2020) aus China ausreisen musste und sich das natürlich als sehr schwierig erwies. Nach drei gecancelte Flugreisen und einem Hin- und Her zwischen den Abflugflughäfen später konnte ich dann im Juli 2020 in Berlin bei bdp anfangen.
___ Inwiefern hilft Ihnen die Erfahrung aus China in der Zusammenarbeit mit Mandanten bei bdp?
Mir hilft die sprachliche Erfahrung ungemein. Ich habe lange daran gearbeitet, die Sprache zu lernen, und die meiste Zeit über in China mit Chinesen zusammengelebt. Dabei wurde mir bewusst, dass die Übersetzung vom Chinesischen ins Deutsche (oder in andere Sprachen) sehr nuanciert sein muss. Es geht nicht nur darum, die Worte zu übersetzen, sondern auch die Zwischentöne. Um Chinesisch „richtig“ verstehen zu können, ist es wichtig, die Konnotation einzelner Wörter zu kennen, genau wie kulturelle Hintergründe. Bei der Übersetzung und in Verhandlungen muss das mit bedacht und mit erklärt werden.
Das Bewusstsein, dass in China oft indirekter kommuniziert wird und das erlernte Verständnis dessen, was vielleicht nicht laut ausgesprochen, aber definitiv impliziert ist, hilft mir in meinem Alltag oft, eine Brücke zwischen der chinesischen und deutschen Seite zu bauen.
Ich bin noch lange nicht fertig mit meinem Sprachstudium, und ich lerne jeden Tag ein bisschen mehr dazu. Aber ich habe mit der Zeit ein Bewusstsein für die Sprache gewonnen. Man muss sich bei jeder Übersetzung vor Augen führen, dass das Übersetzen an sich sehr anfällig für Missverständnisse ist. Die wichtigsten Teile in der Kommunikation sind für mich kulturelle Aspekte. Wenn man diese den jeweils anderen Parteien vor Augen führt und erklärt, dann sind die Zusammenarbeit und die Arbeit in China für unsere Mandanten sehr viel einfacher.