Mit der absehbaren Zinswende verteuern sich klassische Hausbankfinanzierungen. Es ist höchste Zeit, sich um alternative Finanzierungsinstrumente zu bemühen.
Auch wenn die Europäische Zentralbank (EZB) bislang keine Anstalten gemacht hat, die Niedrigzinsphase zu beenden, so mehren sich doch die Anzeichen, dass die Zinswende in Europa langsam, aber sicher kommen wird. Damit steht auch eine alsbaldige Verteuerung der klassischen Hausbankfinanzierung an, die wiederum den Mittelstand dazu nötigen wird, alternative Finanzierungsinstrumente zu nutzen. Rainer Hübl, Finanzierungsexperte und Geschäftsführer der bdp Management Consultants GmbH, gibt einen Überblick über aktuelle Trends der Unternehmensfinanzierung im Mittelstand.
Die anziehende Inflation in Deutschland steigt auf 2,00 Prozent, die Kerninflation auf 1,50 Prozent. Realzinsen für Sparer aufs Tagesgeld werden deutlich sinken - auf minus 1,30 bis minus 1,70 Prozent. Der Leitzins in der Eurozone bleibt 2017 unverändert bei 0 Prozent. Der Einlagenzins der EZB bleibt unverändert bei minus 0,40 Prozent. Das sind die Prognosen für 2017. Es sollte sich aber kein Unternehmer sicher sein, dass diese Zahlen auch darüber hinaus die finanzpolitischen Rahmenbedingungen definieren werden.
Die Zinswende kommt (demnächst)
Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, hätte zwar das nötige Rüstzeug die Zinsen zu erhöhen. Doch statt die allseits von der deutschen Politik geforderte leichte Zinserhöhung vorzunehmen, bleibt es bislang still im EZB-Tower in Frankfurt/Main. Die Gretchenfrage lautet: „Wann kommt die Zinswende?“ Die Anzeichen dafür, dass sie bald kommen wird, mehren sich allerdings: Die US-Notenbank hat Mitte März zum dritten Mal seit Ende 2015 die Leitzinsen angehoben. Bis Ende 2019 könnte der US-Leitzins auf 2,5 bis 3,0 Prozent steigen.
Sollten die Zinsen auch hierzulande wieder anziehen, werden bonitäts- und liquiditätsschwache Unternehmen Schwierigkeiten bekommen, die Produktion für das gestiegene Auftragsvolumen vorzufinanzieren oder auslaufende Finanzierungen zu refinanzieren.
Finanzierungen werden teurer
Während sich einfache, besicherte Kreditfinanzierungen mit gutem Rating in aller Regel problemlos über die Hausbank finanzieren lassen, sind Alternativen erforderlich, sobald besondere Inhalte oder komplexere Transaktionen finanziert werden müssen.
Finanzierungsthemen verbinden sich dabei zunehmend mit unternehmerischen Strategiefragen und verkomplizieren sich durch die Breite der möglichen Alternativen. Hier ein Überblick der angesagten Optionen:
Factoring
Factoring ist als Finanzdienstleistung eine Finanzierungsquelle für mittelständische Unternehmen, die damit ihre Betriebsmittel umsatzkongruent finanzieren können. Damit „atmet“ quasi die Finanzierung. Der Vorteil des Factorings ist, dass das Asset „Forderung aus Lieferungen und Leistungen“ bei einer Factoringgesellschaft deutlich höher finanziert wird als bei einer Geschäftsbank.
Durch echtes Factoring verkürzt sich die Bilanz um Forderungen und Verbindlichkeiten und die Unternehmen verbessern damit ihre Liquiditätssituation und Eigenkapitalquote. Zusätzlich werden sie von den administrativen Aufgaben des Debitorenmanagements befreit.
Bei Auswahl der Factoringgesellschaft sollte man in der Regel einen Factorer mit Bankstatus auswählen, da dessen Refinanzierung abgesichert ist. bdp arbeitet mit diversen Factoringgesellschaften zusammen und kann bei der Auswahl unterstützen (vgl. bdp aktuell 140).
Strategische Partnerschaften
Die Angst vor dem Protektionismus geht um. Angetrieben von US-Präsident Donald Trump könnten Handelsbarrieren weltweit zuzunehmen. Insbesondere für Mittelständler ist dies ein enormes Risiko. Jetzt entscheidet sich in Märkten wie China, wer sich dort in Wachstumsbereichen wie Umwelttechnik, Anlagenbau u.a. an die Spitze setzt.
Wer da als kleineres Unternehmen jetzt nicht dabei ist, hat es hinterher schwer, eine starke Marktstellung aufzubauen. Deshalb werden strategische Partnerschaften immer wichtiger, um nicht alleine den steinigen Weg in ein neues Marktumfeld zu beschreiten (vgl. den Beitrag ab S. 6).
Auf einer Ost-China-Reise mit der China International Investment Promotion Agency (Germany) im Juni 2017 konnte bdp deutlich erkennen, dass chinesische Unternehmen zunehmend offener für Technologiekooperationen werden, dabei besteht mittlerweile sogar Bereitschaft, Minderheitsbeteiligungen einzugehen (vgl. den Beitrag S. 10). Deutsche Unternehmen können die Probleme beim Markteintritt damit erheblich reduzieren. Der chinesische Partner bringt nämlich in der Regel nicht nur umfassende Marktkenntnisse, ein etabliertes Vertriebsnetzwerk und wichtige administrative Kontakte in die Kooperation ein, sondern finanziert auch den Markteintritt sowie das künftige Wachstum.
Mit Blick auf die verstärkten Kapitalverkehrskontrollen der chinesischen Regierung (die sich in letzter Zeit allerdings wieder gelockert haben), ist das ein entscheidender Vorteil: Sehen die Behörden, dass eine Partnerschaft auch zu Investitionen im Land führt, erleichtert das die Genehmigung für Kapitalausfuhren erheblich.
Private Debt und internationale Banken im deutschen Fremdkapitalmarkt
Die Suche nach Rendite treibt verstärkt alternative Finanzierungspartner auf den deutschen Markt. Das sind beispielsweise ausländische Banken, die den deutschen Mittelstand als attraktiven Zielmarkt ausgemacht haben. Aber auch bankenunabhängige institutionelle Investoren wie Family Offices, Kreditfonds, Versicherungen oder Pensionsfonds suchen nach Anlagemöglichkeiten. Pensionsfonds investieren verstärkt in alternative Produkte wie Schuldscheindarlehen, weil die festgeschriebenen Garantiezinsen sonst nicht mehr erwirtschaftet werden können.
Für weiteren Auftrieb dürfte eine aktuelle Entscheidung der Bafin sorgen: Anbieter von Private Equity und Private Debt, aber auch Hedgefonds dürfen inzwischen offiziell Darlehen an Unternehmen vergeben. Damit befinden sich bankenunabhängige Kreditgeber in Deutschland nicht länger in einer gesetzlichen Grauzone.
Die alternativen Finanzierungspartner dürfen ihre Kredite zudem selbst restrukturieren, was bisher ausschließlich Banken im Sinne des KWG (Kreditwesengesetz) vorbehalten war. So können sie ihre Darlehensempfänger jetzt auch bei der Bewältigung schwieriger Finanzierungssituationen konstruktiv begleiten.
Wiederbelebung der Wachstumsfinanzierung über den Kapitalmarkt
Die Investitionsbereitschaft im Mittelstand befindet sich auf einem neuen Allzeithoch. Immer häufiger wird Wachstumskapital dabei im Rahmen sogenannter Club-Deals bereitgestellt. Hierbei handelt es sich um Eigen- oder Fremdkapital, das von wenigen Partnern, beispielsweise Family Offices oder branchenerfahrenen Einzelinvestoren, privat platziert und direkt an ein Unternehmen ausgegeben wird. Die Finanzierungsvolumina liegen im Bereich zwischen 1 und 80 Mio. Euro, Empfänger sind meist Firmen, die eher ein schwächeres Rating haben und sich in einer Expansionsphase befinden.
Während Club-Deals üblicherweise außerhalb des Kapitalmarkts ablaufen, soll die EU-Kapitalmarktunion Mittelständlern weitere Möglichkeiten bieten, ihre Geschäfte über den Kapitalmarkt zu finanzieren. Bis alle Maßnahmen der EU-Kapitalmarktunion vollständig umgesetzt sind, wird es allerdings noch Jahre dauern.
Neue Plattform im KMU-Segment
Die Deutsche Börse hat im KMU-Segment eine neue Plattform entwickelt (vgl. bdp aktuell 138). Anfang März startete „Scale“ und möchte Mittelständlern eine effiziente Möglichkeit der Eigenkapitalfinanzierung bieten. Scale ist ein privatrechtliches Börsensegment der Börse Frankfurt innerhalb des gesetzlich definierten Freiverkehrs.
Der Schwerpunkt von Scale liegt auf der Wachstumsfinanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen. Nach dem gescheiterten Neuen Markt ist dies ein erneuter Versuch, in Frankfurt ein Marktsegment für sogenannte Wachstumsfirmen zu etablieren. Insbesondere die Finanzierungslücke zwischen Venture Capital und Börse dürfte sich dadurch verringern.
Mit der Zinswende werden Banken wieder zurückhaltender
Die Zinswende wird voraussichtlich alsbald von den USA nach Europa exportiert. Dies wird die Nachfrage nach alternativen Finanzierungen stärken.
Verursacht durch die Niedrigzinsphase leiden viele Hausbanken unter niedrigen Betriebsergebnissen. Die Vergabepolitik hinsichtlich Krediten hatte sich deshalb deutlich gelockert. Dadurch ist aber auch das Kreditausfallrisiko gestiegen.
Steigen durch eine Zinswende nun die Zinsen, erhöht sich auch die Gefahr von Abschreibungen und Wertberichtigungen weiter. Für eigenkapitalschwache Kreditinstitute im Firmenkundengeschäft bedeutet dies, dass sie dann wieder sehr viel vorsichtiger agieren werden.
Für den Mittelstand heißt das, sich verstärkt um alternative Finanzierungsinstrumente bemühen zu müssen. Dabei begleiten wir Sie gerne mit unserer bewährten Expertise.