Wenn jetzt neue Aufträge kommen, aber die Liquidität aufgebraucht ist, muss vorfinanziert werden. Aber wie?
Nachdem viele Unternehmern die Krise überraschend schnell überstanden haben und in vielen Branchen wie Automotive, Elektrotechnik, Handel etc. die Auftragseingänge wieder steigen, zeigt sich bei vielen Unternehmen ein Finanzierungsbedarf, der typisch für einen Aufschwung nach der Krise ist. Weil durch den Einbruch 2008/2009 die Liquiditätsreserven vollkommen aufgebraucht wurden, müssen die neuen Aufträge jetzt komplett vorfinanziert werden: Der Aufschwung braucht Geld!
Während man aber in den Jahren 2005 bis 2008 noch vergleichsweise leicht an Fremdkapital herankam, sitzt das Geld nun bei Weitem nicht mehr so locker wie vor der Krise. bdp rät deshalb seinen Mandanten in dieser Situation, das gesamte Spektrum möglicher Finanzierungen zu durchforsten und auch zu nutzen. Einen Finanzierungsbedarf einfach nur bei seiner Bank anzukündigen, wird heute sicher nicht von Erfolg gekrönt sein.
Innenfinanzierung
Der erste Blick sollte stets auf die Innenfinanzierung gerichtet sein, denn dort kann das Unternehmen unter Umständen sofort Liquidität heben, ohne Finanzierungsanträge bei Banken, Objektfinanzierern oder anderen Finanzpartnern stellen zu müssen.
Der Blick geht dort zunächst auf die Laufzeiten der Debitoren und die Vorrats-Reichweite. In jedem Unternehmen gilt, dass es immer noch möglich sein muss, beide Parameter zu verbessern!
Sie bedürfen auch steter Aufmerksamkeit, denn die Erfahrung zeigt bedauerlicherweise, dass sich im Lauf der Zeit hier sowohl bei den Debitoren als auch beim Thema Vorratsbestände wieder Bequemlichkeiten einschleichen und sich Laufweiten bzw. Reichweite quasi naturwüchsig verlängern.
Hinsichtlich der Vorratsreichweite gilt es darüber hinaus, sämtliche Möglichkeiten zu prüfen, die Lieferanten an der Gewinnung der eigenen Liquidität zu beteiligen. Sei es durch Just-in-time-Lieferungen, Konsignationslager oder angepasste Zahlungskonditionen.
Gleiches gilt bei den Debitoren. Hier muss ein konsequentes Mahnwesen permanent praktiziert werden, um den Forderungsbestand möglichst gering zu halten. Auch hier geht es darum, das Gespräch mit den Debitoren über die Laufzeiten zu führen, selbst wenn dies manchmal für den Unternehmer unangenehm sein sollte. Die Erfahrung zeigt, nur wer wagt und das Gespräch sucht, wird auch den Finanzierungserfolg gewinnen. Freiwillig zahlt kein Kunde schneller!
Bei der Innenfinanzierung ist auf der Passiv-Seite noch die Verbindlichkeitenstruktur wichtig. Hier wäre im Kreditorenbereich darauf zu achten, entweder durch intelligente Kopplungsgeschäfte auf der Aktiv- und Passivseite möglichst niedrigere Lieferantenverbindlichkeiten auszuweisen (z. B. durch Factoring) oder vertraglich längere Zahlungsfristen zu vereinbaren.
Gewarnt werden muss jedoch unbedingt vor der Maßnahme, ohne Absprache Zahlungsziele eigenmächtig zu verlängern: Durch die mittlerweile technisch hochmodernen Überwachungssysteme von Kreditauskunftsdateien wird sich ansonsten eine ungenehmigte Zahlungszielüberschreitung negativ auf die Bonitätseinstufung des Unternehmens auswirken.
Außenfinanzierung
Bei der Außenfinanzierung geht es um die Zuführung von zusätzlichem Kapital, sei es Eigen- oder Fremdkapital.
Gehen wir einmal von der idealtypischen Variante aus, dass der Unternehmer selbst noch genügend private Mittel zur Verfügung hat, ist es sicherlich in der heutigen Zeit zu empfehlen, dem Unternehmen weiteres Eigenkapital zuzuführen. Dies bedeutet automatisch eine Verbesserung der Bonität und des Ratings, was wiederum einen Hebel für weitere Fremdkapitalaufnahmen darstellen kann.
Es stellt sich dann aber häufig die Frage, in welcher Form das Eigenkapital zugeführt werden soll. Hier bietet sich bei einer Kapitalgesellschaft zunächst die Kapitalerhöhung und damit die Erhöhung des Stamm- oder Grundkapitals an, aber auch die Zufuhr in die Kapitalrücklage oder die Gewährung von Genussrechten mit Eigenkapitalcharakter. Alternativ bleibt die schlichte Darlehensgewährung mit fester Laufzeit und Verzinsung. Wofür sollte sich der Unternehmer entscheiden?
Die Kapitalerhöhung ist das am deutlichsten sichtbarste Signal, hat jedoch den Nachteil, dass der Unternehmer im Bedarfsfall nicht so einfach wieder an sein Kapital herankommt. Kapitalherabsetzungsbeschlüsse sind nur langwierig und mit erheblichem formellen Aufwand umzusetzen. Eine Kapitalerhöhung sollte demnach nur dann durchgeführt werden, wenn das Kapital dem Unternehmen auch wirklich permanent und dauerhaft zur Verfügung gestellt werden soll.
Bleibt die früher häufig gewählte Form der Eigenkapitalzufuhr, nämlich die Einlage in die Kapitalrücklage. Dadurch ergeben sich gleich mehrere Fragenkomplexe:
- Unterschiede im Gesellschafterkreis: Die Einzahlung in die Kapitalrücklage bedeutet, dass das neue Kapital der Gesellschaft zusteht. Sofern mehrere Gesellschafter an der Kapitalgesellschaft beteiligt sind, fließt wirtschaftlich betrachtet allen Gesellschaftern ein Wertzuwachs durch diese Einlage in die Kapitalrücklage zu. Wenn das Geld also nicht von allen Gesellschaftern, paritätisch zu deren Gesellschaftsanteilen, zugeschossen wird, stellt sich die Frage, ob eine interne Gesellschaftervereinbarung über eine spätere abweichende Verwendung des Liquidationserlöses getroffen wird, um diese Ungleichbehandlung wieder auszugleichen.
- Ein weiteres Problem hat der Steuergesetzgeber geschaffen: Das Steuerrecht sieht nunmehr vor, dass vor der Rückzahlung aus einer Kapitalrücklage an die Gesellschafter zunächst sämtliche ausschüttungsfähigen Gewinne auszuschütten (und damit zu versteuern) sind. Es besteht somit faktisch eine starke Beschränkung für den Gesellschafter, an sein Geld in der Kapitalrücklage unbürokratisch wieder heranzukommen.
Eine Lösung dieses Problems könnte die Gewährung von Genussrechten an die Gesellschaft sein.
- Genussrechte können unterschiedlich ausgestaltet sein. Bei Langfristigkeit (länger als 5 Jahre) und mit weiteren Regelungen können sie als Eigenkapitalposition ausgestaltet werden. Sind sich dann Gesellschaft und Gesellschafter einig, kann eine Rückzahlung dieser Genussrechte erfolgen, ohne vorher sämtliche ausschüttungsfähigen Gewinne aus der Kapitalgesellschaft zunächst auszuschütten.
- Die ebenfalls sehr beliebte schlichte Darlehensgewährung ist formell sicherlich die einfachste Form der Eigenkapitalzufuhr. Ihr Nachteil ist, dass die Bilanzposition unter dem Fremdkapital zu finden ist. Gegebenenfalls ist sie bei einem gegebenen Rangrücktritt des Darlehensgebers im Überschuldungsstatus das Gesellschafterdarlehen nicht anzusetzen. Das Gesellschafterdarlehen ist also eine sehr flexible Option, bei der der Gesellschafter im Falle eines Falles auch wieder schnell an sein Kapital herankommt. Sie ist bonitätsmäßig jedoch die schwächste Form der Eigenkapitalzufuhr.
Woher soll das Eigenkapital kommen?
Geht man dann davon aus, dass der Gesellschafter nicht genügend eigene Mittel zur Verstärkung der Eigenkapitalposition besitzt, stellt sich für den Mittelstand im Jahr 2011 die Gretchenfrage, woher das Eigenkapital kommen soll: Welche Eigenkapitalpartner können angesprochen werden, sich am Unternehmen zu beteiligen?
Hier muss man sich strategisch entscheiden, ob man einen Finanzinvestor (z. B. eine Mittelständische Beteiligungsgesellschaft, die es in jedem Bundesland gibt) oder auch einen professionellen Finanzinvestor ins Unternehmen holen will. Oder will man eine strategische Partnerschaft mit einem Unternehmen aus der gleichen Branche, aus der Zulieferer- oder Käuferkette oder gar aus dem Wettbewerb eingehen? Diese Frage muss individuell für das jeweilige Unternehmen sauber analysiert werden. Erst dann sollte die Ansprache erfolgen. Bei der Durchführung dieser Ansprache sollte der Unternehmer professionell begleitet werden. Sonst ist die Gefahr groß, dass der Prozess zerfasert. Wer amateurhaft „mal guckt, wer da so kommt“ und „mal den einen oder anderen“ anspricht, fördert den automatischen Wertverzehr des Unternehmens!
Nein, es sollte mit profunder Kenntnis der Marktteilnehmer analysiert werden, welche Beteiligungspartner infrage kommen und diese dann in einer konzertierten Aktion angesprochen werden.
Es ist selbstverständlich, dass eine Ansprache nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn man den Business-Case des Unternehmens überzeugend darlegen kann: Nötig sind perfekt aufbereitete Unterlagen mit einer Ergebnis-, Liquiditäts- und Bilanzpostenplanung sowie einer Unternehmensbeschreibung. Der angesprochene potenzielle Partner sollte zudem zunächst durch einen Teaser (eine Seite) sehr schnell erkennen können, welche interessanten Investitionsaspekte das jeweilige Unternehmen bietet.
Voraussetzung für die Entscheidung, wer angesprochen werden soll, ist natürlich, dass man sich zuvor gründlich Gedanken gemacht hat, welche Art der Beteiligung man wünscht. Ist der Unternehmer zum Beispiel auch offen für eine echte Beteiligung am Stammkapital?
Oder möchte er eigentlich seine Gesellschaftsanteile selbst behalten? Dann würde sich die Möglichkeit einer stillen Beteiligung ergeben. Stille Beteiligungen sind vom Grundprinzip Fremdkapital, denn sie müssen wieder zurückgezahlt werden und sie werden in der Regel (recht hoch) verzinst. Ihr Vorteil ist es jedoch, dass sie meistens ohne Sicherheiten gegeben werden, mit Ausnahme der MGBs, die zumindest eine Garantenhaftung des Gesellschafters erwarten. Der Katalog der zustimmungspflichtigen Geschäfte wird jedoch auch bei einer stillen Beteiligung ähnlich gefasst sein wie in einem Beteiligungsvertrag mit einem offenen Beteiligungsgeber. Die Vor- und Nachteile müssen also sorgfältig analysiert werden.
bdp hat seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten einen profunden Überblick über die Finanzierungsszene, ist seit vielen Jahren Mitglied im BVK (Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften) und kann hier wertvolle Hilfestellungen auch bei der Ansprache und der Vertragsgestaltung bieten.
Reines Fremdkapital
Als letzte Option bleibt das reine Fremdkapital. Das reine Fremdkapital wird klassischerweise immer noch über die Geschäftsbanken vergeben und bedarf natürlich ebenso perfekt aufbereiteter Unterlagen. Was allerdings in den letzten Jahren stark zugenommen hat, ist die objektbezogene Spezialfinanzierung durch spezielle Objektfinanzierer. Dies kann im Leasing oder auch im Mietkauf erfolgen, Besicherungsobjekt ist dann meistens die anzuschaffende Maschine oder das Anlagegut.
Auch hier sollte man sorgfältig abstimmen, ob ein Antrag bei einem Objektfinanzierer gestellt werden soll oder ob bei der Hausbank ein Investitionskredit oder eine Kontokorrenterhöhung zur Vorratsfinanzierung beantragt werden sollte. Die logische Begründung, der hierzu passende und plausible Unternehmensplan und das Konzept sichern den Erfolg. Wer unbedarft und unvorbereitet Finanzierungsanträge stellt, wird es in 2011 noch schwerer haben als vor der Krise.
Ein Beispiel eines gelungenen mittelständischen Finanzierungskonzepts mit Einwerbung von Eigenkapital stellen wir Ihnen mit der TPS GmbH & Co. KG in dieser Ausgabe vor.