Warum Studenten jetzt unbedingt Quittungen sammeln und Steuererklärungen abgeben sollten
Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) können Auszubildende und Studenten ab sofort die Kosten ihrer Ausbildung von der Steuer absetzen. Rückwirkend für vier Jahre können die Ausgaben als Werbungskosten angerechnet werden. n-tv.de sprach mit dem Steuerberater Dr. Michael Bormann über die praktischen Auswirkungen des Urteils. Wer genau ist betroffen? Welche Kosten sind absetzbar? Und ist es ein Problem, wenn Studenten BAföG oder finanzielle Unterstützung der Eltern bekommen?
n-tv.de: Wer profitiert konkret vom Urteil des Bundesfinanzhofs?
Dr. Michael Bormann: Alle Menschen, bei denen Ausbildungskosten, aber kein Einkommen anfallen. In erster Linie sind das Studenten und Azubis, die sich nicht in einem Dienstverhältnis befinden, also bei ihrer Ausbildung kein Geld verdienen. Diese Gruppe kann die Kosten ihrer Ausbildung vortragen und damit die Steuerlast, wenn sie einmal anfangen Geld zu verdienen, senken.
____Das Urteil des BFH gilt rückwirkend.
Das ist richtig. Die Studenten und Auszubildenden können vier Jahre rückwirkend die Kosten ihrer Ausbildung als vorweggenommene Werbungskosten vom späteren Einkommen absetzen. Dazu ist es aber nötig, für die Jahre 2007 bis 2011 jeweils eine Einkommensteuererklärung beim Finanzamt abzugeben.
____Welche Kosten sind absetzbar?
Zum Beispiel Studiengebühren, Fahrtkosten, Fachliteratur oder der Computer. Eventuell auch die Kosten für die doppelte Haushaltsführung, wenn der Ort der Ausbildung nicht der Wohnort ist. Wichtig ist, dass ich alles belegen kann. Die Auszubildenden sollten also unbedingt alle Quittungen aufbewahren.
____Der Azubi oder Student muss die Kosten aber auch selbst beglichen haben. Kosten, die etwa von den Eltern übernommen wurden, sind steuerlich nicht absetzbar.
Daher sollten zum Beispiel die fälligen Studiengebühren nicht vom Konto der Eltern, sondern von dem des oder der Studierenden überwiesen werden. Woher das Geld auf diesem Konto stammt, ist irrelevant.
____Wie verhält es sich beim BAföG?
Einen Zusammenhang zum BAföG sehe ich nicht. Das Urteil bezieht sich ja auf die Kosten der Ausbildung und nicht darauf, woher das Geld stammt, mit dem diese Kosten beglichen werden.
____Schon heute können Ausbildungskosten steuerlich geltend gemacht werden. Was ist neu an der Rechtsprechung des obersten deutschen Finanzgerichts?
Bislang konnten entsprechende Kosten für die erste Ausbildung nach der Schule nur als Sonderausgaben geltend gemacht werden. Im Vergleich mit Werbungskosten haben diese aber zwei gravierende Nachteile. Erstens können sie nur bis zu einem Höchstbetrag von 4.000 Euro vom zu versteuernden Einkommen abgezogen werden.
Zweitens können sie nur in dem Jahr geltend gemacht werden, in dem sie auch tatsächlich angefallen sind. Werbungskosten kann ich dagegen vortragen, also gewissermaßen als Verlust ansparen und dann mit späteren Einkommen verrechnen. Sonderausgaben kommen nur Studenten zugute, die bereits Geld verdienen. Werbungskosten auch denen, die erst später berufstätig werden.
____Nach Meinung verschiedener Kommentatoren wird der Gesetzgeber das Einkommensteuergesetz ändern und dadurch das Urteil wieder einkassieren, weil die Folgen einfach zu kostspielig sind.
Das kann durchaus passieren. Wir wissen aber erstens nicht, ob dies tatsächlich der Fall sein wird. Und zweitens ist derzeit gar nicht absehbar, in welcher Weise der Gesetzgeber die Absetzbarkeit von Kosten der Ausbildung unterbinden würde.
Wahrscheinlich würde eine Gesetzesänderung erst ab dem Jahr gelten, in dem sie in Kraft tritt. Sollte dies noch in diesem Jahr der Fall sein, wären zumindest die Jahre 2007 bis 2010 nicht betroffen. Für diesen Zeitraum wären die Kosten immer noch als Werbungskosten mit späteren Einkommen zu verrechen. Es lohnt sich also mit hoher Wahrscheinlichkeit, die Steuererklärungen für die vergangenen vier Jahre nachzureichen.