Bis Jahresende muss die Grundsteuer reformiert werden. Am bislang vorgelegten Modell gibt es aber Kritik von unterschiedlicher Seite. Es werden vor allem Mietsteigerungen befürchtet.
Die Grundsteuer geht uns alle an: Die Eigentümer von Immobilien zahlen sie direkt und bei Mietern schlägt sie bei den Nebenkosten zu Buche. Bis Jahresende muss die Grundsteuer reformiert werden. Das könnte teuer werden.
Klar ist: Die Grundsteuer muss bis Ende 2019 reformiert werden. Denn nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist die bisherige Regelung nicht konform mit dem Grundgesetz.
Veraltete Einheitswerte
Die Berechnung erfolgt derzeit noch in drei Schritten. Zuerst bewerten die Finanzämter die Grundstücke mit den jeweiligen Einheitswerten. Doch diese sind alt. In Westdeutschland stammen sie aus dem Jahr 1964, in Ostdeutschland sogar aus dem Jahr 1935. Seitdem sind sie nicht aktualisiert worden. Die Folge ist, dass die Einheitswerte heute häufig weit vom tatsächlichen Wert der entsprechenden Immobilien abweichen.
Die Einheitswerte werden dann mit der gesetzlichen Steuermesszahl multipliziert. In einem dritten Schritt wird dann noch der Hebesatz der jeweiligen Gemeinden eingerechnet. Diese schwanken von 340 bis 900 Prozent.
Extrem unterschiedliche Bewertungen
Das Ergebnis ist: Die Bewertungen der Immobilien beziehungsweise ihre Besteuerung fallen in Deutschland extrem unterschiedlich aus. Und genau an dieser Ungleichheit haben sich die Verfassungsrichter gestört. In ihrem Urteil vom April 2018 gaben sie dem Gesetzgeber bis Ende dieses Jahres Zeit, eine neue und vor allem gerechtere Besteuerung gesetzlich zu regeln.
Rudimentäre Einigung
In Grundzügen haben sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz und die Finanzminister der Länder auf Eckpunkte der neuen Grundsteuer geeinigt. Künftig sollen der sogenannte Bodenrichtwert, das Alter der Gebäude und die durchschnittlichen Mietkosten in die Berechnung mit einfließen. Der Bodenrichtwert ist der Wert für einen Quadratmeter unbebauten Boden und wird aus Grundstücksverkäufen abgeleitet. Bei den Mieten sollen die Nettokaltmieten gelten.
An diesem Modell gibt es von verschiedenen Seiten Kritik. So wird wie bei vielen Steuergesetzen in Deutschland der bürokratische Aufwand bemängelt. Tatsächlich scheint es fraglich, ob es die Finanzämter mit ihrer derzeitigen Ausstattung mit Personal und IT leisten können, die neuen Grundsteuern zu berechnen. Schließlich geht es um die Neubewertung von rund 36 Millionen Grundstücken und Gebäuden.
Lückenhafte Datenbasis
Außerdem ist bei den Durchschnittsmieten bislang nicht klar, in was für einem Umkreis Immobilien zusammengefasst werden sollen. Außerdem ist die vorhandene Datenbasis angeblich lückenhaft.
Schließlich hat es in der Vergangenheit nicht funktioniert, die Einheitswerte über die Zeit anzupassen. Warum das bei dem neuen Modell auf einmal gehen soll, bleibt bislang unklar.
Höhere Mieten befürchtet
Der vielleicht größte Kritikpunkt lautet, dass durch die neue Grundsteuer wahrscheinlich die Mieten genau in den Gegenden weiter steigen könnten, wo sie schon jetzt sehr hoch sind. Denn die Grundsteuer wird bei den Immobilien teurer, deren Wert seit 1964 (im Westen) beziehungsweise 1935 (im Osten) stärker als der Gemeindedurchschnitt zugelegt hat.
Betroffen sind also vor allem angesagte Städte und Stadtviertel, wo die Mieten schon jetzt hoch sind. Außerdem gehen die Mieten selbst ebenfalls in die Berechnung der Grundsteuer mit ein, die wiederum auf die Nebenkosten umgelegt wird. Die Brutto-Mieten dürften somit vor allem in den schon heute teuren Vierteln zusätzlich steigen.
Politischer Gegenwind von Parteifreunden
Kurz nach der Einigung auf die Eckpunkte der neuen Grundsteuer gab es politischen Gegenwind – teilweise auch von Parteifreunden von Finanzminister Scholz wie dem Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel, dem die neue Berechnung zu kompliziert ist. Kritik gab es auch aus Bayern, wo befürchtet wird, dass die Mieten in Metropolen wie München durch die reformierte Grundsteuer zusätzlich steigen.
Details müssen also noch verhandelt werden. Dass eine Reform der Grundsteuer bis Jahresende unter Dach und Fach ist, scheint jedoch sehr wahrscheinlich. Denn für die Kommunen stellt sie mit einem Volumen von bislang 13,5 Milliarden Euro pro Jahr eine unverzichtbare Einnahmequelle dar.