BFH: Schuldzinsen sind bei wirtschaftlicher Auslegung alle Leistungen in Geld oder Geldeswert, die ein Schuldner für die Überlassung (Nutzung) von Kapital an den Gläubiger zu erbringen hat.

Schuldzinsen gemäß § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG sind Kosten, die bei wirtschaftlicher Betrachtung des Vorgangs als Vergütung für die Überlassung von Kapital angesehen werden können. Provisionen und Gebühren für ein Aval (also eine Bürgschaft) zählen dann zu den Schuldzinsen, wenn hierdurch die Rückzahlung von Fremdkapital, das dem Schuldner zeitweise zur Nutzung überlassen wurde, gesichert wird.

Hintergrund 

Der Begriff der Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG und § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG ist nicht legaldefiniert. 

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 9 EStG sind Schuldzinsen bei wirtschaftlicher Auslegung alle Leistungen in Geld oder Geldeswert, die ein Schuldner für die Überlassung (Nutzung) von Kapital an den Gläubiger zu erbringen hat. Darüber hinaus zählen auch alle Aufwendungen zur Erlangung oder Sicherung eines Kredits zu den Schuldzinsen, d. h. Kosten, die bei wirtschaftlicher Betrachtung des Vorgangs als Vergütung für die Überlassung von Kapital angesehen werden können. 

Maßgebend ist somit die Zweckbestimmung der Aufwendungen, um ein Darlehen zu erlangen oder zu sichern, sodass es unerheblich ist, ob diese dem Geldgeber oder einer dritten Person zufließen. 

Diese ertragssteuerrechtlich weite Auslegung hat der IV. Senat des BFH auch für Zwecke des § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG übernommen, sie wird von der Finanzverwaltung (BMF 2.11.18, IV C 6 - S 2144/07, BStBl 12018, 1207, Rz. 19) sowie im Schrifttum geteilt. 

Entscheidung 

Auch der X. Senat des BFH hat sich nun dieser Auffassung angeschlossen. Nach der Urteilsbegründung spricht hierfür insbesondere das Gebot einer einheitlichen Auslegung nicht legaldefinierter Rechtsbegriffe, die inner-halb desselben Gesetzes mehrfach verwendet werden. 

Im Streitfall lagen der rechtlichen Würdigung des Finanzgerichts, die gezahlten Avalprovisionen nebst Kontoführungsgebühren seien als Schuldzinsen gemäß § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG zu qualifizieren, allerdings keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen zugrunde, sodass der BFH den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwies.

BFH 31. August 2022, X R 15/21