Die Anwendung des UN-Kaufrechts (CISG) ist nicht umständlicher als die Anwendung deutschen Rechts. Nachteilige Regeln des CISG können durch ergänzende AGB- oder individualvertragliche Bestimmungen angepasst werden.
Die Globalisierung der Welt wird besonders durch den internationalen Handel deutlich. Wie selbstverständlich kaufen und verkaufen wir Waren im bzw. ins Ausland. Mit jedem internationalen Warenkauf verlassen wir auch unsere deutsche Rechtsordnung. Im Konfliktfall stellen sich sofort die Fragen: Welches Recht kommt zur Anwendung, deutsches Recht oder ausländisches Recht? Wo ist möglicherweise ein Gerichtsstand, bei dem ich selbst klagen oder verklagt werden kann?
Da diese Probleme offensichtlich sind, wurde 1980 für internationale Handelsverträge die „United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods“ (kurz: CISG oder UN-Kaufrecht) geschaffen, die 1991 auch in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten ist. Das CISG ist damit deutsches Recht, das zur Anwendung gelangt, wenn die Parteien des Vertrages ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben.
Was vielen nicht bewusst ist: Das CISG gelangt zur Anwendung, ohne dass man es ausdrücklich vereinbaren muss! Das Gegenteil ist der Fall: Wer nicht möchte, dass das CISG auf seinen Vertrag angewendet wird, muss es ausdrücklich ausschließen.
Macht es Sinn, das CISG auszuschließen?
Doch damit stellt sich die Frage, ob es überhaupt Sinn macht, das CISG auszuschließen. Immerhin wird dieser internationale Standard für Kaufverträge von 89 Staaten akzeptiert, unter anderem von so wichtigen Handelspartnern wie China und den USA.
Keine Angst vor UN-Kaufrecht!
Das UN-Kaufrecht scheint in der Vertragspraxis unbeliebt gewesen zu sein, wenn man sich die AGB vieler Unternehmen ansieht. Dort wird vielfach die Anwendung des CISG ausgeschlossen und die Anwendung deutschen Rechts vereinbart. Die deutsche Rechtswahlklausel sowie der Ausschluss des UN-Kaufrechts in den AGB klingen nach einem günstigen „Heimvorteil“.
Viele Vorbehalte gegen das CISG stammen noch aus der Zeit vor der „großen Schuldrechtsreform“ in Deutschland im Jahr 2002. Diese Reform führte in weiten Bereichen zu einer Harmonisierung des deutschen Rechts mit dem UN-Kaufrecht. Dabei wurden Nachteile, die das CISG bis dahin hatte, nivelliert.
Die Vorteile des CISG
Daher lohnt ein Blick auf die Vorteile des CISG:
Wie im deutschen Recht kann ein Vertrag auch unter dem CISG an die Bedürfnisse der Vertragsparteien angepasst werden. Das UN-Kaufrecht ist übersichtlich aufgebaut, ist in vielen Sprachen erhältlich und seine weltweite Anerkennung führt zu einer auf internationalen Standards basierenden Rechtssicherheit.
Unterschiede zwischen CISG und deutschem Recht
Dennoch gibt es einige Unterschiede, auf die man achten sollte:
Das CISG geht, anders als das BGB, von einem einheitlichen Begriff der Leistungsstörung aus. Eine Vertragsverletzung liegt immer dann vor, wenn eine Leistungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt wird und keiner der Rechtfertigungsgründe eingreift.
Die Rechtsfolgen einer Vertragsverletzung bestimmen sich nicht nach der Art der Leistungsstörung. Entscheidend ist vielmehr die Gewichtigkeit der Abweichung von der vereinbarten Leistung. Es wird unterschieden zwischen der wesentlichen und nicht wesentlichen Pflichtverletzung.
Ansprüche des Käufers wegen Lieferung vertragswidriger oder wegen mit Rechten/Ansprüchen Dritter belasteter Ware setzen ein Tätigwerden des Käufers (Untersuchungs- und Anzeigepflichten) voraus. Der Käufer muss die Ware innerhalb einer angemessenen Frist (ca. fünf Arbeitstage) untersuchen und etwaige Vertragswidrigkeiten dem Verkäufer innerhalb einer nach Art der Ware und Umständen des Geschäfts abzuhängenden Frist anzeigen.
CISG sieht eine verschuldensunabhängige Haftung vor
Erfolgt keine ordnungsgemäße Anzeige, so verliert der Käufer grundsätzlich die Rechtsbehelfe wegen vertragswidriger Lieferung. Rechtsbehelfe wegen anderer Leistungsstörungen können jedoch geltend gemacht werden. Ansprüche wie z. B. wegen nicht erfolgter oder verspäteter Lieferung oder ausbleibender Kaufpreiszahlung bedürfen also keines Tätigwerdens. Der Gläubiger kann sie allein aufgrund der nicht ordnungsgemäßen Pflichterfüllung geltend machen.
Der größte Unterschied zum deutschen Recht ist aber die verschuldensunabhängige Haftung. Der Käufer muss dem Verkäufer auch nicht zuerst die Möglichkeit zur Nacherfüllung geben. Vielmehr kann bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen z. B. direkt Vertragsaufhebung oder Schadensersatz verlangt werden. Dieser Nachteil für Verkäufer (!) wird aber wieder dadurch abgeschwächt, dass das Gewährleistungsrecht des CISG grundsätzlich dispositiv ist, d. h. diese Regelungen können zugunsten des Verkäufers abweichend vom CISG geregelt werden.
Rechtsbehelfe nach CISG
Aufhebung des Vertrages
Bei wesentlichen Pflichtverletzungen des Schuldners kann der Gläubiger in aller Regel, ohne weitere Voraussetzungen, die Aufhebung des Vertrages erklären. Wie bereits erörtert, kommt es hierbei nicht auf das Verschulden des Schuldners an. Das Recht zur Vertragsaufhebung wegen einer wesentlichen Vertragsverletzung zählt auch zu den Grundwerten des UN-Kaufrechts und kann ausnahmsweise durch AGB nicht ausgeschlossen werden. Die Modalitäten der Vertragsaufhebung können aber individuell gestaltet werden.
Preisherabsetzung
Liefert der Verkäufer vertragswidrige Ware, so kann der Käufer auch Minderung bis auf null des Kaufpreises verlangen.
Erfüllung
Anstelle der Vertragsaufhebung bzw. Kaufpreisherabsetzung kann grundsätzlich auch weiterhin Erfüllung verlangt werden. Die Voraussetzungen für Ersatzlieferung bzw. Nachbesserung sind jedoch – anders als nach BGB – sehr streng, und das Recht kann nur innerhalb angemessener Frist geltend gemacht werden. Insbesondere muss die Pflichtverletzung auch hier wesentlich sein.
Schadensersatz
Schadensersatz kann stets neben Vertragsaufhebung, Kaufpreisherabsetzung und Erfüllung geltend gemacht werden. Der Schadensersatzanspruch entsteht, anders als im deutschen Recht, ohne weitere Voraussetzungen, wenn für die maßgebliche Leistungsstörung eine Schadensersatzverpflichtung vorgesehen ist. Insbesondere kommt es auf das Verschulden des Schuldners nicht an! Der Schuldner ist nur dann nicht schadensersatzpflichtig, wenn die Rechtfertigungsgründe des Art. 79 f. CISG eingreifen. Die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung sind aber sehr streng. Aus dem Grund sollten Verkäufer darauf achten, dass durch vertragliche Regelungen die Haftung für Verschulden und für vertragswesentliche Verstöße begrenzt wird.
Zinsen
Bei nicht rechtzeitiger Erfüllung fälliger Zahlungsverpflichtungen hat die andere Partei zusätzlich noch einen Anspruch auf Zinsen. Da die Höhe der Zinsen nicht im CISG geregelt ist, wird überwiegend der gesetzliche Zinssatz der Rechtsordnung angewendet, zu der die Normen des Internationalen Vertragsrechts führen.
Kein Ersatz der vergeblichen Aufwendungen
Der Ersatz vergeblicher Aufwendungen anstelle von Schadensersatz (wie in § 284 BGB) ist im UN-Kaufrecht nicht vorgesehen.
Zusammenfassung
Dadurch, dass das CISG individuell gestaltbar ist, sollte es nicht immer gleich ausgeschlossen werden. Wer denkt, dass die Anwendung des UN-Kaufrechts nur unnötigen Zeit- und Arbeitsaufwand erfordert, vergisst, dass die Anwendung des deutschen Rechts genauso umständlich ist. Nachteilige Regeln des CISG können durch ergänzende AGB oder individualvertragliche Bestimmungen angepasst werden. So gelangt man zu einem für beide Parteien akzeptablen internationalen Vertrag!