Bundesregierung setzt EU-Prospektverordnung um: Wertpapieremissionen von weniger als acht Millionen Euro Volumen sollen zukünftig von der lästigen Prospektpflicht befreit werden.
Bei der Umsetzung der EU-Prospektverordnung vom 14.06.2017 will die Bundesregierung den darin eingeräumten Spielraum voll ausnutzen und Anbieter von öffentlichen Wertpapieremissionen von der Pflicht zur Prospekterstellung oder -veröffentlichung befreien, sofern der Gesamtgegenwert der Wertpapiere weniger als acht Millionen Euro beträgt. Dies könnte den Zugang für kleine und mittlere Unternehmen zum Kapitalmarkt vereinfachen.
Die Reform des Prospektrechts verfolgt u. a. das Ziel, auf Ebene der Union einen einheitlichen und gleichwertigen Anlegerschutz zu schaffen. Letztlich sollen durch die Stärkung des Vertrauens der Anleger auch die Kapitalmärkte weiterentwickelt werden bis hin zu einer Kapitalmarktunion, deren Verwirklichung bis Ende 2019 geplant ist.
Ziel der Kapitalmarktunion ist es u. a.,
- neue Finanzierungsquellen für Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, zu erschließen,
- die Kosten der Kapitalaufnahme zu senken,
- das Angebot für Sparer in der gesamten EU zu erweitern,
- grenzübergreifende Investitionen zu erleichtern und mehr ausländische Investitionen in der EU anzuziehen,
- das Finanzsystem der EU stabiler, widerstandsfähiger und wettbewerbsfähiger zu machen.
Ein wesentlicher Aspekt dabei ist, den Verwaltungs- und Kostenaufwand bei der zumeist sehr zeit- und auch kostenintensiven Erstellung eines Wertpapierprospekts, welcher bei einem öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder deren Zulassung zu einem geregelten Markt erforderlich ist, vor allem für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu senken und diesen Unternehmen dadurch ebenfalls den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern. Dies soll jedoch nicht zu Lasten des Anlegerschutzes gehen, welcher ebenfalls starkes Gewicht hat.
Die bisher bekannten Kriterien für die Kategorisierung als KMU sollen dahingehend verändert werden, dass mehr Unternehmen als KMU gelistet werden können.
Es wird ein System abgestufter Offenlegungspflichten geschaffen
Weitere wichtige Neuerungen der reformierten Prospektverordnung sind neben der Erweiterung des Begriffs der KMU ein System abgestufter Offenlegungspflichten für verschiedene Konstellationen bzw. Emittenten. So wird es zukünftig fünf Arten von Prospekten geben, u. a. auch einen neuen „EU-Wachstumsprospekt“, dessen Format allerdings in seinen Einzelheiten erst 2019 konkretisiert wird.
Die Prospektpflicht bei Wertpapieremissionen zwischen 100.000 Euro und weniger als 1 Million Euro wird aufgehoben und stattdessen – analog zur Praxis unter dem Gesetz über Vermögensanlagen (VermAnlG) – die Pflicht zur Veröffentlichung eines Wertpapierinformationsblatts eingeführt. Diese Obergrenze von 1 Million Euro gilt für öffentliche Angebote innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten. Dieser neue bzw. erweiterte Ausnahmetatbestand ist durch die neue EU-Prospektverordnung zwingend vorgeschrieben und gilt ab dem 21. Juli 2018.
Die Mitgliedsstaaten haben zudem die Möglichkeit, national die Schwelle der Prospektfreiheit auf bis zu 8 Millionen Euroheraufzusetzen. In diesem Zusammenhang hat die Bundesregierung im April 2018 den Entwurf eines Gesetzes zur Ausübung von Optionen der EU-Prospektverordnung und zur Anpassung weiterer Finanzmarktgesetze beschlossen. Mit diesem Gesetzentwurf sollen mehrere Finanzmarktgesetze und -verordnungen, unter anderem auch das WpPG, angepasst werden.
Die Emittenten sollen von der Pflicht zur Erstellung eines Wertpapierprospektes befreit werden, wenn das Volumen eines nationalen, d. h. notifizierungsfreien Angebotes 8 Mio. Euro nicht übersteigt. Auch hier ist bei der Bestimmung der betragsmäßigen Obergrenze auf einen Zeitraum von 12 Monaten innerhalb einer Wertpapierart abzustellen. Damit würde Deutschland den möglichen Rahmen der Prospektfreiheit vollständig ausschöpfen.
Anleger müssen aber weiterhin informiert werden
Ganz ohne Information für den Anleger geht es aber auch im Fall der Prospektfreiheit nicht: Der Emittent, der von dieser Ausnahme Gebrauch machen möchte, muss auch das sogenannte Wertpapier-Informationsblatt (WIB) erstellen und dieses bei der BaFin hinterlegen und veröffentlichen. Das WIB soll dem Anleger dazu dienen, unterschiedliche Wertpapiere miteinander zu vergleichen. Es muss in kurzer und verständlicher Weise die wesentlichen Informationen für den Anleger enthalten.
Es darf nicht mehr als drei DIN-A4-Seiten umfassen und muss insbesondere Angaben zu Risiken, Kosten, Provisionen und sowie der geplanten Verwendung der voraussichtlichen Nettoerlöse enthalten.
Prospektfrei soll demnächst auch mehr als bisher die Aufstockung bereits zugelassener Wertpapiere möglich sein. Bislang können nur Aktien bis 10 % prospektfrei aufgestockt werden. Zukünftig gilt die Ausnahme für alle Wertpapiere, und die Grenze wird auf 20 % erweitert. Maßgeblich ist ein Zeitraum von 12 Monaten.
Wesentliche Neuerungen im Rahmen der Prospekterstellung wird es bei der zwingend notwendigen Zusammenfassung sowie bei der Darstellung der Risiken geben. Das bisherige „Baukastensystem“ entfällt, und in Annäherung an die Darstellungsweise der Zusammenfassung des Basisinformationsblattes nach der PRIIPs-Verordnung (2014/1286/EU) werden den verschiedenen Abschnitten Überschriften in Frageform vorangestellt.
Risikodarstellungen dürfen zukünftig nur noch erfolgen, wenn es sich tatsächlich um ein spezifisches Risiko des Emittenten oder des Wertpapieres handelt und dieses Risiko im Hinblick auf eine fundierte Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung ist. Dies muss durch die nachfolgenden Ausführungen im Prospekt bestätigt werden. Innerhalb einer Kategorie von Risiken sind die wesentlichsten Risiken an erster Stelle zu nennen, d. h. der Prospektersteller muss die genannten Risikofaktoren bewerten.
Der üblicherweise am Ende dargestellte Steuerteil eines Prospektes kann zukünftig entfallen, es sei denn, dass die angebotene Anlage besondere steuerliche Folgen nach sich zieht. Ansonsten genügt ein allgemeiner Warnhinweis, dass mit dem Wertpapier steuerliche Folgen verbunden sein können.
Eine Arbeitserleichterung wird es auch sein, dass im Prospekt demnächst mehr als bisher zulässig auf bereits anderweitig elektronisch veröffentlichte Dokumente verwiesen werden kann. Zu den Dokumenten, auf die verwiesen wird, sind sogenannte „Hyperlinks“ (elektronische Verknüpfungen) in den Prospekt aufzunehmen.
Fazit
Derzeit kann noch nicht abschließend gesagt werden, in welchem Umfang die neue Prospektverordnung kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt tatsächlich erleichtern wird. Aber sowohl die erweiterten Ausnahmetatbestände als auch stärker gestraffte und standardisierte Prospektregeln werden es vielen KMU ermöglichen, Finanzierungswege abseits der üblichen Bankenfinanzierung zu beschreiten.
Wir halten Sie auf dem Laufenden und informieren Sie gerne über die individuellen Möglichkeiten Ihres Unternehmens in einem persönlichen Gespräch.