Die Multiplikatormethode ist einfach und schnell anwenden. Der Berechnungszeitraum bestimmt das Erfebnis

____Dr. Bormann, Vergleichsmethoden bei der Unternehmensbewertung versuchen, den Wert des Unternehmens vom Wert eines vergleichbaren Unternehmen oder aus vergleichbaren Transaktionen abzuleiten. Was aber wird da eigentlich verglichen?

Den Vergleich kann man direkt oder indirekt anstellen. Direkte Vergleiche sind am besten bei börsennotierten Unternehmen anzustellen, weil dort naturgemäß die relevanten Informationen zugänglich sind. Das ist aber bei klein- und mittelständischen Unternehmen eher nicht der Fall. Auch Informationen über die Erlöse vergleichbarer Transaktionen sind im Mittelstand eher selten. Besser sieht es dagegen beim indirekten Vergleich aus, auf dem das Multiplikatorverfahren beruht. Dabei wird der Gesamtwert des Unternehmens ausgerechnet, indem bestimmten Erfolgskennzahlen wie EBIT, EBITDA, Umsatz oder gar Absatzkennzahlen mit einem branchenspezifischen Faktor multipliziert werden. Wenn Sie die Kennzahlen haben, müssen Sie sich nur die aktuellen Multiplikatoren besorgen, bspw. von der FINANCE, und dann rechnen.

____Wie passen eigentlich Vergleichsverfahren in das deutsche Rechtssystem?

Das geltende Bewertungsgesetz (BewG) sieht für erbschaftsteuerliche Zwecke zwar vor, dass die tatsächlichen Verkehrswerte anzusetzen sind. Da aber oft weder Kurswert noch die Erlöse zeitnaher Anteilsverkäufe verfügbar sind, lässt es „unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten“ auch zu, „andere“ Bewertungsmethoden zu verwenden, sofern diese „üblich“ sind.

____Aber woher weiß ich, was üblich ist?

Üblich ist letztendlich das, was tatsächlich praktiziert wird. Wenn man also herausfinden würde, welche Bewertungsmethoden in Deutschland angewendet werden, wüsste man, welche Methoden üblich sind. Zum Glück gibt es dazu empirische Untersuchungen. Und die haben sehr erstaunliche Ergebnisse: Ertragswertverfahren nach IDW S1 und Discounted-Cash-Flow-Methoden (DCF-Methoden) bilden dabei durchaus einen großen Block. Aber die in Deutschland am meisten praktizierten Verfahren sind Multiplikatormethoden, entweder in Bezug auf vergleichbare Unternehmen oder aktuelle Verkäufe.

____Können Sie die Multiplikatorenmethode auch an einem Beispiel erläutern?

Selbstverständlich. Nehmen wir das reale Beispiel eines kleinen Softwareunternehmens. Der Gewinn-und-Verlust-Rechnung können Sie entnehmen, dass das Unternehmen 2007 sehr gut verdient hat: Die Rendite betrug 15 % bei einem Umsatz von knapp einer Million Euro. Dann kam 2008 der große Einbruch und seit 2009 eine stetige Erholung mit der Aussicht, 2012 und 2013 wieder die guten Werte von 2007 zu erreichen. Es bestehen Nettofinanzschulden von 400.000 Euro zum Jahresende 2011.

____Und wie errechnet sich jetzt der Unternehmenswert?

Dazu können wir zwei Beispielrechnungen aufmachen, wozu wir in folgenden Schritten vorgehen: Zuerst müssen wir den Zeitraum festlegen, für den wir den Wert berechnen wollen. Wir errechnen den Unternehmenswert sowohl für den Zeitraum 2007 bis 2011 als auch für den Zeitraum 2009 bis 2013.

Zeitraum

2007 bis 2011

2009 bis 2013

Mittelwert Umsatz TEUR

750

1.093

Mittelwert EBIT TEUR

90

224

Multiples „Software“

 

Umsatz (von/bis)

0,67

1,04

0,67

1,04

EBIT (von/bis)

6

8

6

8

Enterprice-Value

 

Umsatzbasis TEUR

503

780

732

1.137

EBIT-Basis TEUR

540

719

1.341

1.788

./. Nettofinanzschulden

600

600

600

600

Eigenkapitalwert

 

Umsatzbasis TEUR

103

380

332

737

EBIT-Basis TEUR

140

319

941

1.388

Zweitens: Für beide Zeiträume bestimmen wir dann sowohl den Mittelwert des Umsatzes als auch den Mittelwert des EBIT. Das Ergebnis beträgt 750.000 und 90.000 Euro für 2007/2011 bzw. 1.093.000 und 224.000 Euro für 2009/2013.

Drittens: Aus der FINANCE besorgen wir uns die Multiples für die Branche „Software“, die im Oktober 2011 für den Umsatz 0,64 bis 1,04 und für den EBIT 6 bis 8 betrugen.

Im vierten Schritt multiplizieren wir unsere EBIT- und Umsatzdurchschnitte für beide Berechnungszeiträume jeweils mit dem unteren und oberen Spannenwert der Multiples. Für den ersten Zeitraum erhalten wir so einen Unternehmenswert von 503.000 bis 780.000 Euro auf Umsatzbasis und 540.000 bis 719.000 Euro auf EBIT-Basis. Wir stellen hier eine große Übereinstimmung von Umsatz- und EBIT-Werten fest. Da dies hier Vergangenheitswerte sind, können wir ferner konstatieren, dass sich das Unternehmen und seine Profitabilität genauso verhalten wie der Markt bzw. die Werte der Unternehmen, die in die Berechnung der Multiples eingegangen sind.

Für den zweiten Zeitraum betragen die Werte 732.000 bis 1.137.000 Euro auf Umsatzbasis und 1.341.000 bis 1.788.000 Euro auf EBIT-Basis. Wir stellen hier deutliche Unterschiede zwischen Umsatz- und EBIT-Werten fest. Die Spanne zwischen EBIT- und Umsatzwerten erklärt sich daraus, dass wir es hier zum Teil mit Plandaten zu tun haben, und die gehen von einer steigende Rendite aus.

Wenn wir nun in einem letzten Schritt davon die Nettofinanzschulden von 400.000 Euro abziehen, so erhalten wir für 2007/2011 einen Eigenkapitalwert von 103.000 bis 380.000 Euro auf Umsatzbasis und 140.000 bis 319.000 Euro auf EBIT-Basis und für 2009/2013 von 332.000 bis 737.000 Euro auf Umsatzbasis und 941.000 bis 1.388.000 Euro auf EBIT-Basis.

____Das ist ja eine sehr große Spanne von Werten. Was ist das Unternehmen denn nun tatsächlich wert?

Das ist genau die falsche Frage. Die Frage muss lauten: Was bekomme ich für mein Unternehmen? Und das ist eine Machtfrage, die im Verhandlungsprozess beantwortet wird. Der Verkäufer will einen Gegenwert für sein Lebenswerk. Sein Ziel ist ein möglichst hoher Verkaufspreis. Der mögliche Käufer ist an Meriten der Vergangenheit nicht interessiert. Ihn interessieren einzig ein möglichst geringer Kaufpreis und die Ertragsmöglichkeiten der Zukunft. Beide Seiten werden konträre Szenarien durchrechnen, die sich aus der jeweiligen Interessenlage positiv oder negativ darstellen. Die Plausibilisierung des jeweils idealen Berechnungszeitraums sowie der Plandaten ist für beide Seiten eine probate Möglichkeit, die Verhandlungsposition zu stärken. In unserem Beispiel würde der Verkäufer natürlich auf den optimistischen Plandaten bestehen, während der mögliche Investor diese mit Verweis auf vergangene Einbrüche attackieren würde. Jenseits der methodischen Stringenz sind ganz andere Fragen von enormem Einfluss: Wie verhandle ich? Welche Machtposition habe ich? Will ich verkaufen? Muss ich verkaufen? Weiß mein Gegenüber das? Wer sein Lebenswerk versilbern will, sollte sich gut beraten lassen!