Unternehmensverkäufe sind Verhandlungsprozesse. Der Verkaufspreis ist die Summe, die am Ende wirklich übrig bleibt
bdp hatte den richtigen Riecher, als wir in den Ausgaben 71 bis 73 von bdp aktuell das Jahr 2011 mit einer Serie zur Unternehmensbewertung einleiteten: 2011 stellt sich bislang als eines der besten Jahre für den Verkauf von Unternehmen dar. Seit wir im Frühjahr über die unterschiedlichen Methoden der Unternehmensbewertung informiert haben, sind mehrere Monate vergangen, die alles bisher Dagewesene in Sachen M&A in den Schatten gestellt und zu teilweise höheren Unternehmensbewertungen geführt haben, als in den bislang letzten Boom-Jahren 2006 bis 2008.
Mehr denn je gilt aber: Was ich für mein Unternehmen bekomme, ist nicht unbedingt der (nach Lehrbuch ermittelte) Unternehmenswert, sondern schlussendlich ein Kaufpreis. Kaufpreise werden am Verhandlungstisch erzielt, wo einem keine Geschenke gemacht werden. Das bedeutet, dass man beim Unternehmensverkauf professionell vorgehen und vor allen Dingen verhandeln können muss. So konnten wir im Laufe diesen Jahres leider auch einige Fälle sehen, bei denen nur suboptimale Preise erzielt wurden, da die Verkäufer einen Großteil des Verkaufsprozesses unbegleitet und damit recht unprofessionell absolviert haben.
Daher gilt als oberste Regel:
Grundsatz 1: Prozess-Professionalität sichert Unternehmenswerte!
Mehr noch als eine methodische Wertermittlung sichert die Prozess-Professionalität des gesamten Verkaufsprozesses, dass der Verkäufer einen optimalen Kaufpreis erhält.
Was bedeutet Prozess-Professionalität? Prozess-Professionalität hat mittel- und kurzfristige Aspekte.
Mittelfristige Prozess-Professionalität
Der Verkäufer sollte das Projekt des Unternehmensverkaufs mittelfristig planen und gründlich vorbereiten. Zwei bis drei Jahre Vorlauf sind ideal, in denen es letztendlich darauf ankommt, die Ertragskraft des Unternehmens zu steigern.
Wenn man sieht, dass die meisten Unternehmensverkäufe auf Basis der Multiplikatoren-Methode bewertet werden, wo der Ertrag mit einem branchenspezifischen Faktor multipliziert wird, bringt jeder Euro Ertragssteigerung eine Steigerung des Unternehmenswertes von 5 bis 9 Euro.
In dieser Vorbereitungszeit müssen alle unnötigen Kosten eliminiert und das Unternehmen auf höchste Professionalität getrimmt werden. Der Unternehmer sollte sich von allen lieb gewordenen Ausgaben trennen, die vielleicht das Unternehmerleben ein wenig erleichtert haben, jedoch den Ertrag belasten.
Weiterhin sollte dem Bereich der Leistungserbringung größeres Augenmerk zugewendet werden, sodass Ausschusszahlen verringert, Maschinenverfügbarkeitszeiten und Auslastungen gesteigert werden. Beim Personal sollte darauf geachtet werden, keinerlei Überbestand zu beschäftigen. Potenzielle Investoren werden als Erstes einen Branchenvergleich anstellen und versuchen, Materialeinsatzquoten, Personalkostenquoten etc. zu plausibilisieren.
Ferner sollte der Bilanz großes Augenmerk zugewendet werden. „Unästhetische“ Bilanzpositionen wie negative Kapitalkonten, Forderungen gegen Gesellschafter oder negatives Eigenkapital sollten möglichst ausgeglichen werden. Wenn dies nicht nur durch reine Zahlung möglich ist, sollten andere Alternativen überdacht werden, z. B. Verrechnungen, Einbringungen von Tochter-GmbHs unter Aufdeckung stiller Reserven etc. bdp berät seine Mandanten gerne im Vorwege eines Verkaufsprozesses zu diesen Themen, die später ein sehr großes Gewicht gewinnen.
Kurzfristige Prozess-Professionalität
Unter kurzfristiger Prozess-Professionalität versteht man alle Maßnahmen, die den eigentlichen Verkaufsprozess für das Unternehmen betreffen. Hier werden bedauerlicherweise von den Unternehmern selbst die größten Fehler begannen, die letztendlich irreparabel sind und einen guten Unternehmenswert teilweise in einen katastrophalen Unternehmensverkaufspreis verwandeln. Hier gilt die eherne Regel: Einmal gegebene Informationen sind nicht mehr rücknehmbar!
Für einen in diesem Metier bewandten Berater ist es relativ einfach, die Prozess-Professionalität zu gewährleisten.
Ein Unternehmensverkauf ist ein Verhandlungsprozess und deshalb gilt:
Grundsatz 2: Ein Bieterwettbewerb steigert die Kaufpreise!
Wenn man diesen Jahrtausend alten Grundsatz beherzigt, folgt daraus, dass ein Unternehmensverkauf möglichst in einem Bieterverfahren durchgeführt werden sollte. Es sollten daher sämtliche Situationen möglichst vermieden werden, in denen lediglich ein einziger Interessent als potenzieller Käufer des Unternehmens vorhanden ist. Besser ist es immer, möglichst mehrere Bieter gleichzeitig zu haben, von denen jeder auch von seinen Konkurrenten weiß.
Dies beginnt mit dem Auswahlverfahren. Es muss eine professionelle Long-List von möglichen Interessenten erstellt werden, die mit dem Unternehmer besprochen wird, sodass auf der Short-List dann die verbleiben, die angeschrieben werden. Hier darf der Kreis der angeschriebenen möglichen Interessenten nicht zu klein gehalten werden.
Häufige Sorge des Unternehmers ist, dass es durch diese Anschreiben schnell bekannt wird, dass sein Unternehmen verkauft wird. Dem begegnet man beispielsweise damit, dass ein M&A-Berater, möglicherweise sogar aus dem Ausland, eingeschaltet wird, sodass durch dessen anonymisiertes Schreiben nicht sofort auf das betreffende Unternehmen rückgeschlossen werden kann. So unterhält bdp beispielsweise seit 1998 in Zürich eine M&A-Gesellschaft, die unter einem völlig anderen Namen operiert.
Daraus folgt:
Grundsatz 3: Exklusivität vermeiden oder allenfalls ganz kurzfristig gewähren!
Jeder Interessent wird zwar versuchen, für einen möglichst langen Zeitraum für sich, seine Due Diligence und seine Verhandlungen Exklusivität zu fordern. Hier sollte der potenzielle Verkäufer jedoch hart bleiben und möglichst keine Zusicherung geben. Wähnt sich der potenzielle Käufer nämlich erst einmal durch eine Exklusivität für mehrere Monate geschützt, kann er relativ ungehindert versuchen, den Kaufpreis nach unten zu treiben, weil er ja weiß, dass es keine Gegenangebote geben kann. Für dieses Minimalwissen benötigt man, wie unmittelbar ersichtlich, keinerlei Studium oder wissenschaftlicher Vorbildung, sondern schlicht gesunden Menschenverstand und Verhandlungsgeschick. Dennoch stellen wir bedauerlicherweise oft fest, dass immer mehr Mandanten sich dem Druck eines vermeintlich sehr interessanten Investors beugen und solche Exklusivitätsvereinbarungen unterzeichnen.
Professionalität gilt auch für die Terminplanung des gesamten M&A-Prozesses. Das bedeutet, dass man nicht eine beliebig lange Zeit mit diversen Interessenten unverbindlich spricht, sondern dass vom Verkaufsteam (Unternehmer, M&A-Berater) Fristen gesetzt werden, in denen die angeschriebenen Investoren zunächst ein unverbindliches Angebot und nach weiterer Dateneinsicht (für die vorher eine Vertraulichkeitserklärung zu unterzeichnen ist) ein bindendes Angebot abzugeben haben.
Auf diese Fristen sollte das Verkaufsteam nach Möglichkeit unbedingt pochen, damit ein gewisser Abgabedruck bei den potenziellen Interessenten entsteht.
Hieraus folgt der ebenfalls uralte Verkäufergrundsatz:
Grundsatz 4: Verknapptes Angebot und kurze Angebotsfristen machen das Verkaufsobjekt attraktiver!
Wenn der potenzielle Investor merkt, dass er nur eine begrenzte Zeit hat, sein Angebot zu platzieren, weil eben noch andere Interessenten im Verkaufsprozess aktiv sind, wird er sicherlich bereit sein, schneller und höher anzubieten, um das Unternehmen zu erwerben.
Beim Zeitmanagement des Verkaufsprozesses muss auch auf eine möglichst optimale Reihenfolge im Ablauf geachtet werden. Wie immer im Verkaufsprozess von Unternehmen ist hier die Sichtweise von Käufer und Verkäufer unterschiedlich, denn was für den einen in einem solchen Prozess gut ist, ist für den anderen ganz automatisch schlecht.
Für Verkäufer ist folgende Reihenfolge zu empfehlen: Nach Abgabe des bindenden Angebots wird ein Vertragsentwurf diskutiert und ausverhandelt. Erst dann kann der Investor seine Due Diligence starten.
Dies hat den Vorteil, dass der Verkäufer sämtliche Wünsche und Forderungen des potenziellen Käufers (Streichungen von Arbeitsplätzen, Übernahme von Garantien, Mitwirkungspflichten des Verkäufers etc.) kennt und evtl. die Chance hat, diese wegzuverhandeln oder abzuschwächen, bevor er dem vermeintlichen Investor die tiefe Einsichtnahme in all seine Bücher gestattet. Somit kann dann die Due Diligence letztendlich entweder nur noch das ausgehandelte Ergebnis bestätigen oder aber zum Gesamtabbruch des Verkaufsprozesses mit diesem speziellen Kaufinteressenten führen.
Hat ein Verkäufer aufgrund der Machtverhältnisse (weil es z. B. nur einen oder zwei Interessenten gibt und diese das auch wissen) keine andere Wahl, öffnet er alle seine Datentüren zu einem Zeitpunkt weit, in dem die einzelnen Vertragsdetails noch gar nicht ausgehandelt sind. Und hier gilt die alte Formel „Wissen ist Macht!“, was bedeutet, dass ein potenzieller Investor nach Durchführung der Due Diligence häufig härtere Vertragsklauseln vereinbaren will als vorher.
Einer der ganz großen Stolpersteine ist dann die sogenannte Due Diligence. Hier muss sich jeder Unternehmensverkäufer im Klaren darüber sein, dass der vermeintliche Investor eben nur ein vermeintlicher Investor ist und der Deal mit ihm auch platzen kann. Insofern muss höchst sensibel bei der Offenlegung der Daten, Bücher und Unterlagen sowie weiterer Informationen vorgegangen werden, stets muss man sich vor Augen führen, ob und wie der Interessent (trotz unterschriebener Vertraulichkeitserklärung) diese Daten für sich und sein Unternehmen nutzen könnte, wenn er das angebotene Unternehmen gar nicht kauft. In diesen Fällen kann es im Worst-Case sogar dazu führen, dass durch eine missglückte Due Diligence der Unternehmenswert auf null sinkt, weil der Interessent die Informationen für sich im Rahmen seines eigenen Unternehmens nutzt und beispielsweise Kunden- oder Lieferantenbeziehungen mit dem zu verkaufenden Unternehmen stört oder im schlimmsten Fall sogar zerstört.
Daher gilt:
Grundsatz 5: Unternehmensverkaufspreis ist nur das, was der Unternehmer auch erhält!
Der Datenraum ist so einzurichten, dass die wesentlichen, interessanten Daten anonymisiert werden. Der potenzielle Investor muss sich zwar ein Bild über die Lage des Unternehmens und die Ertragskraft machen können. Hierzu ist es jedoch keineswegs erforderlich (wie es vielleicht in den Verhandlungen behauptet wird), dass er die einzelnen Kundennamen, Artikelnummern, Namen und Adressen von leitenden Mitarbeitern etc. erhält. All dies könnte im schlimmsten Fall dazu führen, dass er für sein eigenes Unternehmen versucht, die leitenden Mitarbeiter abzuwerben, mit den Kunden die jetzt gesehenen Preise selbst verhandelt und somit überhaupt nicht mehr an dem Unternehmenskauf interessiert ist.
Sind mehrere Interessenten am Bieterprozess beteiligt, muss auf eine Gleichbehandlung geachtet werden. Hier kann also nicht ein Finanzinvestor deutlich besser behandelt werden und genauere Informationen erlangen, als es beispielsweise strategische Investoren (z. B. Wettbewerber) bekommen.
Ist diese Klippe erfolgreich umschifft und sind die in einen (heutzutage meist elektronischen) Datenraum eingestellten Daten hinreichend analysiert worden, geht es in die Verhandlungen.
Dabei ist dann darauf zu achten, dass der Unternehmer möglichst wenig Haftungen und Garantien für spätere Ertragskraft, Kundenbeziehungen, Lieferantenbeziehungen etc. übernimmt, die ihm seinen vermeintlich interessanten Verkaufspreis nachträglich minimieren.
Insofern gilt:
Grundsatz 6: Unternehmensverkaufpreis ist nur das, was dauerhaft dem Unternehmer verbleibt!
Dies bedeutet, dass hart verhandelt werden muss, um Garantien und Haftungen, wenn überhaupt erforderlich, auf einen festen Mindestbetrag zu begrenzen.
Das gleiche gilt selbstverständlich für das häufig von Käufern geäußerte Ansinnen, lediglich einen Teil des Kaufpreises sofort in bar zu bezahlen und den Rest auf Raten abzustottern. Dieses Teilzahlungsmodell wird häufig in die hochtrabend klingenden neudeutsche Wörter „Earn-out-Clause“ verpackt, ist aber letztendlich nichts Besseres. Hierauf darf sich ein Verkäufer niemals einlassen, es gilt hier die bedauerliche Praxiserfahrung, dass dann als Verkaufspreis nur die erste Barkomponente verbleibt, weil ein cleverer Käufer immer noch so viele „Leichen im Keller“ finden wird, damit er dann die versprochenen Ratenzahlungen nicht mehr leisten muss.
Für die von den Käufern häufig geforderten Haftungen gibt es seit kurzer Zeit eine interessante Alternative: Einige englische Versicherungen bieten sogenannte Haftungsversicherungsverträge an, die für den Verkäufer den Vorteil einer klar kalkulierbaren Prämie bieten und für den Käufer die Chance, im echten Schadensfall mehr als die 10 Prozent aus einer ansonsten vielleicht vereinbarten pauschalen Haftungsklausel zu erhalten.
Letztendlich verbleibt dem Unternehmer natürlich nur der Netto-Verkaufspreis, nach Abzug von Ertragsteuer. Da es sich in dem hier geschilderten Fall nicht um eine schenkungsweise Übertragung handelt, fallen vor allem Einkommen- oder Körperschaftsteuern an.
Im Rahmen der langfristigen Vorbereitung eines Unternehmensverkaufs ist es nach heutiger Steuerrechtslage beim Verkauf von GmbH-Anteilen sinnvoll, diese nicht von einer natürlichen Person halten zu lassen, sondern von einer Holding-GmbH oder Verwaltungs-GmbH, da in diesem Fall nur ein Bruchteil des Gewinns (5 %) steuerpflichtig ist.
Weiterhin ist es in vielen Fällen sinnvoll, keinen Verkauf der Assets, sondern einen der Anteile zu gestalten. Dies muss jedoch nach individueller steuerlicher Situation des Unternehmens vorher sorgfältig geprüft werden, da vielleicht Verlustvorträge vorhanden sind, die dann doch im Einzelfall einen gesonderten Asset Deal sinnvoll erscheinen lassen. Daher gilt:
Grundsatz 7: Relevant für den Unternehmer ist nur der verbleibende Netto-Verkaufserlös nach Abzug sämtlicher Steuern.
Für die verschiedenen Möglichkeiten der Unternehmensbewertung, angefangen von der wissenschaftlichen Ertragswertmethode und den hieraus abgeleiteten weiteren Formen, zum Beispiel Discounted-Cash-Flow, bis hin zur Praktikermethode der Multiplikatoren-Bewertung, verweisen wir auf unsere Artikelserie in bdp aktuell Ausgabe 71 bis 73.
Wir haben im Jahr 2011 mittlerweile über 10 Unternehmensverkäufe begleitet. Hierbei handelt es sich um Unternehmen zwischen 15 und 1.000 Mitarbeitern, wobei sich die Verkaufspreise in höheren Millionen-Bereichen bewegten. In allen Fällen wurde zur Wertermittlung die Multiplikatormethode verwendet. Vereinfachend dargestellt ergibt sich der Unternehmenswert als Multiplikation des Gewinns vor Zinsen und Steuern (EBIT) mit einem Faktor, der zurzeit je nach Branche, Größe und Ertragskraft des Unternehmens zwischen 4 und 9 schwankt. Von dieser Multiplikation abgezogen werden die zinstragenden Verbindlichkeiten (im Wesentlichen Bankschulden).
Mittlerweile gelingt es oft, eine Multiplikation des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) mit diesem Faktor vorzunehmen, was den Unternehmenspreis deutlich erhöht. Streitfall ist häufig, ob die Mietkaufverbindlichkeiten ebenfalls abgezogen werden. Da sie überwiegend Komponenten von Finanzschulden haben, ist dies meist der Fall, sofern der Verkäufer sich nicht in einer besonders starken Verhandlungsposition befindet.
Wer Ertrag und Ertragsaussichten in der Unternehmensplanung für die nächsten zwei Jahre glaubhaft und plausibel gestärkt hat, erzielt auch den höchsten Preis.
Bleibt zum Schluss: