Die Finanzverwaltung reagiert kurzfristig auf Rechtsprechung
Am 22. September 2010 hat die Bundesregierung die Aufhebung der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008 (UStR 2008) mit Wirkung vom 01. November 2010 beschlossen. Die Richtlinien werden ersetzt durch den vom BMF am 01. Oktober 2010 herausgegebenen rund 600 Seiten umfassenden Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE). Anders als die bisherigen UStR gilt der Anwendungserlass unbefristet.
Hintergrund der Neuregelung ist, dass die Verwaltungsauffassung schneller an die beschleunigte Rechtsprechung angepasst werden soll. Denn während zu einer Änderung der Umsatzsteuer-Richtlinien die Zustimmung des Bundesrates erforderlich wäre, ist eine Änderung des Anwendungserlasses für die Finanzverwaltung sehr viel bequemer, sie erfolgt im Rahmen von BMF-Schreiben.
Seit dem Inkrafttreten des UStAE ist dies schon acht Mal geschehen. Daneben wird ab 2011 jährlich eine gedruckte Umsatzsteuer-Handausgabe herausgegeben. Der jeweils aktuelle Stand des UStAE kann in einer „konsolidierten Fassung“ über die Internetseite des BMF aufgerufen werden.
Wie bei den Richtlinien handelt es sich beim UStAE um eine interne Verwaltungsvorschrift, die Bindungswirkung in der Rechtsanwendung nur für die Finanzverwaltung, nicht jedoch für die Gerichte entfaltet.
Zur Erleichterung der Anwendung sind die Abschnitte des UStAE nicht wie bei den UStR fortlaufend nummeriert, sondern richten sich nach dem zugehörigen Paragrafen des UStG.
Gegenüber den UStR 2008 sind u. a. folgende inhaltliche Änderungen bedeutsam:
- Neufassung der Verwaltungsanweisungen zum Ort der sonstigen Leistung nach § 3a UStG. Seit dem 01. Januar 2010 bestimmt sich der Ort der sonstigen Leistung, die an einen Unternehmer erbracht wird, nach dem Ansässigkeitsort des Leistungsempfängers. Nach Abschnitt 3a.2 Abs. 9 UStAE darf der leistende Unternehmer darauf vertrauen, dass sein Abnehmer Unternehmer ist und die Dienstleistung für unternehmerische Zwecke bezieht, wenn dieser ihm gegenüber seine USt-IdNr. verwendet.
- In Abschnitt 4.9.1 UStAE wird die Regelung des BMF-Schreibens vom 22. September 2008 übernommen, wonach die Entnahme von Grundstücken umsatzsteuerfrei ist.
- Die Option nach § 9 UStG, d. h. der Verzicht auf die Anwendung bestimmter Steuerbefreiungen und der Widerruf dieser Option sind nur bis zur formellen Bestandskraft der jeweiligen Jahressteuerfestsetzung zulässig (Abschnitt 9.1 Abs. 3 UStAE).
- In Umsetzung des BFH-Urteils vom 19. April 2007 wird in Abschnitt 15.2 Abs. 2 UStAE ausgeführt, dass ein Unternehmer, der alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Betrug einbezogen sind, auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen kann, ohne Gefahr zu laufen, sein Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren.
Der UStAE gilt grundsätzlich für Umsätze, die nach dem 31. Oktober 2010 ausgeführt werden. Für später eingeführte Neuregelungen kann ein abweichender erstmaliger Geltungszeitpunkt festgelegt werden. Hieraus ergibt sich für den Rechtsanwender jedoch ein praktisches Problem, da die Anwendungszeitpunkte für die später ergangenen Ergänzungen der konsolidierten Fassung nicht zu entnehmen sind. Hier wird es in Zukunft schwieriger werden, den Stand des UStAE für bestimmte Besteuerungszeiträume verbindlich zu klären.
Thomas Naumann
ist Steuerberater bei bdp Berlin.