Die Kompromissformel lautet: Der Solidaritätszuschlag wird zumindest für rund 90 Prozent der Steuerzahler gestrichen. Bei weiteren 6,5 Prozent soll die Quasi-Steuer zumindest gesenkt werden.
Die Halbwertzeit des Solidaritätszuschlags ist nicht mehr lang. Wahrscheinlich wird er im nächsten oder übernächsten Jahr zumindest für den Großteil der Steuerzahler abgeschafft. bdp-Gründungspartner Dr. Michael Bormann erläutert die Details.
Unter den verschiedenen Parteien herrscht vor allem Uneinigkeit, wie mit der im Volksmund Soli genannten Sonderabgabe umzugehen ist. Die AfD würde ihn am liebsten umgehend streichen - und zwar vollständig. Die FDP sieht das ähnlich, würde sich aber zumindest bis zum Jahresende Zeit lassen. Eigentlich wollte auch die CDU den Solidaritätszuschlag ganz abschaffen. Allerdings zeigte sich zuletzt unter anderem CSU/CDU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus kompromissbereit. Denn der Koalitionspartner SPD will den Soli nur teilweise einkassieren. Die Kompromissformel lautet: Der Solidaritätszuschlag wird zumindest für rund 90 Prozent der Steuerzahler gestrichen. Bei weiteren 6,5 Prozent soll die Quasi-Steuer zumindest - abhängig vom Einkommen - gesenkt werden. Die Grünen wollen dagegen die Sonderabgabe in einen „Soli für gleichwertige Lebensverhältnisse“ umwandeln.
In dem Thema ist auf jeden Fall Bewegung. Denn Bundesfinanzminister Olaf Scholz wollte eigentlich noch in diesem Jahr ein Gesetz zur Abschaffung - zumindest zur teilweisen - vorlegen. Die Zeit drängt. Denn im kommenden Jahr läuft der Solidarpakt II aus. Damit entfällt die rechtliche Grundlage für den Solidaritätszuschlag, meinen Juristen wie der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier. Es gibt allerdings auch Experten, die anderer Meinung sind. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus zu erwarten, dass die Debatte im Sommerloch wieder hochkocht.
5,5 Prozent obendrauf
Konkret geht es um den 5,5-prozentigen Aufschlag, den das Finanzamt auf die Einkommenssteuer erhebt. Der Spitzensteuersatz steigt dadurch de facto von 42 auf 44,3 Prozent. Die Sonderabgabe müssen alle Steuerzahler leisten, die pro Jahr mehr als 1.340 Euro Steuern zahlen. Bei Ehepaaren und gesetzlich anerkannten Lebensgemeinschaften erhöht sich die Grenze auf 2.680. Darunter gilt ein reduzierter Satz. Bei Unternehmen wird der Soli als Zuschlag auf die Körperschaftssteuer draufgerechnet. Die Quasi-Steuer zahlen übrigens die Bürger und Firmen nicht nur in West-, sondern auch in Ostdeutschland.
Für den Staat geht es um eine Menge Geld. Laut Statistikportal Statista summierte sich der Solidaritätszuschlag im vergangenen Jahr auf 18,9 Milliarden Euro. Da das Steueraufkommen in diesem Jahr weiter steigt, dürften 2019 noch ein paar Millionen dazukommen.
Sonderabgabe seit fast 30 Jahren
Der Solidaritätszuschlag ist in die Jahre gekommen. Schon im Jahr 1991 wurde der Soli eingeführt. Der Bundesfinanzminister hieß damals noch Theo Weigel. Er wollte damit die Kosten der deutschen Wiedervereinigung zumindest teilweise finanzieren. Mit dem Länderfinanzausgleich war das nicht zu leisten. 1993 und 1994 wurde er nicht erhoben, aber 1995 unbefristet wieder eingeführt. Insgesamt haben sich die Einnahmen des Solis für den Staat bis heute auf mehr als 300 Milliarden Euro summiert. Die Kosten für den „Aufbau Ost“ überstiegen diesen Wert allerdings um ein Vielfaches.
Bundeskabinett stimmt Scholz-Vorschlag zu
Nach der derzeitigen Faktenlage wird der Soli zumindest für 90 Prozent der Steuerzahler vollständig abgeschafft und für weitere 6,5 Prozent stufenweise reduziert – so der aktuelle Gesetzentwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Dadurch soll verhindert werden, dass Steuerzahler, die die Freigrenze nur um einen Euro überschreiten, umgehend in voller Höhe belastet werden. Die einkommensstärksten 3,5 Prozent der Steuerzahler sollen den Soli dagegen weiter in voller Höhe zahlen.
Das gilt übrigens auch für Personengesellschaften, also einen guten Teil des deutschen Mittelstands. Sie können wahrscheinlich nur darauf hoffen, dass sich eine Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags als verfassungswidrig erweist.
Dem Gesetzentwurf von Scholz hat die Bundesregierung mittlerweile zugestimmt. Nun ist der Bundestag an der Reihe. Und hier gilt bekanntlich immer noch das Strucksche Gesetz, das besagt, dass kein Gesetzesvorhaben den Bundestag so verlässt, wie es eingebracht wurde. Wir werden über den Fortgang des Verfahrens berichten.