Der Bundesfinanzhof ist der Meinung, die Verzinsung mit 6 % jährlich insbesondere vor dem Hintergrund des aktuellen Marktzinses nicht mehr angemessen ist.
Für Steuererstattungen bzw. -nachzahlungen gilt die sog. Vollverzinsung (§ 233a i. V. m. § 238 AO). Danach werden entsprechende Erstattungen und Nachzahlungen nach Ablauf einer Karenzzeit von regelmäßig 15 Monaten mit einem gesetzlich festgelegten Zinssatz von 0,5 % für jeden vollen Monat verzinst.
In der Vergangenheit hat es immer öfter Meinungen gegeben, wonach die Verzinsung mit 6 % jährlich insbesondere vor dem Hintergrund des aktuellen Marktzinses nicht mehr angemessen ist. In einer neuen Entscheidung des Bundesfinanzhofs wurde jetzt erstmals höchstrichterlich die derzeitige Praxis der Verzinsung von Steuernachzahlungen in Frage gestellt.
Nach Auffassung des Gerichts gebe es keine sachliche Rechtfertigung für die gesetzliche Höhe des Zinssatzes. Der (ursprüngliche) Sinn und Zweck der Verzinsung, den Nutzungsvorteil abzuschöpfen, der dadurch entsteht, dass der Steuerpflichtige während der Dauer der Nichtentrichtung der Steuer über eine Geldsumme verfügen könne, sei angesichts des Niedrigzinsniveaus nicht realistisch. Darüber hinaus wirke die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe in Zeiten der niedrigen Zinsen wie ein rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung.
Somit bestünden „schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel, ob der Zinssatz dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) folgenden Übermaßverbot entspreche“. Unter Berufung auf diesen Beschluss können ggf. betroffene Zinsbescheide angefochten und eine entsprechende Aussetzung der Vollziehung für Veranlagungszeiträume ab 2015 erwirkt werden.
BFH, 25.04.2018 IX B 21/18