Deutschland hat sich mit der Schweiz auf ein Steuerabkommen geeinigt. Was bedeutet das für deutsche Steuerpflichtige?
____Dr. Bormann, Mitte August haben Deutschland und die Schweiz die Verhandlungen über offene Steuerfragen abgeschlossen und ein Steuerabkommen paraphiert. Was bedeutet das für deutsche Steuerpflichtige?
Die Einigung bedeutet das Ende der Steueroase Schweiz. Wer Geld in der Schweiz angelegt hat und die Erträge bislang noch nicht deklariert hat, hat nun die Wahl: Entweder muss er eine einmalige Steuerzahlung leisten oder seine Schweizer Konten dem deutschen Fiskus offenlegen. Letzteres bedeutet praktisch, eine Selbstanzeige einzureichen.
____Das klingt nicht sehr verlockend. Muss ich mich bei der Nachversteuerung auch offenbaren oder kann ich anonym bleiben?
Die Nachversteuerung erfolgt nach einem anonymisierten Verfahren. Das ist ganz klar ein Verhandlungserfolg der Schweizer Seite, die Wert darauf legt, dass an dem Prozess keine ausländischen Behörden beteiligt sind. Es wird so vonstattengehen, dass die Schweizer Bank die jeweilige Steuerschuld ihren deutschen Kunden belastet und über die Schweizer Steuerverwaltung an die Bundesrepublik weiterleitet.
Als Garantieleistung und um „den Willen zur Umsetzung des Abkommens zu bekunden“, wurde vereinbart, dass die Schweizer Banken eine Abschlagszahlung von 2 Milliarden Franken, das sind etwa 1,85 Milliarden Euro, leisten. Damit soll auch ein Mindestaufkommen bei der Vergangenheitsnachbesteuerung gewährleistet werden, denn mit dieser Vorleistung haben die Schweizer Banken ein starkes Interesse daran, sich dieses Geld von ihren Kunden wiederzuholen, wenn diese nicht belegen können, dass sie ihre Einkünfte versteuert haben.
____Was sind denn nun die Sätze, mit denen nachversteuert werden soll?
Für unversteuertes Altvermögen sollen einmalig zwischen 19 und 34 Prozent abgeführt werden. Das hängt davon ab, wie alt das Vermögen ist und welchen Wertzuwachs es hatte. Je älter das Konto und je besser die Rendite, desto höher der Steuersatz.
Zukünftig sollen dann die Vermögenszuwächse mit einem Steuersatz von 26,375 Prozent belastet werden, was dem Satz der deutschen Abgeltungsteuer entspricht. Die Steuer wird als Quellensteuer von den Schweizer Banken abgeführt und erfüllt damit die Steuerpflicht gegenüber der Bundesrepublik.
____Ich kann also durch die Zahlung einer einmaligen Strafsteuer Schweizer Vermögen legalisieren und habe dann zukünftig steuerliche Belastungen wie in der Bundesrepublik.
Das ist korrekt. Sie müssen aber bedenken, dass das Abkommen erst paraphiert ist. Es muss noch von den deutschen und Schweizer Gesetzgebern beschlossen werden. In Kraft treten soll es nach den jetzigen Plänen ab Anfang 2013. Bis dahin können Steuersünder von der Steuerfahndung noch entdeckt und dann bestraft werden.
____Wozu raten Sie: Abgeltungsteuer oder Selbstanzeige?
Das muss man ausrechnen. In Deutschland sind ja nur die Vermögenszuwächse steuerpflichtig. Das Abkommen mit der Schweiz bezieht sich bei der Nachversteuerung aber auf den gesamten Vermögensbestand. Es kann also sein, dass selbst dann, wenn man bis zur Einführung der Abgeltungsteuer Anfang 2009 den deutschen Spitzensteuersatz von 42 Prozent schuldet, eine Selbstanzeige günstiger kommt.
Dazu ist aber absolute Offenheit notwendig. Wenn Sie die Schweizer Strafsteuer abführen lassen, bleiben Sie anonym. Sie geben Ihrem Steuerprüfer also keinen Anlass, Sie zukünftig besonders kritisch unter die Lupe zu nehmen. Außerdem sind bei einer Selbstanzeige Hinterziehungszinsen von 6 Prozent pro Jahr fällig. Da kommen schnell erkleckliche Summen zusammen. Generell hat die Abgeltungslösung einen gewissen Reiz.
____Das gilt ja vor allem dann, wenn schon der Kapitalstock aus Schwarzgeld bestand.
Ja, dann muss eine Selbstanzeige sehr gut überlegt werden, weil diese leicht einen Rattenschwanz an weiteren Problemen nach sich zieht. Und erfolgt sie nicht vollumfänglich, scheitert sie womöglich komplett (vgl. bdp aktuell 76, Juli/August 2011).
Aber wie gesagt: Das lässt sich relativ leicht ausrechnen und dabei sind wir unseren Mandanten gerne behilflich.
____Wie groß ist die Gefahr, jetzt noch von der Steuerfahndung entdeckt zu werden?
An der rechtlichen Situation hat sich durch die Paraphierung erstmal nichts geändert. Allerdings hat die Schweiz auf internationalen Druck der G20 und der OECD hin schon Anfang 2009 beschlossen, den OECD-Standard bei der Amtshilfe in Steuersachen zu übernehmen. Bereits im Oktober 2010 hatten sich die Eidgenossen verpflichtet, künftig bei Verdacht auf Hinterziehung Bankdaten an deutsche Ermittler zu liefern. Die Schweiz leistet somit Amtshilfe bei allen Steuerdelikten, auch bei Steuerhinterziehung. Die Einigung in den Verhandlungen über das Steuerabkommen hat das Verhältnis von Deutschland und der Schweiz sicher nicht weiter belastet, wie zu den Zeiten, als Steinbrück dort mit der Kavallerie einreiten wollte.
Es gibt ferner aktuell gewisse Hinweise darauf, dass der deutschen Steuerfahndung neue CDs mit den Daten möglicher Steuersünder vorliegen. Zwar soll sich Deutschland gegenüber der Schweiz verpflichtet haben, entsprechende Ankäufe zukünftig zu unterlassen. Aber noch ist das ja nicht verbindlich.
____Welche Fahndungsmöglichkeiten will die Schweiz den deutschen Behörden zukünftig einräumen?
Um zu verhindern, dass neues unversteuertes Geld in der Schweiz angelegt wird, wurde vereinbart, dass die deutschen Behörden im Sinne eines Sicherungsmechanismus Auskunftsgesuche stellen können, die den Namen des Kunden, jedoch nicht zwingend den Namen der Bank enthalten müssen. Die Gesuche sind zahlenmäßig beschränkt und bedürfen eines plausiblen Anlasses. Die Anzahl wird für eine Zweijahresfrist innerhalb einer Bandbreite von 750 bis 999 Gesuchen liegen; anschließend findet eine Anpassung aufgrund der Ergebnisse statt. Sogenannte „Fishing Expeditions“ sind ausgeschlossen.
____Gibt es jetzt noch Möglichkeiten, Kapital aus der Schweiz abzuziehen?
Fluchtwege gibt es immer. Aber es ist mittlerweile sehr viel schwerer geworden, sie auch zu nutzen. Das hängt vor allem mit dem Geschäftsgebaren der Schweizer Banken zusammen. Es häufen sich die Berichte, dass sie größere Summen nur dann problemlos auszahlen, wenn die Besitzer den legalen Erwerb nachweisen können. Die Schweizer Bankiervereinigung beschreibt das so: „Will der Kunde auf die vorteilhafte Lösung der Abgeltungsteuer verzichten, muss er sein Vermögen bis zum 31. Mai 2013 aus der Schweiz abziehen. Die Schweizer Banken werden ihn dabei nicht unterstützen.“
Die möglichen Fluchtpunkte werden ja ohnehin weniger. Liechtenstein ist jetzt auch ganz wild darauf, ein Abkommen nach dem Muster der Schweiz abzuschließen. Und zukünftig wird die Schweiz den deutschen Behörden Statistiken über die Kapitalbewegungen liefern. Da wird es für die mächtige Bundesrepublik nicht sehr schwierig sein, neue Steueroasen zu identifizieren und dann auszutrocknen.