Wie wird die Umsatzsteuersenkung in der Praxis umgesetzt? bdp-Partner und Steuerexperte Christian Schütze erklärt Chancen und Tücken.
Am Abend des 03. Juni 2020 gab die Bundeskanzlerin, gemeinsam mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz, Ministerpräsident Markus Söder, Norbert Walter-Borjans, Ralph Brinkhaus und Rolf Mützenich das neue Corona-Konjunkturpaket bekannt. 130 Milliarden Euro werden zur Verfügung gestellt um, so sagte Scholz „mit Wumms aus der Coronakrise zu kommen“. Ein zentraler Punkt dieses Konjunkturpakets ist die befristete Senkung der Mehrwertsteuer im zweiten Halbjahr 2020 von 19 % auf 16 % und im ermäßigten Satz von sieben auf fünf Prozent. Doch wie wird diese Maßnahme in der Praxis umgesetzt? bdp-Partner und Steuerexperte Christian Schütze erklärt Chancen und Tücken:
Wie wird differenziert, wann welcher Steuersatz gilt?
Maßgeblich für die Entscheidung, welcher Steuersatz gilt (19 % oder 16 % bzw. 7 % oder 5 %), sind die Fragen: „Wann wurde die Leistung ausgeführt“ bzw. „Wann ist die Lieferung erfolgt“. Diese müssen dann ab 01. Juli 2020 für jede Leistung und Lieferung individuell geklärt werden.
Was bedeutet das im Detail?
Eine Leistung ist grundsätzlich in dem Zeitpunkt ausgeführt, in dem sie als abgeschlossen gilt. Damit handelt es sich nicht um einen Zeitraum, sondern um einen Zeitpunkt. Eine Lieferung ist grundsätzlich dann ausgeführt, wenn die Ware bei der Lieferung „den Hof verlässt“ oder im Einzelhandel an der Kasse bezahlt wird.
Wo liegen die Ausnahmen?
Abgrenzungsschwierigkeiten kann es bei langfristigen Aufträgen, bei sog. Dauersachverhalten, wie Leasing oder Miete geben. Auch bei Anzahlungen können Schwierigkeiten entstehen.
Grundsätzlich ist mit Ende des Auftrags die Leistung ausgeführt. Der zu dem Zeitpunkt geltende Umsatzsteuersatz ist dann maßgeblich. Dies gilt auch, wenn alles oder Teile des Betrags bereits mittels Anzahlung oder Vorkasse bezahlt sind. Dies muss dann, im Normalfall mit der Schlussrechnung (oder, wenn es keine Schlussrechnung gibt, einer berichtigten Rechnung), „glatt gezogen“ werden.
Welches Verfahren gilt bei Teilleistungen?
Anders ist es bei sogenannten Teilleistungen. Diese liegen meist auch bei Miete und Leasing vor. Dort ist der jeweilige Monat der Leistungszeitpunkt. Das bedeutet konkret: Leasingkosten Juni 2020 19 % Umsatzsteuer, Leasingkosten Juli 2020 16 % Umsatzsteuer. Bei Hotelübernachtungen gilt das Ende der Nacht vom 30.6.-1.7. als maßgeblich. Damit kann ein Teil der Hotelrechnung mit 7 % (Nächte bis 30. 6.) und ein Teil mit 5 % (Nächte ab 30. 6.) berechnet sein.
Warum sind diese Ausnahmen so relevant?
Eine richtige Abgrenzung ist wichtig vor allem für den Auftraggeber/Rechnungsempfänger. Der Rechnungsaussteller muss den zu hohen Betrag (3 %, wenn 16 % richtig wären aber 19 % abgerechnet wurden) an das Finanzamt abführen. Der Rechnungsempfänger hat aber nur eine Vorsteuer von 16 %. Die 3 % bleiben erstmal „hängen“. Es kann dann eine Korrektur gemacht werden, wenn es bekannt wird. Weiterhin muss zum Vorsteuerabzug eine korrekte Rechnung vorliegen. Bei Dauermiet- oder -leasingrechnungen muss also nachträglich eine Anpassung erfolgen.
Was ist bei Kassensystemen und anderen EDV-Geräten zu beachten?
Es müssen notwendigerweise kurzfristig Änderungen in die Kassenprogramme eingepflegt werden. Erfahrungsgemäß dauert so etwas, bis man einen Termin bekommt bzw. die Programme fertig sind.
Bitte setzen Sie sich umgehend mit Ihrem IT-Verantwortlichen in Verbindung und spielen die entsprechende Software ein.
Bitte überprüfen Sie auch, welche anderen EDV-Geräte (Waagen, WaWi-Systeme, Rechnungsschreibungsprogramme etc.) im Betrieb betroffen sind und aktualisieren Sie diese entsprechend.
Wie schätzen Sie, als Experte diese Maßnahme ein?
Ob die Umstellung all dieser Abläufe (Kassenumstellungen, Buchführungsprogramme, Rechnungsschreibungsprogramme, Abgrenzungsfragen) für einen Zeitraum von sechs Monaten wirtschaftlich sinnvoll ist und an den beabsichtigten Stellen greift, ist eine gute Frage. Dies wird sich wohl erst in der praktischen Anwendung final zeigen. Es wäre sicherlich von Vorteil, wenn für die Abgrenzungen umfangreiche Erleichterungen zugelassen würden (wie z. B. bei der Minderung der Umsatzsteuer für Bahntickets).