Die verschiedenen im Zuge der Coronapandemie zwischenzeitlich geltenden Fristerleichterungen sind nun allesamt weggefallen! Geschäftsführungen müssen wieder genau und weit in die Zukunft planen.

Insolvenzantrag und Fristen

Damit ein Insolvenzverfahren überhaupt eröffnet werden kann, muss gemäß § 16 Insolvenzordnung (InsO) ein Eröffnungsgrund gegeben sein. Das Gesetz kennt drei Eröffnungsgründe, die in ihren Voraussetzungen in den §§ 17 - 19 InsO beschrieben sind. Zu beachten ist auch, wer berechtigt bzw. verpflichtet ist, bei Vorliegen eines Eröffnungsgrundes den Insolvenzantrag zu stellen. 

Das Antragsrecht haben grundsätzlich alle Mitglieder eines Vertretungsorgans bzw. die persönlich haftenden Gesellschafter einer Gesellschaft. Ist eine juristische Person führungslos, so sind auch deren Gesellschafter antragsberechtigt. Daneben sind es natürlich die Gläubiger einer Gesellschaft, die antragsberechtigt sind. 

Eine Antragspflicht besteht für juristische Personen bzw. Gesellschaften, deren persönlich haftender Gesellschafter keine natürliche Person ist, so z. B. regelmäßig die GmbH & Co. KG, wenn nur die GmbH persönlich haftender Gesellschafter und damit das haftende Vermögen begrenzt ist.

Die Insolvenzordnung kennt drei Gründe, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen: 

  • Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO)
  • drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO)
  • Überschuldung (§ 19 InsO)

Zahlungsunfähigkeit

§ 17 InsO nennt die Zahlungsunfähigkeit als allgemeinen Eröffnungsgrund. Demnach wird ein Insolvenzverfahren durch das Insolvenzgericht eröffnet, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Wenn der Schuldner seine Zahlungen bereits eingestellt hat, wird die Zahlungsunfähigkeit regelmäßig angenommen.

Anderenfalls ist genau zu untersuchen, ob der Schuldner bereits tatsächlich zahlungsunfähig ist oder möglicherweise nur Zahlungsstockungen oder geringfügige Liquiditätslücken vorliegen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist sich daran zu orientieren, ob der Schuldner 10 % oder mehr seiner fälligen Verbindlichkeiten länger als drei Wochen nicht erfüllen kann. Unbeachtlich ist dabei, ob die Forderungen besichert oder ungesichert sind. Da lediglich fällige Zahlungen beachtet werden, bleiben gestundete Forderungen außen vor.

Aufgrund der an eine bestehende Zahlungsunfähigkeit anknüpfenden Rechtsfolgen ist es unerlässlich, in kritischen Situationen möglichst eine tagesaktuelle Liquiditätsplanung durchzuführen und dies auch entsprechend zu dokumentieren. Minimalanforderung für Krisensituationen ist eine fortgeschriebene wöchentliche Liquiditätsplanung, die auf jeden Fall einen Horizont von wenigstens drei Wochen hat.

Drohende Zahlungsunfähigkeit

Ein Insolvenzantrag kann auch schon aufgrund einer drohenden Zahlungsunfähigkeit gestellt werden. Dies kann jedoch niemals durch einen Gläubiger erfolgen, sondern immer nur durch den Schuldner selbst.

Unter einer drohenden Zahlungsunfähigkeit versteht man gemäß § 18 InsO den Umstand, dass der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine bestehenden Zahlungsverpflichtungen zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Im Unterschied zur eingetretenen Zahlungsunfähigkeit wird auf die künftige Liquiditätssituation abgestellt.

Diese ist ebenfalls auf Grundlage eines Liquiditätsplans zu ermitteln. In aller Regel ist ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen.

Der BGH hat die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit vereinfacht

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH wurde seit 2005 zur Bestimmung der Zahlungsunfähigkeit eine Liquiditätsbilanz aufgestellt, nach der ein Unternehmen dann als zahlungsunfähig gilt, wenn es eine bestehende Deckungslücke von 10  % (oder mehr) auch mit den in einem dreiwöchigen Prognosezeitraum zufließenden liquiden Geldmitteln unter Abzug der in diesem Zeitraum fällig werdenden Verbindlichkeiten insgesamt nicht ausgleichen kann (BGH, 24.05.2005, IX ZR 123/04). 

Diese Rechtsprechung hat der BGH 2022 dahingehend erweitert, dass Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht unbedingt durch Aufstellung einer Liquiditätsbilanz, sondern auch „mit anderen Mitteln“dargelegt werden kann (BGH, 28.06.2022, II ZR 112/21). Im konkreten Fall hat der BGH eine statische Methode für zulässig erklärt, nach der nur festgestellt werden muss, dass die Deckungslücke von 10 % an drei verschiedenen Stichtagen innerhalb der Dreiwochenfrist bestanden hat. Damit gilt das Unternehmen zum ersten dieser Stichtage bereits als zahlungsunfähig.

Das bedeutet in der Regel, dass die Zahlungsunfähigkeit früher festgestellt werden muss als mit einer Liquiditätsbilanz. Und das wiederum zwingt Geschäftsleitungen dazu, früher einen Insolvenzantrag zu stellen. Tun sie dies nicht oder nicht rechtzeitig genug und datiert später ein Insolvenzverwalter mit dieser Methode die Zahlungsunfähigkeit früher, erhöhen sich die möglichen Regressforderungen an die Geschäftsleitung.

Überschuldung

Es liegt eine Überschuldung nach § 19 InsO vor, wenn das Vermögen des Schuldners dessen Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Nach der Finanzkrise 2007/2008 wurde der Überschuldungsbegriff in der Insolvenzordnung durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz zunächst befristet und dann dauerhaft dahingehend relativiert, dass trotz bestehender Überschuldung bei Vorliegen einer positiven Fortführungsprognose kein Insolvenzantrag gestellt werden muss. Eine positive Fortführungsprognose ist gegeben, wenn die Fortführung des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist.

Liegt eine solche positive Fortführungsprognose vor, ist ein Überschuldungsstatus entbehrlich. Besteht für das Unternehmen jedoch keine positive Fortführungsprognose, so ist der Überschuldungsstatus zur Ermittlung einer Überschuldung unter Ansatz von Liquidationswerten aufzustellen.

Zur Ermittlung der Überschuldung ist nicht die Handelsbilanz maßgeblich, sondern es ist eine Sonderbilanzaufzustellen, in der alle vermögenswerten Aktiva zu Veräußerungswerten anzusetzen sind. Die Überschuldungsprüfung soll gerade klären, ob bei fehlender Fortführungsprognose das schuldnerische Aktivvermögen die bestehenden Schulden im Rahmen einer regulären Liquidation noch deckt. Sind verschiedene Liquidationsmöglichkeiten gegeben, so ist die wahrscheinlichste zugrunde zu legen. Nur bei einem zu Liquidationswerten aufgestellten negativen Überschuldungsstatus liegt Überschuldung vor. Anderenfalls überwiegen die Aktivwerte und das Unternehmen ist nicht überschuldet.

Welche Fristen müssen unbedingt beachtet werden?

Wichtig ist zunächst: Die verschiedenen im Zuge der Coronapandemie zwischenzeitlich geltenden Fristerleichterungen sind mit Jahresanfang 2024 allesamt weggefallen!

Ist ein Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet, ist nach § 15a InsO „ohne schuldhaftes Zögern“ ein Insolvenzantrag zu stellen. Das bedeutet in der Regel sofort. Es muss aber spätestens innerhalb folgender Fristen ein Insolvenzantrag gestellt werden:

  • bei Überschuldung innerhalb von sechs Wochen bzw.
  • bei Zahlungsunfähigkeit innerhalb von drei Wochen.
  • Der Prognosezeitraum für die Überwachung einer zukünftig drohenden Zahlungsfähigkeit beträgt 24 Monate (§ 18 (2) InsO).
  • Die positive Fortführungsprognose zur insolvenzrechtlichen „Heilung“ einer Überschuldung erstreckt sich wieder auf die vollen 12 Monate.

Was Geschäftsführungen im Blick behalten müssen

Bis vor wenigen Jahren waren fast nur die beiden Insolvenzantragsgründe der tatsächlichen Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung praxisrelevant. Wegen der Pflicht zur Krisenfrüherkennung (§ 1 StaRUG) müssen Geschäftsführungen aber auch die drohende Zahlungsunfähigkeit genau im Auge behalten. Eine positive Fortführungsprognose, die eine bestehende Überschuldung insolvenzrechtlich „heilt“, kann nur durch einen externen, in Insolvenz- und Sanierungsangelegenheiten erfahrenen Berater erstellt werden, niemals durch das Unternehmen selbst. 

Die Liquiditätspläne, die zur Ermittlung des Liquiditätsstatus erforderlich sind, sollten als grundsätzliches Instrumentarium zur Liquiditätssteuerung im Unternehmen vorhanden sein. Aber auch hier kann es sinnvoll sein, externe Hilfe zurate zu ziehen. Bei der Erstellung eines Überschuldungsstatus zur Ermittlung, ob überhaupt eine Überschuldung vorliegt, kann es ebenfalls notwendig sein, auf sachverständigen Rat zurückzugreifen, dies vor allem auch in Abhängigkeit der Beschaffenheit der Vermögenswerte und deren Bewertung. 

Professionelle Beratung mindert Haftungsrisiken

Da bei Vorliegen eines Eröffnungsgrundes sich auch eine Insolvenzantragspflicht ergibt und sich daran eine Haftung der verpflichteten Personen anknüpft, empfiehlt es sich dringend, bei der Feststellung des Vorliegens eines Insolvenzantragsgrundes einen erfahrenen Berater hinzuzuziehen und dies auch zu dokumentieren. Zweifel, ob ein Unternehmen insolvenzantragspflichtig ist, gehen regelmäßig zulasten der verpflichteten Personen. Rechtzeitiges Handeln ist also auch hier oberstes Gebot – und wir unterstützen Sie gern.

Sanieren statt liquidieren: Restrukturierung konkret

Kapitel 2: Sanierungsplanung  Was muss der Sanierungsberater können?

Ein Sanierungsberater muss über umfassende Erfahrung und überzeugende Fähigkeiten verfügen, um erfolgreich akzeptierte Sanierungspläne umzusetzen.

Ein Sanierungsberater muss über umfassende Erfahrung und überzeugende Fähigkeiten verfügen, um erfolgreich akzeptierte Sanierungspläne umzusetzen.

Kapitel 4: Überschuldung beseitigen   Welche Maßnahmen helfen?

Ohne positive Fortführungsprognose ist bei Überschuldung ein Insolvenzantrag zwingend. Der kann sowohl durch Eigenkapital- als auch durch Fremdkapitalmaßnahmen verhindert werden.

Ohne positive Fortführungsprognose ist bei Überschuldung ein Insolvenzantrag zwingend. Der kann sowohl durch Eigenkapital- als auch durch Fremdkapitalmaßnahmen verhindert werden.

Kapitel 8: Restrukturierung ohne Insolvenz  Moderne Werkzeuge

Mit dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) gibt es einen gesetzlichen Rahmen, um Restrukturierungen früh und vor allem diskret einleiten zu können.

Mit dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) gibt es einen gesetzlichen Rahmen, um Restrukturierungen früh und vor allem diskret einleiten zu können.

Kapitel 9: Tools für die Krisenerkennung  Frühwarnsystem ist Pflicht

Häufig fehlen gerade in kleinen und mittleren Unternehmen geeignete Instrumente bzw. auch die Manpower, um den vielen Vorschriften für Krisenunternehmen nachzukommen. Hier kann bdp helfen.

Häufig fehlen gerade in kleinen und mittleren Unternehmen geeignete Instrumente bzw. auch die Manpower, um den vielen Vorschriften für Krisenunternehmen nachzukommen. Hier kann bdp helfen.

Kapitel 10: Wichtige Fristen und Pflichten   Wann ist ein Insolvenzantrag fällig?

Die verschiedenen im Zuge der Coronapandemie zwischenzeitlich geltenden Fristerleichterungen sind nun allesamt weggefallen! Geschäftsführungen müssen wieder genau und weit in die Zukunft planen.

Die verschiedenen im Zuge der Coronapandemie zwischenzeitlich geltenden Fristerleichterungen sind nun allesamt weggefallen! Geschäftsführungen müssen wieder genau und weit in die Zukunft planen.